Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Название Deutsche Geschichte (Band 1-3)
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 4064066388348



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mit Leuten aus dem Volke in Berührung zu kommen und durch ihr Geschwätz im Psalmensingen gestört zu werden. Bevor er selbst Bischof wurde, verschmähte er es, in den Dienst seines Vorgängers zu treten, weil derselbe nicht vornehm genug war. Vom Erzbischof Tegino von Magdeburg, der als ein Muster aller Tugenden, als gottesfürchtig, liebevoll, wohltätig, milde, keusch geschildert wird, heißt es gleichzeitig, daß er gern solche um sich hatte, die durch Adel der Geburt und Sitte sich auszeichneten, während er Niedere zwar nicht verachtete, aber sie doch von seinem Umgange fernhielt. Man sieht daraus, daß man Adel der Geburt und Adel der Sitten als selbstverständlich zusammenfallend betrachtete. Als jemand die heilige Hildegard von Bingen fragte, wie sich die Bevorzugung des Adels in den Klöstern mit den Forderungen des Christentums vertrage, sagte sie: »Wer würde sein Vieh zu einer Herde und in einem Stalle vereinigen? Ochsen, Esel und Schafe?« Die Vermischung führe zum Haß, wenn Hochgeborene den Niedriggeborenen weichen müßten. Gott unterscheide das Volk auf Erden, gleichwie er im Himmel Engel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Cherubim und Seraphim unterscheide. In späterer Zeit sagte Erasmus von Rotterdam in bezug auf das Domkapitel von Straßburg: »In dies Kolleg hätte Christus ohne Dispens nicht aufgenommen werden können«, und ähnlich ein junger Kanoniker um 1500: »Wenn heute der Herr auf Erden wandelte, würde das Stift von St. Alban (in Mainz) ihn abweisen.« Es ist berechnet worden, daß von 900-1500 von 166 Erzbischöfen 134 edelfrei, 10 von Ministerialadel, 4 bürgerlich waren. Heinrich II. war nach Ludwig dem Frommen der erste Kaiser, der einige Unfreie wegen ihrer Tüchtigkeit zu Bischöfen machte. Man muß zugeben, daß der Adel im frühen Mittelalter die große Nachfrage nach tüchtigen Männern ausgiebig befriedigen konnte.

      Es fiel den Zeitgenossen auf, daß unter den benachbarten Völkern eine so strenge Trennung unter den Ständen wie in Deutschland nicht beobachtet wurde. Der Oheim Friedrich Barbarossas, Bischof Otto von Freising, erzählt von den lombardischen Städten, ihrer Freiheitsliebe, ihren Konsuln, die »zur Unterdrückung des Hochmuts«, wie er sagt, aus jedem Stande gewählt wurden. Sie halten es nicht für unwürdig, sagt er, an Jünglinge niederen Standes und Arbeiter verächtlicher, auch mechanischer Gewerbe, welche andere Völker von den edleren und freieren Studien wie eine Pest fernhalten, den Gürtel der Ritterschaft oder den Grad der Würden zu verleihen. Nicht ohne Bewunderung fügt er hinzu, daß die lombardischen Städte an Reichtum und Macht über andere Städte des Erdkreises hervorragen. Die Klöster der kluniazensischen Richtung, die von Westen her eindrang, machten keinen Unterschied zwischen den Ständen.

      Der Standeshochmut hat einen verständlichen Sinn, wenn die dienende Schicht sich aus Kriegsgefangenen zusammensetzt, aber schon mit dem 9. Jahrhundert fingen die ärmeren Freien an, in die Klasse von Hörigen herabzusinken, und dieser Vorgang nahm in den folgenden Jahrhunderten zu. Es war ein Unglück, für das anfangs kaum ein einzelner verantwortlich zu machen war. Die Ursache lag hauptsächlich darin, daß sich viele kleine Bauern dem Kriegsdienst, den die beständigen Überfälle durch feindliche Völker erforderten, dadurch entzogen, daß sie ihr Gut geistlichen oder weltlichen Großen zu Lehen auftrugen und von diesen abhängig wurden. Auch ist es so, daß in Zeiten der Naturalwirtschaft die Erde die Menschen entweder zu erblichen Eigentümern oder zu Hörigen macht; sie verwachsen so oder so mit dem Boden. Jeder große Grundbesitzer trachtete danach, möglichst viel hörige Leute zu bekommen, die den Boden bebauten, und wenn er Stücke seines Landes in Erbpacht an Freie austat, so erleichterte ihm die Verwaltung und das Gerichtswesen, sie in Abhängigkeit herabzudrücken. Nicht grundsätzlich, aber tatsächlich fielen Armut und Abhängigkeit meist zusammen. Im 11. Jahrhundert wurden die bedeutenderen Freien noch als zur Huldigung des neuerwählten Königs zugezogen erwähnt; der freie, aber arme Bauer nahm am Schicksal des armen Hörigen teil. Die schwäbischen Bauern, die zur Zeit Heinrichs IV. dem Gegenkönig Rudolf, ihrem Herzog, zuzogen, wurden von den sie besiegenden Rittern entmannt, weil sie, obwohl freie Leute, als unwürdige Gegner angesehen wurden, nicht Feinde, sondern Knechte, die gegen Herren die Waffen zu tragen wagten. Wieviel Großes auch der mittelalterliche Adel in Deutschland geschaffen hat, sein Standeshochmut, der zwischen Hochgeboren und Niedriggeboren eine unüberbrückbare Kluft schuf, wurde Deutschland verderblich; er war die Ursache, daß sich im selben Volke zwei Völker gegenüberstanden, die sich weniger verstanden und mehr haßten als fremde Völker.

      Von den Tugenden, mit deren Besitz der Adel seinen Herrschaftsanspruch rechtfertigte, war Tapferkeit die vornehmste. Sie war die selbstverständliche Eigenschaft des Edlen. Rauflust war dabei; aber es gehörte dazu vor allen Dingen die Kraft, Gefahren nicht zu scheuen und dem Tode furchtlos zu begegnen. Ein überschäumendes Kraftgefühl erzeugte die Lust am zischenden Schwert, am sausenden Speer, Rausch des Blutvergießens, das Bewußtsein der Ehre, die stolze Haltung vor dem Feinde, in Todesqualen. Tapferkeit flößte so viel Achtung ein, daß sie auch den Feind, ja selbst den Verräter lieb machen konnte. Den slawischen Prinzen Gottschalk, der auf die Nachricht, daß sein Vater von einem Sachsen ermordet war, das Kloster verließ, in dem er erzogen war, und unter den Sachsen wütete, schonte Herzog Bernhard von Sachsen, in dessen Hände er schließlich fiel, weil er seine Tapferkeit bewunderte, und entließ ihn ungekränkt nach England. Nie vergaßen auch die Mönche, die Geschichte schrieben, Waffenkämpfe mit sichtlichem Anteil zu schildern. Tapfere Taten sicherten unvergängliches Erinnern; von dem Sachsen Heriger, der als Gefangener die Dänen in ein Moor führte, wo sie mit ihm untergingen, wurde lange gesungen und gesagt. Ein griechischer Schriftsteller erzählt uns die folgende Geschichte von einem Deutschen, der während des von Barbarossa unternommenen Kreuzzuges in der Nähe von Ikonium hinter seinen Landsleuten zurückgeblieben war. Er war von riesigem Wuchs und ungeheurer Kraft und zog sein erschöpftes Roß am Zaume hinter sich her. Auf einmal erschienen etwa fünfzig ismaelitische Reiter, bildeten einen Kreis um ihn und beschossen ihn von allen Seiten. Er deckte sich mit seinem Schild und ging vergnüglich weiter, unbekümmert um die feindlichen Geschosse, als wäre er ein Fels. Als aber einer der Reiter näher herankam und mit dem Säbel auf ihn einhaute, wurde er ungeduldig, nahm sein Schwert und schlug mit einem Hieb die Vorderfüße des feindlichen Pferdes ab, als wären es Grashalme, dann spaltete er mit einem zweiten nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Oberkörper des Gegners, so daß derselbe in zwei Hälften auseinanderfiel, und daß der Schnitt noch tief in den Rücken des Pferdes eindrang. »Wie ein Löwe, der sich auf seine Kraft verläßt, zog er gemächlich weiter, ohne seinen Schritt zu beschleunigen, und traf abends im Lager seiner Landsleute ein.« Offenbar entzückte den Griechen, wie hochmütig er sonst auf die Barbaren herabsah, die grandiose Naturerscheinung solcher Riesenleiber, in denen das Herz friedlich schlägt, während die Faust vernichtende Schläge austeilt. Das Bewußtsein überlegener Kraft ermöglichte dem Namenlosen, auf kahler Ebene mitten durch die Schlacht zu schlendern, als trabe er durch die Dämmerung seines rauschenden Eichenwaldes. Ähnlich war der Thurgauer, der die Wilzen und Avaren wie Gras auf der Wiese mähte und wie Vögelchen auf seine Lanze spießte. »Was soll ich mit diesen Kröten?« sagte er zu den Daheimgebliebenen, die ihn nach seinen Kriegserlebnissen ausfragten, »sieben oder acht oder auch neun spießte ich auf meine Lanze und trug sie hierhin und dorthin, weiß nicht, was sie dazu brummten. Unnützerweise haben der Heerkönig und wir uns gegen solche Würmer abgemüht.« Diese Männer erinnern an die Riesen der Sage, die in aller Gutmütigkeit mit zermalmenden Füßen über die schwächeren Geschöpfe wegschreiten.

      Der Pflege ritterlicher Tugenden kam die Pflege des Geistes nicht gleich. Im allgemeinen lernte der Adlige nicht nur nichts, sondern tat sich etwas darauf zugute, nichts gelernt zu haben, um sich gründlich von den bücherlesenden Klerikern zu unterscheiden. Von Otto des Großen Schwiegersohn, Konrad dem Roten, erwähnt der Geschichtsschreiber rühmend, er sei nicht nur ein unwiderstehlicher Recke in der Schlacht, sondern auch klug im Rat gewesen, was bei tapferen Männern selten sei. Schon Karl der Große tadelte die Geringschätzung des Wissens und der geistigen Ausbildung am Adel auf das ernstlichste, und ähnliche Klagen wiederholten sich häufig. Wenn der Adel Interessen hatte, die über Pferde, Waffen und Kampf hinausgingen, so betrafen sie die Landwirtschaft; denn Bauern waren sie ja alle, ob sie nun Großgrundbesitzer oder Pächter oder Kleinbauern waren. Von einem lothringischen Grafen Immo wird erzählt, wie er den Herzog Giselbert von Lothringen dadurch ärgerte, daß er ihm eine Schweineherde entwendete, indem er durch ein Ferkel, das er vor seiner Burg herumführen ließ, das herzogliche Vieh von seinem Wege ab und in die Burg hineinlockte. Aus einem Fenster seiner Burg beobachtete er schadenfroh die Ankunft des feindlichen Schweinehirten und das Gelingen seines