Perry Rhodan 3105: Galerie der Gharsen. Michelle Stern

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Название Perry Rhodan 3105: Galerie der Gharsen
Автор произведения Michelle Stern
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan-Erstauflage
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845361055



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endlos und leer war.

      Ein helles, ewiges Nichts. Ein Segen. Ein Fluchtort, den sie irgendwie selbst erschuf, ihre eigene Enklave. So hatte sie diesen Ort jenseits aller Orte erlebt, seit sie als Kind das erste Mal hineingetreten war, um sich zu verstecken. Estak Mellos hatte sie gejagt – ein Nachbarmädchen, das böse auf sie gewesen war, weil ihre Katze sie vermeintlich lieber hatte. Als Mellos nach ihr gegriffen hatte, war Shema das erste Mal in die andere Welt getreten und dadurch dem aufgebrachten Mädchen entkommen.

      Sie hatte im Licht gestanden und das Draußen nur wie blasse, verwaschene Schatten wahrgenommen. Und sie hatte sich fortbewegen können, wenngleich nur langsam und nur um einen knappen Meter. Aber es hatte genügt.

      Seitdem hatte sie viel mit ihrer Gabe gearbeitet und hart im TIPI trainiert und vieles von dem begriffen, was ihr Talent ihr ermöglichte. Doch noch immer gab es Rätsel, die geblieben waren. Sie konnte inzwischen bis zu zwei Personen – oder größere Gegenstände – mit in ihre Enklave nehmen. Eigentlich hätte sie Yaradua und Damar dadurch retten sollen – aber sie hatte die beiden nicht berühren können, und das war eine Grundbedingung für das Mitnehmen geblieben.

      Damit war diese Option verfallen, und sie hatte allein fliehen müssen. Nun stand sie allein in ihrer eigenen Sicherheit, die den Wissenschaftlern zufolge am ehesten eine künstliche Senke im Hyperraum sei. Verlassen von allen, aber dafür außer Gefahr.

      Die Beschränkung der Fesselfelder war gewichen. Shema wusste, dass sie sich von dem Ort entfernen konnte, an dem sie in die Enklave geglitten war. Deutlich mehr als den einen Meter ihrer Kindheit, aber dennoch höchstens 120 Meter, und das auch nur, wenn sie allein war. Zudem konnte sie in ihrem Fluchtort nur langsam gehen, höchstens mit halber Schrittgeschwindigkeit. Warum? Ja, das hatte sie sich selbst oft gefragt und irgendwann begriffen, dass diese Frage ihr den Weg zu ihrer Gabe verstellte. Seitdem ließ sie sich darauf ein – und beherrschte sie immer besser.

      Die Kontaktstelle zum Einsteinraum verschwamm vor ihren Augen. Der bunte Ball blähte sich wie ein Ballon auf, fiel wieder in sich zusammen. Die niedrigdimensionale Realität lag entrückt jenseits des hellen, farbigen Schleiers ihres Fluchtortes. Kaum erkennbare Schattenrisse gaben eine Ahnung von dem, was sich draußen abspielte. Aber viel blieb Interpretation und Erfahrung, selten einmal gab es klare und korrekte Eindrücke.

      Zam hatte es ihr erklärt, jener Ausbilder, der ihr von allen der liebste gewesen war. Der Ara hatte gesagt: »Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das, was du vorgeblich optisch wahrnimmst, nicht die Realität. Dein Gehirn setzt das Bild aus Erinnerungen und unbewusst empfangenen und verwerteten ÜBSEF-Impulsen anderer Lebewesen zusammen.«

      Ja. So musste es wohl sein.

      Shema empfand sich körperlich, obwohl sie nicht atmete. Sie konnte sogar beschränkt die Funktionen ihres SERUNS nutzen, als wäre sie im Normalraum. Warum sollte da nicht auch ihre Optik etwas zeigen, das eigentlich gar nicht vorhanden war? Dort, wo sie nun stand, gab es eigentlich keinen Sauerstoff. War das der Grund für das Gefühl einer großen, stetig anwachsenden Last, die sie zu Boden drückte? Je größer die Last wurde, desto näher rückte der Zeitpunkt, an dem Shema aussteigen musste. Einmal war sie aus Trotz geblieben, hatte die Last ertragen, bis die Farben erloschen und ihr Atem still wurde. Zurück im Einsteinraum hatte ihre Nase geblutet und erst nach einem kleineren Eingriff wieder damit aufgehört.

      »Du hast Glück gehabt«, hatte Zam damals gesagt. »Das war sehr dumm von dir. Stell dir vor, deine Gabe wäre eine Art Luftvorrat, der dir einen Aufenthalt im Hyperraum ermöglicht. Kein Taucher steigt einfach auf. Je länger du da drin bist, desto gefährlicher wird es. Menschen sind nicht für den Hyperraum gemacht.«

      Shema ging voran. Sie musste von der Stelle wegkommen, an der im anderen Raum das Fesselfeld lag. Sie versuchte, weiter an Zam zu denken, an ihre Zeit im TIPI, sogar an den Herflug mit der RAS TSCHUBAI. Sie wollte an alles denken, bloß nicht daran, dass sie versagt hatte. Sie hätte es schaffen müssen, Damar zu erreichen. Als er ihr gesagt hatte, dass sie seine Hand nehmen sollte, hatte sie gezögert. Es war ein Moment gewesen. Genau jener Moment, der gefehlt hatte, um mit ihm einen Parablock zu bilden.

      »Konzentrier dich!«, sagte sie laut.

      Ihre Stimme klang fremd im weißen Wabern, das alles Bunte verloren hatte und in das es nun wieder zurückkehrte, als reagierte es auf ihre Stimme. Aber wie sollte es? Es gab schließlich nirgendwo Schall. Die Worte verloren sich. Nichts davon kehrte je zurück. Unheimlich.

      »Konzentrier dich!«, sagte sie erneut.

      Sie musste sich an Donn Yaraduas Anweisungen erinnern. Daran, was zu tun war, und was sie nicht tun durfte, obwohl sie es wollte. Sie durfte nicht sofort zurückkehren. Yaradua hatte das vorab ausdrücklich untersagt. Er hatte sie gemahnt, dass sie im Fall eines Angriffs durch mehrere Gegner mindestens eine Stunde versteckt bleiben sollte, ehe sie wiederkam.

      Sie wollte aber sofort zurück. Wollte eingreifen. Helfen.

      Halt dich an Pläne und Vereinbarungen!, rief sie sich die Lehrer ihrer Ausbildung ins Bewusstsein. Selbst, wenn sich alles in dir dagegen sträubt!

      Als die Last das Gewicht erreichte, das Shema nach 60 Minuten spürte, ging sie auf den Ausgang zu. Inzwischen musste sie an die 120 Meter vom Eintrittspunkt entfernt sein. Sie erreichte den farbigen Schleier, teilte ihn – und stand auf einem kargen Felsen, irgendwo in der Dunkelheit.

      Ihre Position war ein Stück erhöht; zuverlässig hatte ihre Gabe dafür gesorgt, dass sie nicht im Felsen herausgekommen war. Nicht ausgeschlossen dagegen blieb ein Sturz in die Tiefe, hätte sie sich aus Versehen über das Meer bewegt. Die unbewusste Korrektur ihres Paratalents hatte ihre Grenzen und Tücken.

      Der SERUN gab Entwarnung. Erschöpft sank Shema zu Boden. Von Angreifern war weit und breit nichts zu entdecken, trotzdem war sie nicht sicher. Sie hatten sie einmal gefunden – sie konnten wiederkommen.

      »Perry Rhodan an Shema Ghessow!« Die Stimme war eindringlich, gönnte ihr keine Ausruhzeit.

      Shema nahm die Verbindung an. »Ja! Ich höre dich! Wo sind Donn und Damar?«

      »Donn ist bei mir und in Sicherheit. Wir haben ihn gerade geborgen. Phylax hat ihn bewacht. Von Damar und den Gharsen, die ihn verschleppt haben, haben wir Funkimpulse und andere Emissionen aufnehmen können. Der Richtungsvektor ist eindeutig. Wie es aussieht, bringen sie ihn zum Raumhafen.«

      »In den Ornamentraumer?«

      »Das ist unsere Vermutung. Ich habe die BJO angefunkt. Sie schickt Sonden raus. Wenn Damar in den Ornamentraumer gebracht wird, werden wir es wissen.«

      »Wo seid ihr gerade?«

      »Hundertdreißig Kilometer südlich von dir.«

      »Du kannst mich orten? Ich dachte, ich hätte sämtliche Systeme heruntergefahren.«

      »Was denkst du denn? Ich bin Perry Rhodan.« Shema meinte sein Lächeln zu hören. »Entschuldige. Falscher Zeitpunkt für Scherze. Nein, ich kann dich nicht orten, aber du bist wohl kaum weiter als hundertzwanzig Meter entfernt von dem Punkt, an dem sie euch angegriffen haben.«

      In Shemas Gesicht kribbelte es. Wie dumm von ihr! »Richtig. Wo treffen wir uns?«

      »Auf halber Strecke. Ich schicke dir die Koordinaten, sobald du die Systeme wieder hochgefahren hast. Ich glaube nicht, dass eure Entdeckung über Anmessungen eurer SERUNS stattfand. Die Gharsen können Paragaben aufspüren. Sollte ein weiterer Angriff kommen, zieh dich in den Hyperraum zurück!«

      »Verstanden.« Shemas Hals war trocken.

      Sie dachte an Damar, der nun in der Hand des Herrlichen Diktators Khosen und seiner Untergebenen war. Sie musste ihn so schnell wie möglich befreien, ehe der Ornamentraumer abhob und die Gefangenen mitnahm.

      »Warum?«, flüsterte sie und schaltete die Systeme wieder ein. »Was wollt ihr mit Damar und den anderen?«

      Sie musste es herausfinden. Und sie musste Damar folgen, selbst wenn das heißen sollte, allein unter zwei- oder dreitausend Feinde zu gehen. Ihre Gabe konnte eine wertvolle Hilfe sein. Das Problem war: Diese Gabe war zugleich