Название | Deutsche Geschichte (Band 1-3) |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066388348 |
Es war ein Unglück für Heinrich IV., daß er seinen Vater mit sechs Jahren verlor, daß seine Mutter ihn, wie es scheint, nicht liebte, daß man ihn mit einer ungeliebten Frau verheiratete und bei ihr auszuharren zwang; aber alles das, wie auch der wechselnde Einfluß des barschen Anno von Köln und des verwöhnenden Adalbert von Bremen auf den Knaben, hätte auf einen anderen ganz anders wirken können. Es war augenscheinlich etwas Zersetzendes in seine Seele eingeboren, was den Keim der Größe sich nicht rein entfalten ließ. Es gibt eine merkwürdige Sage vom Grafen Wiprecht von Groitzsch, einem Kriegshelden, der in Heinrichs Schlachten kämpfte und ihm namentlich zu seinem letzten Siege über Rom verhalf. Als einst in Verona Wiprecht der tapferste aller Recken genannt wurde, gebot der König ihn herbeizurufen, er wolle ihn auf die Probe stellen. Wiprecht kam und wurde in einen Hof geführt, wo den Ahnungslosen ein Löwe anfiel, den der König vorher dorthin hatte bringen lassen. Der Held erschrak nicht, sondern packte das Tier und zwang es, sich zu seinen Füßen niederzulegen; dann fragte er den König, warum er ihn gerufen und was das alles zu bedeuten habe. Da der König schließlich gestand, daß er seine Mannhaftigkeit habe prüfen wollen, wurde Wiprecht zornig und sagte: »Ich habe als erster die Alpen überschritten, ich habe die Ehren und Siege erstritten, konnte der Anblick meiner Taten dir nicht genügen? Du hast mich zu eitler Augenweide einem wilden Getier preisgegeben; nun will ich dir nicht länger dienen.« Da fing der König an, sich zu fürchten, bereute, was er getan hatte und ruhte nicht, bis der Graf wieder versöhnt war. Wie Heinrichs Charakter in dieser Sage sich darstellt, so war er vielleicht wirklich: Mangel an Respekt vor den Menschen, Schwanken zwischen Übermut und Furcht, Unfähigkeit, die Grenze zwischen Zurückhaltung und Vertraulichkeit zu beobachten, mögen ihm manchen Anhänger entfremdet haben. Eine edle Gabe jedoch wog viele Fehler auf, daß er im Leben lernte, daß er Schwächen überwand und seine Kraft an Widerständen stählte.
Als Gregor VII. im Jahre 1076 den jungen Kaiser mit dem Banne bedrohte, hatte dieser die aufständischen Sachsen unterworfen und befand sich in gehobener Siegerstimmung; auf einer Synode in Worms vereinigten sich die Bischöfe, mit Ausnahme der sächsischen, mit ihm, um den Papst abzusetzen. Sie warfen dem Papst ruchlose Neuerungen vor, durch die er Zwietracht in der Kirche gesät habe; er habe sich eine völlig neue und unrechtmäßige Gewalt angemaßt, indem er die Gerechtsame, die der gesamten Bruderschaft der Bischöfe zukämen, an sich gerissen habe. Durch eine unter Nikolaus II. gehaltene Synode sei, von ihm selbst veranlaßt, festgesetzt, daß nur der als Papst anzuerkennen sei, der von den Kardinälen mit Zustimmung des Volkes und Bestätigung des Königs gewählt sei. Es wurde unterstellt, daß er, da die letztere gar nicht nachgesucht sei, nicht Papst sein könne. In einem besonderen Briefe betonte der König zunächst die Anmaßungen des Papstes gegenüber den Bischöfen, dann erst, daß der Papst dem König gedroht habe, ihn der königlichen Gewalt zu berauben, »als ob die Königs- oder Kaiserkrone in deiner und nicht in Gottes Hand läge.« Er schloß den Brief mit dem pathetischen Zuruf: »Steige herab, steige herab und verlasse den angemaßten Stuhl des heiligen Petrus.« Gregors Antwort war der Bannstrahl und die Auflösung des Treueides, mit dem die Untertanen an den König gebunden waren. Heinrich lud nun die Bischöfe nochmals zu einer Synode durch ein Rundschreiben, in dem er sagte, Gregor habe sich das Königtum und Priestertum zugleich angemaßt und dadurch Gottes Ordnung verachtet, die nicht auf einem, sondern auf zwei Prinzipien, Königtum und Priestertum, beruhe.
Inzwischen hatten sich bereits die Verhältnisse gegen den König gewendet: nicht nur, daß die Sachsen sich von neuem empörten, die Schwaben schlossen sich ihnen an, ja Herzog Rudolf von Schwaben ließ sich von den Heinrich feindlichen Fürsten bewegen, als Gegenkönig aufzutreten. Unter diesen Umständen fielen auch die Bischöfe, die eben noch mit dem König zusammen den Papst abgesetzt hatten, vom König ab und erklärten dem Papst ihre Unterwerfung. Die abtrünnigen Fürsten forderten Gregor auf, als Schiedsrichter über die Alpen nach Augsburg zu kommen; den König erklärten sie für abgesetzt, wenn er nicht binnen Jahresfrist vom Banne befreit sei.
Von allen verlassen, außerstande, das Glück der Waffen zu versuchen, faßte Heinrich den kühnen Entschluß, über die Alpen zu gehen und den Papst zur Zurücknahme des Bannes zu bewegen, um dadurch zu verhindern, daß der Abfall der Fürsten durch den Papst bündig gemacht werde. Es war mitten im Winter und die Kälte so groß, daß der Rhein vom November bis zum April zugefroren war; der Übergang über den Jupiterberg, wie der Mont Cenis im Mittelalter genannt wurde, immer schwierig, war so ein Wagnis und ein Schrecken. Aber der König erreichte sein Ziel und überraschte den Papst, der, auf dem Wege nach Deutschland, als er die Nachricht von Heinrichs Ankunft vernahm, ungewiß, was sein Feind vorhabe, sich auf die feste Burg Canossa zurückgezogen hatte. Die zahlreichen Gegner Gregors in Italien hofften, der König komme, um den Papst abzusetzen; aber das glaubte er auf eine gelegenere Zeit verschieben zu müssen; im Augenblick konnte er seinem Feinde eine Niederlage nur beibringen, indem er sich ihm unterwarf. Die Voraussetzungen des Christentums waren so, daß der Papst einem reuigen Sünder die Lossprechung vom Banne nicht versagen konnte. Man sah ihm nicht ins Herz; es war die Kehrseite der kirchlichen Äußerlichkeit, daß die festgesetzten äußeren Zeichen der Reue als solche gelten gelassen werden mußten. Indem Heinrich als Büßer erschien, zwang er den Papst, ihn wieder in den Schoß der Kirche aufzunehmen. Den Papst tröstete über das ertrotzte Zugeständnis der innere Vorbehalt, daß der König zwar vom Banne befreit, aber nicht als König wieder eingesetzt sei, während der König zufrieden war, die augenblickliche Gefahr beseitigt zu haben. Nachdem Gregor die Lösung vom Banne ausgesprochen hatte, gaben sich Papst und König den Friedenskuß.
Eine furchtbare Pause starrte zwischen den Gewitterschlägen des Riesenkampfes. König und Papst, der germanische und der römische Weltherrscher, standen sich Auge in Auge gegenüber, die Brust voll Haß und Rache, aber gelähmt durch das Bewußtsein, untrennbar miteinander verbunden zu sein. Sie waren nicht zwei Herrscher, von denen jeder des anderen Reich besitzen, von denen jeder den anderen vernichten möchte, sie waren unlöslich miteinander verwachsen und ineinander verbissen, und immer wieder kamen Augenblicke, wo ihnen das klar wurde. Der Papst begründete seinen weltlichen Besitz auf Schenkungen der Kaiser, die Kaiser empfingen ihre Krone in Rom durch den Papst, die Völker sahen zu ihnen beiden als zur Spitze der Christenheit auf; sie waren aufeinander angewiesen und konnten höchstens durch einen Personenwechsel vorübergehend zu gewinnen hoffen. Beide waren mächtig, wenn auch auf verschiedene Weise: dem Papst gehörte nur eine kleine Provinz, aber er herrschte über die religiösen Gefühle und Gedanken aller Christen, und sein Thron stand auf den Trümmern der alten Weltstadt Rom; der König war der Anführer der deutschen Ritter, die an die Stelle römischer Legionen getreten waren, aber ihm gehörte nur, was er sich durch eigene Kraft unterwarf. Beide konnten sich gegeneinander ihrer Macht nur soweit bedienen, als sie nicht sich selbst dadurch verletzten.
Heinrich, der seine hohe Gestalt und sein blondes Haupt vor dem häßlichen kleinen Mönchspapst gebeugt hatte, blieb im Herzen unbeugsam. Während der Papst im geheimen die Krönung des Gegenkönigs betrieb, trat er als rechtmäßiger König auf und hoffte auf einen Waffensieg über die Gegner. Rudolf fiel in der Schlacht und wurde in Merseburg begraben; schon vorher hatte Heinrich einen treuen Anhänger, den Grafen Friedrich von Büren, zum Herzog von Schwaben erhoben und dem bis dahin in bescheidenen Verhältnissen lebenden jungen Mann seine Tochter Agnes zur Frau gegeben. Nachdem Gregor den König von neuem exkommuniziert hatte, erklärte Heinrich auf einer Synode in Brixen mit mehreren Bischöfen in maßloser Sprache und unter ungeheuren Beschuldigungen Gregor für abgesetzt und Bischof Wibert von Ravenna zum Papst. Dann zog er nach Italien, erkämpfte sich den Einzug in Rom, wo ein Teil der Bevölkerung ihm anhing, und ließ sich von Wibert zum Kaiser krönen. Gregor wäre verloren gewesen, hätte er sich nicht den Beistand der Normannen gesichert gehabt, die in Unteritalien nach Verdrängung der Griechen und Sarazenen ein Reich gebildet und vom Papst zu Lehen genommen hatten. Wie einst die Päpste bei den Franken Schutz gegen die Langobarden gesucht hatten, so suchten sie jetzt gegen die zu Nachbarn gewordenen Deutschen Schutz bei den neu eingedrungenen Barbaren, die ihre Eroberung gern durch die Anerkennung von seiten einer