Neue Technologien in der Pflege. Группа авторов

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Название Neue Technologien in der Pflege
Автор произведения Группа авторов
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783170367814



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alt="image"/> Abb. II.2.2). Dabei stellte eine Station jeweils ein Cluster dar. Im sechsmonatigen Erhebungszeitraum von November 2018 bis Mai 2019 waren sämtliche 33 Betten der beiden Intensivstationen mit einem Mobility Monitor ausgestattet. Nicht ausgestattet wurden Betten, die den Einsatz des Systems nicht zulassen (z. B. Betten mit fest verbauten (Luft-)Matratzen). Konkret bedeutet das, dass beide Stationen mit einer verblindeten Phase starteten – das heißt, der Mobility Monitor zeichnete die Bewegungsdaten der Patientinnen und Patienten auf, die Pflegenden hatten allerdings keinen Zugriff auf die Daten. Nach zwei Monaten ging eine Intensivstation randomisiert in die offene Phase über (d. h. die Pflegenden konnten die Bewegungsdaten der Patientinnen und Patienten einsehen). Nach weiteren zwei Monaten ging auch die zweite Intensivstation in die offene Phase über (Schepputat et al. 2019).

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      Insgesamt konnten so über 800 Patientinnen und Patienten in das Projekt eingeschlossen werden, wobei die Anzahl in der Blind- und Interventionsphase nahezu identisch war. Die Auswertung der Daten ist noch nicht abgeschlossen. Erste Analysen zeigen eine, aufgrund nicht gegebener statistischer Signifikanz sehr vorsichtig zu interpretierende, Tendenz zu einer geringeren Immobilitätsrate (Schepputat et al. 2019) und einer geringeren Dekubitusinzidenz. Die Rückmeldungen der Mitarbeitenden fokussieren insbesondere das Setting. Sie sprechen dem Mobility Monitor insgesamt ein hohes Potenzial zu, aus ihrer Sicht aber eher bei Patientinnen und Patienten auf Normalstationen. Dies begründen sie mit dem auf Intensivstationen sehr viel längeren direkten Patientenkontakt, wodurch aus ihrer Sicht eine umfassende Beobachtung des Bewegungsverhaltens von Patientinnen und Patienten ohnehin gegeben ist. Darüber hinaus konnten erste Anregungen zur Weiterentwicklung der Technik herausgearbeitet werden, wie z. B. die Reduktion als störend empfundener Kabel (Hempler et al. 2019).

      Insgesamt kann als ein ganz wesentlicher Benefit des Projektes hervorgehoben werden, dass es gelungen ist, einen umfangreichen Datensatz zur Mobilität und der Positionierung von Patientinnen und Patienten auf neurologischen und neurochirurgischen Intensivstationen zu generieren, der eine wertvolle Basis gleichermaßen für weitere Forschungsaktivitäten wie auch Praxisentwicklungsprojekte darstellen kann.

      2.2.2 Personen mit Demenz und kognitiven Beeinträchtigungen im Akutkrankenhaus

      Laut der Robert Bosch Stiftung GmbH weisen knapp 20 % der Patientinnen und Patienten im Akutkrankenhaus über 65 Jahre eine Demenz und sogar 40 % eine kognitive Beeinträchtigung auf (Robert Bosch Stiftung 2016). Dabei handelt es sich keineswegs nur um Personen, die aufgrund ihrer kognitiven Beeinträchtigung stationär aufgenommen werden, sondern diese tritt häufig neben einer akuten Erkrankung (wie z. B. Frakturen, Infektionen, Neubildungen, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen) auf. Dass die organisatorischen Abläufe meist jedoch nicht auf die Situation älterer und/oder kognitiv eingeschränkter Patientinnen und Patienten ausgerichtet sind, ist bereits seit längerem ein Gegenstand in der pflegewissenschaftlichen Diskussion (vgl. z. B. Büter et al. 2017; Quack 2015; Kleina & Wingenfeld 2007). Ebenfalls hinlänglich bekannt ist, dass dadurch Risiken für unerwünschte Folgen wie Stürze, Malnutrition oder Dehydration steigen. Darüber hinaus kommt es bei den Betroffenen zu Lauftendenzen, Widerstand oder mangelnder Mitarbeit bei pflegerischen Handlungen/Operationsvorbereitungen, zu Verständigungsproblemen oder Fixierungen und damit verbundenem aggressivem Verhalten (vgl. z. B. Riedel et al. 2015).

      Folgerichtig wird auch der Einsatz technischer Unterstützungssysteme für Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen (meist mit dem Fokus Demenz) seit einigen Jahren ebenfalls vermehrt in der wissenschaftlichen Diskussion und in Forschungsprojekten aufgegriffen. Allerdings bezieht sich die Auseinandersetzung bislang meist auf den Bereich der häuslichen Pflege und/oder die stationäre Langzeitpflege (vgl. exemplarisch Hergesell 2017; Weinberger & Decker 2015; Beer et al. 2015; Hülsken-Giesler & Krings 2015). Dieser Lücke nimmt sich das PPZ-Freiburg im Rahmen eines weiteren inhaltlichen Schwerpunkts an. Konkret werden dabei technische Möglichkeiten fokussiert, die (a) unterstützend in der Pflege von Personen mit Lauftendenz und/oder Bettausstiegstendenz sein können, wie z. B.

      • Bettausstiegsinformationssysteme,

      • Informationssysteme für das Betreten bzw. Verlassen bestimmter Bereiche oder

      • Ortungssysteme.

      Oder welche (b) einen Beitrag zur Betreuung, Aktivierung und Orientierungsgabe für Personen mit Demenz/kognitiven Beeinträchtigungen leisten können, wie z. B.

      • (biographiebezogene) multimediale Techniken, wie Tablets, Monitore oder Projektionssysteme,

      • Systeme, die einen Kontakt mit Angehörigen ermöglichen, z. B. Telepräsenzsysteme oder

      • Systeme, die im Rahmen von Beschäftigungsangeboten eingesetzt werden können.

      In vorbereitenden Workshops mit Pflegenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachdisziplinen, die teilweise auch über persönliche Erfahrungen zu Personen mit Demenz im Krankenhaus im familiären Umfeld verfügen, wurden erste Schritte unternommen, sowohl bedeutende Phänomene (begrifflich) zu fassen als auch besonders relevante Ansatzpunkte für technische Unterstützungssysteme zu identifizieren. In diesem Rahmen wurde insbesondere deutlich, dass eine Zuspitzung der Aktivitäten auf Personen mit Demenz im Krankenhaus zu kurz greift, da bei einer Vielzahl der betroffenen Personen eine Demenzdiagnose (noch) nicht vorliegt oder der kognitiven Beeinträchtigung andere Ursachen, wie z. B. neurologische und neurochirurgische Erkrankungen, zugrunde liegen. Des Weiteren zeigte sich, dass in vielen Fällen nicht (nur) das Phänomen der Lauftendenz bei Patientinnen und Patienten eine Belastung für die Pflegenden darstellt. Es geht oftmals darum, dass Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen Gründen das Bett verlassen (möchten), sie dazu aber (a) physisch nicht in der Lage sind und/oder (b) ein unbegleitetes Aufstehen aus medizinischen Gründen nicht intendiert ist. Diese »dilemmatische« Situation zwischen der Selbstbestimmung Pflegebedürftiger und pflegerischem Versorgungsauftrag, zu dem auch der Schutz vor Gefährdungen zu zählen ist (vgl. exemplarisch Kotsch & Hitzler 2013), stellt für die Pflegenden häufig eine große Belastung dar. Darüber hinaus ist eine klare Trennung zwischen den beiden Schwerpunkten kaum möglich, denn es ist beispielsweise immer die Frage zu stellen, warum Personen die Tendenz entwickeln zu »laufen«. Dies können beispielsweise die Sorge um ein Haustier oder um Angehörige sein, Langeweile, Toilettendrang oder das Bedürfnis sich zu bewegen. Daher ist es durchaus plausibel zu erwarten, dass sich Angebote im Rahmen der Betreuung, Aktivierung und Orientierungsgabe auch positiv auf die Lauftendenz auswirken können. Umgekehrt sollte auch das mit technischer Unterstützung gewonnene Wissen um das Bewegungsverhalten von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen dazu führen, die individuelle Situation genauer in den Blick zu nehmen und entsprechende pflegerische Maßnahmen einzuleiten (vgl. zur ethischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Wandering und darauf ausgerichtete technische Systeme auch Moeller-Bruker et al.; image Teil IV, Kap. 2).

      Im PPZ-Freiburg werden Projekte vorbereitet, die sich diesen Problemstellungen widmen. In einem ersten Schritt soll eine Sensormatte getestet werden, die Pflegenden signalisiert, wenn eine Patientin oder ein Patient das Bett verlässt oder sich an die Bettkante setzt. Der Einsatz von Sensorsystemen wird, insbesondere unter dem Fokus der Sturzprophylaxe sowie der Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen, schon länger diskutiert (vgl. z. B. Capezuti et al. 2009; Hubbartt et al. 2011; White & Cuavers 2018; Klie 2006). Nach Cameron et al. (2018) ist es allerdings aufgrund einer nicht ausreichenden Studienlage nach wie vor als unsicher einzuschätzen, inwiefern solche Systeme Auswirkungen auf die Anzahl von Sturzereignissen im Krankenhaus haben.