Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

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Название Sophienlust Staffel 15 – Familienroman
Автор произведения Elisabeth Swoboda
Жанр Языкознание
Серия Sophienlust Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740975692



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Das Licht flammte auf. Vor ihr stand Jürgen. Er trug nicht mehr seinen weißen Arztmantel, sondern einen leichten Straßenanzug. »Entschuldige, dass ich so spät komme.«

      »Ich habe überhaupt nicht mehr mit dir gerechnet.« Jutta richtete sich schlaftrunken auf.

      »Bleib liegen«, bat er und setzte sich zu ihr aufs Bett. »Ich hatte bis jetzt zu tun. Sonst wäre ich schon früher gekommen.«

      »Hauptsache, du bist überhaupt gekommen«, murmelte sie. Dabei fielen ihr die Augen schon wieder zu.

      Gerührt küsste er sie auf die Stirn. Dann auf den Mund. Aber nur ganz sacht. Denn er spürte, wie müde sie war.

      »Werde ich morgen entlassen?«, fragte sie und öffnete mühsam wieder die Augen.

      »Selbstverständlich«, sagte er lächelnd. »Um neun hole ich dich ab. Dann fahren wir los. Schlaf jetzt schön, damit du morgen bei Kräften bist.«

      Mit einem glücklichen Lächeln schloss sie die Augen und war im nächsten Moment eingeschlafen.

      Jürgen löschte leise das Licht und verließ das Krankenhaus. Draußen empfing ihn die milde Luft einer lauen Sommernacht. Pfeifend ging er zu seinem Auto, das in einer Seitenstraße unter hohen alten Kastanienbäumen stand. Morgen früh wird Jutta hier in meinen Wagen einsteigen. Dann werden wir losfahren, dachte er und spürte, wie ihn bei dieser Vorstellung ein warmes Glücksgefühl durchrieselte. Ich fange jetzt erst an zu leben, überlegte er. Zu leben und zu lieben. Noch nie habe ich mich so auf ein Wochenende gefreut.

      Er stieg ein. Während des kurzen Weges zu seiner Wohnung sah er wieder Juttas schlaftrunkenes gelöstes Gesicht vor sich. Sie ist noch genauso schön wie vor zehn Jahren, dachte er, korrigierte sich aber gleich wieder. Eigentlich ist sie jetzt schöner, reifer und fraulicher. Gleich morgen werde ich sie fragen, ob sie mich heiraten will, nahm er sich vor. Aber wenn sie nun nein sagt? Dieser Gedanke erschreckte ihn so, dass seine fröhliche Stimmung schlagartig verflog. Ungeduldig, aber auch ängstlich erwartete er den nächsten Morgen. Was würde er ihm bringen? Das ersehnte Glück oder eine Enttäuschung?

      *

      Jutta machte an diesem Morgen besonders sorgfältig Toilette. Die tadelnden Blicke der Schwester übersah sie dabei. Ihr ging es einzig und allein um Jürgen. Ihm wollte sie gefallen. Wenn sie an die drei gemeinsamen Tage dachte, die vor ihnen lagen, hätte sie vor Glück singen können. Aber sie summte nur. Leise und glücklich. Und ihre Augen leuchteten so wie seit Jahren nicht mehr.

      »Fertig?«, fragte da eine tiefe Stimme hinter ihr.

      Jutta wirbelte herum. In der geöffneten Tür stand Jürgen. In einem offenen Sporthemd. Die Jacke trug er über der Schulter. Er wirkte sehr lässig mit dem geöffneten Hemd, aus dem ein Stück seiner gebräunten Brust herausschaute.

      »Fertig«, antwortete Jutta strahlend. Sie trug ein leichtes Sommerkostüm und Schuhe mit hohen Absätzen. Darin wirkte sie nicht nur fraulich, sondern auch elegant.

      Jürgen, der sie vorher nur immer in flachen Hausschuhen gesehen hatte, registrierte es mit einem bewundernden Blick. Er nahm ihren kleinen Koffer und ging voraus. Am Empfang wartete er, bis Jutta sich von den Schwestern verabschiedet hatte. Er amüsierte sich über die neidvollen Blicke der jungen Lernschwestern, als sie Jutta an Jürgens Arm das Krankenhaus verlassen sahen.

      Strahlen der Morgensonne tröpfelten durch die Blätter der Kastanienbäume, als Jutta zu Jürgen ins Auto einstieg. Ich bin so glücklich, dachte sie und lächelte ihm zu.

      Langsam lenkte Jürgen den Wagen aus der Stadt hinaus. Dabei sprach keiner der beiden. Erst auf der Landstraße griff Jürgen nach Juttas Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Wann willst du deine Tochter wieder zu dir holen?«, fragte er.

      Damit hatte er die Frage angeschnitten, die auch Jutta stark beschäftigte. »Möglichst bald«, sagte sie. »Ich kann es kaum erwarten, Angi wiederzusehen.«

      »Ich möchte sie auch bald kennenlernen. Wenn du willst, fahren wir am Sonntag gemeinsam nach Sophienlust.«

      Jutta nickte. »Sehr gern. Vielleicht kann ich Angi gleich mit nach Hause nehmen.«

      Da warf er ihr einen besorgten Blick zu. »Nimm dir nicht gleich zu viel vor. Du wirst dich in den nächsten Wochen noch sehr schonen müssen.«

      Sie nickte. »Ich weiß. Aber ich habe ja Personal auf dem Gut. Und vor allem einen Verwalter, auf den ich mich verlassen kann. Eigentlich mache ich mir keine Sorgen mehr um die Zukunft. Und Angi ist ja schon sehr vernünftig.«

      »Gut, wir werden sehen«, sagte Jürgen. »Auf jeden Fall fahren wir am Sonntag nach Sophienlust. Willst du deine Tochter überraschen, oder rufst du vorher an?«

      »Ich glaube, es ist besser, ich rufe an. Sonst sind die Kinder womöglich gar nicht da. Es könnte ja sein, dass sie gerade einen Ausflug machen.«

      Sie sprachen nun über alles Mögliche, nur nicht über die eine Frage, die Jürgen so sehr am Herzen lag. Aber darüber wollte er nicht während der Fahrt sprechen. Diese Frage wollte er sich für einen feierlicheren Moment aufheben.

      Als sie in die Nähe von Riederau kamen, wurde Jutta ein wenig unruhig. Sie hatte ihre Ankunft telefonisch angekündigt, aber trotzdem überraschte es sie, dass das Personal geschlossen vor dem Herrenhaus stand und sie mit einem Blumenstrauß erwartete. »Herzlich willkommen zu Hause, Frau Rauscher«, sagte die Köchin und überreichte Jutta das kunstvolle Bukett.

      Jutta bedankte sich herzlich und begrüßte dann den neuen Verwalter, den Jürgen ihr vorstellte. Nach der Begrüßung bedankte sie sich bei ihm für die Rettung des Gutes.

      »Das war doch eine Selbstverständlichkeit«, wehrte Heinz Hübner bescheiden ab.

      Aber Jutta dachte anders. »Ganz im Gegenteil. Mit Ihrem Eingreifen haben Sie Mut und Geistesgegenwart bewiesen. Ich werde mich dafür noch besonders erkenntlich zeigen.«

      An Jürgens Arm betrat sie das Haus. Wohin sie auch sah, überall blitzte und glänzte es.

      »Ihr habt wohl alles auf den Kopf gestellt?«, fragte sie lächelnd.

      Die Köchin und das Hausmädchen nickten stolz.

      Die Gardinen waren gewaschen, und in sämtlichen Vasen standen frische Schnittblumen. Dann hob Jutta schnuppernd die Nase. Es roch nach Sauerbraten, ihrem Lieblingsessen. Der Tisch im Esszimmer war auch schon gedeckt.

      Gemeinsam mit dem Verwalter aßen sie zu Mittag. Anschließend wollte Jutta einen Rundgang machen. Doch Jürgen bestand darauf, dass sie sich hinlegte. »Wenigstens für zwei Stunden. Danach kannst du immer noch deine Runde machen. Ich begleite dich.«

      »Also gut.« Seufzend stieg Jutta hinauf in ihr Schlafzimmer. Doch als sie dann im Bett lag, spürte sie, dass Jürgen recht gehabt hatte. Die Fahrt, die Begrüßung und das Mittagessen hatten sie doch angestrengt. Sie schlief sofort ein und wachte nach zweieinhalb Stunden erfrischt auf.

      Es ist ein wunderbares Gefühl, wieder gesund zu sein, dachte Jutta. Und vor allem, keine Schmerzen mehr zu spüren. Der Gedanke, dass Jürgen da unten im Wohnzimmer saß und auf sie wartete, beflügelte sie beim Ankleiden. Sie zog eine leichte Bluse an und dazu ihre Reithose, obwohl sie genau wusste, dass sie sich einen Ausritt noch nicht zumuten konnte. Aber in der Reithose kam ihre schlanke, gut gewachsene Figur am besten zur Geltung. Sie wollte Jürgen doch gefallen, wollte hübsch und anziehend für ihn sein. Vielleicht würde er sich darin endlich dazu hinreißen lassen, über die Zukunft zu sprechen. Ich weiß schließlich noch immer nicht, woran ich mit ihm bin, dachte sie in einem plötzlichen Anflug von Unmut. Wie soll es mit uns weitergehen? Oder denkt er gar nicht an ein gemeinsames Leben?, fragte sie sich erschrocken. Will er mir nur helfen, in den Alltag zurückzufinden?

      Nervös trat Jutta zu dem großen Spiegel und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar. Dann eilte sie rasch die Treppe hinab.

      Jürgen erwartete sie im Wohnzimmer. Seine Augen leuchteten auf, als er sie sah. »Du siehst aus, als wärst du nie krank gewesen«, sagte er und beugte sich galant über ihre Hand.