Wer braucht schon eine Null. Christine Corbeau

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Название Wer braucht schon eine Null
Автор произведения Christine Corbeau
Жанр Языкознание
Серия Nullen-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783982064581



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in keiner Weise dem, was ich als Normalsterbliche bisher in einem Flugzeug gewöhnt war. Selbst die recht bequemen Sitze auf dem Flug zum Auslandsjahr in Mexiko, wirkten im Vergleich zu diesen halben Sofas geradezu lächerlich klein. Eine Berührung meiner Fingerspitzen ließ mich spüren, dass sie aus echtem, supersoftem Leder gefertigt waren.

      »Wir müssen uns entschuldigen«, holte mich die Stimme des Co-Piloten aus der Träumerei, in die der schiere Luxus mich versetzt hatte.

      »Ent… entschuldigen? Wofür denn?«

      »In der Zeit von gestern Abend bis jetzt ist es uns leider nicht gelungen, eine Servicekraft zu engagieren. Daher müssten Sie sich während des Fluges nach Málaga weitestgehend selbst mit Snacks und Getränken hier aus der Galley versorgen. Die Flugzeit wird ungefähr drei Stunden betragen. Ich assistiere Captain Picard in dieser Zeit als Navigator.«

      »Hey, kein Ding«, rutschte es mir heraus. Sofort stoppte ich mich und biss mir auf die Lippe. Ich hatte das Gefühl, mich in diesem Ambiente unpassend, geradezu ungehörig zu benehmen, wenn ich so weitersprach.

      Aber der Co-Pilot wirkte angesichts meiner spontanen, ehrlichen Worte ernsthaft erleichtert. Er zeigte mir den Kühlschrank, in dem sich neben Getränken auch frisch und lecker aussehende Salate und Sandwiches befanden. Magic Steve deutete eine Verbeugung an, zwinkerte mir dann aber schelmisch lächelnd zu, bevor er sich verabschiedete, um ins Cockpit zu gehen.

      Ich dankte ihm, nahm eine Flasche stilles Wasser und setzte mich in einen der Sessel, die in Flugrichtung aufgestellt waren. Beim Anschnallen bemerkte ich einige Knöpfe, die vermuten ließen, dass ich den Sessel sogar zu einer Liege umwandeln könnte, wenn ich das wollen sollte.

       Ob der gute Steve mir gleich auch noch persönlich den Gebrauch der Sicherheitseinrichtungen vorturnt?

      Ich schmunzelte in mich hinein und fing an, mich zu entspannen. Probehalber ließ ich den Sitz doch einmal in die Waagerechte fahren. Es fühlte sich unheimlich gut an.

      »Frau Schultz? Bitte stellen Sie Ihren Sitz nun wieder senkrecht, da wir in Kürze landen werden.«

      Ich öffnete ein Auge und erblickte den Co-Piloten, der lächelnd ein Stück entfernt von mir in der Kabine stand.

      Es war offensichtlich weder etwas aus einem späten Frühstück geworden, noch hatte ich Gelegenheit dazu gehabt, herauszufinden, ob die Sicherheitsvorführung nun von ihm oder überhaupt durchgeführt worden war.

      Kopfschüttelnd kicherte ich in mich hinein und folgte seiner Bitte. Nun, da ich vollends wach war, spürte ich meinen leeren Magen mehr, als mir lieb war. Durch einen Blick aus dem Fenster versuchte ich, mich davon abzulenken. Wir schwebten über eine recht karge hügelige Landschaft. Im Dunst des ansonsten wolkenlosen Nachmittags nur noch als Schemen erkennbar, säumte eine Bergkette die weite Ebene, die sich unter uns erstreckte. Wenig später wurden die bräunlichen Hügel von grünen Feldern und Ansammlungen von Häusern abgelöst. Die Bergkette rückte näher. Wir überquerten einen Flusslauf, der dann eine Biegung vollführte und fortan die Landschaft durchzog. In Flugrichtung konnte ich die Flughafengebäude erkennen. Und dahinter das Meer. Schon der schmale sichtbare Streifen Blau zauberte ein versonnenes Lächeln auf mein Gesicht. Und obwohl ich kurz danach die Landebahn direkt vor uns erkennen konnte und deshalb damit rechnete, dass wir bald aufsetzen würden, war es noch nicht vorbei.

      Anstatt sich nach unten zu bewegen, legte sich der Jet in eine weite Kurve, sodass ich nur noch das intensive Blau des Himmels sehen konnte. Nach einer kurzen Weile schwenkte das Flugzeug wieder in die Horizontale und nun war dieses Blau nicht mehr allein. Es wurde ergänzt vom Tiefblau des Meeres, dem Weiß der Häuser und dem Grün der üppigen Vegetation, die sich vor dem kantigen Grau des Gebirges im Hintergrund abzeichneten.

      Ich holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung und schaute hoch. Der Co-Pilot hatte seinen Kopf durch die offene Tür zum Cockpit gestreckt und zwinkerte mir zu.

      »Danke schön«, formte ich lautlos mit den Lippen, denn mir war klar geworden, dass er diesen kleinen Umweg eingefädelt haben musste, damit ich wenigstens noch etwas Schönes zu sehen bekam, nachdem ich den Flug ja fast vollkommen verschlafen hatte.

      Am Terminal erwartete mich eine Person, mit der ich ganz und gar nicht gerechnet hatte. Direkt hinter der Tür, die den Zollbereich vom öffentlichen Teil des Flughafens trennte, stand ein Bild von einem Mann mit einem iPad in der Hand, auf dessen Display Señorita Schultz zu lesen war. Er war groß, hatte ein fein geschnittenes Gesicht mit gepflegtem Dreitagebart. Die schwarzen Haare waren zu einer lässigen Out-of-bed-Frisur geformt, für die er sicher mehr Zeit gebraucht hatte als drei Frauen für ihre gesamte Morgentoilette. Der gesamte Eindruck wurde von der ausgeblichenen, kunstvoll zerrissenen Jeans und dem tailliert geschnittenen Madrashemd verstärkt, das seine athletische Figur betonte. In seinen Augen und um den Mund herum spielte ein verschmitztes Lächeln, das gut dazu geeignet war, Frauenherzen im Nu zum Schmelzen zu bringen. Aber ich wusste, dass dies vergebliche Liebesmüh wäre, denn mein bildschöner Abholdienst stand ausschließlich auf Männer.

      »Zino, was machst du denn hier?«, rief ich und lief zu ihm, um ihn zu umarmen.

      »Ah, du kennst mich noch. Dann hätte ich mir das Schild ja sparen können«, bemerkte er schmunzelnd und steckte das iPad in seine Umhängetasche.

      »Na hör mal. Ich werd doch wohl den Brautführer meiner besten Freundin erkennen. Vor allem, weil ich selbst eine der Brautjungfern war. Oder soll das eine Anspielung auf das übliche flatterhafte Verhalten weiblicher Studenten sein?« Ich boxte ihn spielerisch gegen den Oberarm.

      »Ja, jetzt weiß ich wieder, warum ihr beiden euch so gut versteht. Von Agata hätte ich bestimmt das gleiche um die Ohren gehauen bekommen.«

      »Und ich weiß wieder, warum ich dich so sehr mag. Ihr seid ja schließlich Zwillinge.«

      »Na dann lass uns unser Dreiergespann mal wieder zusammenführen. Aber erst einmal ¡Bienvenida! Ich hoffe, du bist ausgeruht, denn ich habe uns für heute Abend direkt etwas organisiert, um unser Wiedersehen ordentlich zu feiern.«

      »Ja, das mit dem Ausruhen habe ich auf dem Flug erledigt. Allerdings könnte ich als Allererstes etwas zum …«

      »Sprich nicht weiter«, unterbrach er mich lächelnd. »Agata hat das natürlich gewusst und erwartet uns schon an den Playas del Palo. Wie wär’s also mit einem ausgiebigen Mittagsessen mit Blick aufs Meer?«

      »Ja, ich will«, rief ich und hüpfte mit ausgebreiteten Armen in die Luft.

      Spontan brandete um uns herum Beifall auf. Wir schauten uns verdutzt an, dann brachen wir in Gelächter aus.

      »Wollen wir den Irrtum auflösen?«, raunte Zino mir ins Ohr, nachdem er sich in einer Art und Weise zu mir heruntergebeugt hatte, die man auch als zärtlichen Kuss deuten konnte.

      »Ach, Quatsch«, sagte ich. »Lass den deutschen Touristen doch das Gefühl, dass sie gerade bei einem öffentlichen Antrag dabei waren.«

      Also winkten wir ausgelassen in die Runde und liefen Hand in Hand von dannen.

       Danke, Samstag. Du gefällst mir viel besser als dein kleiner Bruder. So kann es weitergehen.

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