Ausgetrabt. Hans Weber

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Название Ausgetrabt
Автор произведения Hans Weber
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839266946



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vorher sagen können«, antwortete der ehemalige Polizist und Rottaler Traberexperte.

      »Das hab ich ihnen auch g’sagt, aber auf mich haben s’ ned g’hört«, frotzelte Helmut Drexler, der immer noch ein wenig sauer war.

      »Und? Hast einen Tipp?«, hakte Thomas Huber nach.

      »Wenn’s normal läuft, kann im nächsten Rennen der Biendl Gerd mit der Lovely Queen nicht verlieren«, mutmaßte Baumgartner.

      »Und was ist mit dem Hengst vom Staudinger Sepp?«, fragte Thomas Huber.

      »Der Staudinger Sepp hat zurzeit absolut keinen Lauf«, antwortete Hans Baumgartner und ging zurück zu seinem Platz.

      »Wenn’s normal läuft. Wenn ich das schon hör«, grantelte der Neuwetter Rudi Kellner.

      »Beim Trabrennen gibt’s keine Vollkasko-Versicherung. Da kann immer was passieren«, stellte Thomas Huber klar.

      »Also gut, dann wetten wir auf die Lovely Queen, aber da werden wir nicht die Einzigen sein«, fasste Helmut Drexler die Diskussion nüchtern zusammen. Diesmal war die Wettgemeinschaft etwas mutiger und investierte gleich 20 Euro aus ihrem gemeinsamen Wettpott auf das Pferd des vielfachen bayerischen Champions Gerd Biendl.

      Gleich nach dem Start ging Lovely Queen an die Spitze und führte das Feld bis zum Schlussbogen an. Auf der Zielgeraden sprangen die sechs Freunde auf und feuerten ihr Pferd lautstark an. Die Stute zeigte ihre Klasse. Sie löste sich auf der Zielgeraden vom Feld und gewann überlegen mit fünf Längen Vorsprung. Die Runde freute sich über ihren ersten Wettgewinn und klatschte sich gegenseitig ab.

      »Ich hab’s g’wusst, auf die Tipps vom Baumgartner Hans kannst du dich verlassen.« Thomas Huber fühlte sich bestätigt.

      Den Freunden war allerdings noch unklar, wie hoch der Wettgewinn ausfallen würde, da die aufgestellten Bildschirme mit den Eventualquoten von ihrem Platz aus nicht einsehbar waren. Als sie vom Bahnsprecher Hartwig Thöne erfuhren, dass die Siegquote von Lovely Queen lediglich 14 zu 10 betrug, war der Wettgemeinschaft die Ernüchterung an ihren langen Gesichtern anzusehen. Das bedeutete, dass sie für ihre eingesetzten 20 Euro trotz Sieg lediglich 28 Euro ausbezahlt bekamen.

      Rudi Kellner brachte es auf den Punkt: »Das heißt, wir haben einen Reingewinn von acht Euro. Pro Mann entspricht das genau einem Euro und 33 Cent. Da werden wir nicht reich.«

      Ein älterer Mann vom Nebentisch drehte sich um. »Jo, jo, auf der Rennbahn kann man scho a kloans Vermögen machen, du musst vorher aber ein großes g’habt haben!« Der Mann grinste schelmisch.

      Die sechs Mitdreißiger mussten kurz überlegen, dann schmunzelten auch sie. Die Aussage des Nachbarn bremste jedoch nicht ihre Wettleidenschaft, im Gegenteil.

      »Ich denk, wir sollten das Risiko erhöhen und die Dreierwette spielen«, schlug Thomas Huber vor.

      Die Wettgemeinschaft war mit dem Vorschlag einverstanden. Von nun an übernahm der vermeintliche Experte Helmut Drexler den Vorsitz der Runde. Er beobachtete die Pferde beim Warmlaufen und machte sich Notizen in sein Traberjournal. Kurz vor den jeweiligen Rennen füllte er den Wettschein für die Dreierwetten aus. Die anderen Mitglieder der Wettgemeinschaft mussten nur seinen Vorschlägen zustimmen, was sie auch taten.

      Leider stimmte das theoretische Wissen Drexlers mit dem praktischen Geschehen auf dem Renngeläuf häufig nicht überein. Einmal wechselte ein gewettetes Pferd auf der Zielgeraden in den Galopp und wurde disqualifiziert. Ein anderes Mal gewann ein Außenseiter, der nicht auf dem Wettschein der sechs Freunde stand.

      Nachdem sich der eingesetzte Wettpott mittlerweile nahezu halbiert hatte, konnte sich Karl Denk eine kleine Spitze in Richtung Thomas Huber nicht verkneifen. »Gut, dass heuer deine Marion ned dabei ist, sonst hätten wir uns wieder was anhören dürfen.«

      »Das Kapitel Rennbahn ist für die Marion beendet. Die habe ich für ein paar Tage nach Griesbach zum Wellnessen g’schickt«, rechtfertigte sich Huber.

      »Eine gute Idee«, kommentierte Berni Ebner lachend.

      Da es auch in den nächsten Rennen für die fidele Runde nichts zu ernten gab, hatte Rudi Kellner einen Vorschlag. »Du, Thomas, geh doch mal zu deinem Ex-Kollegen und frag ihn, ob er noch einen Tipp für uns hätte, weil so kommen wir ned weiter.«

      »Ja gut, ich geh ihn fragen, schlechter als die Tipps vom Helmut können seine kaum sein«, frotzelte Thomas.

      »Was kann ich dafür, wenn die Pferde ned so laufen, wie ich mir das vorstell? Außerdem könnt ihr es auch ned besser. Ich sag nur Manfred Dietl«, flachste Helmut.

      Wenig später kam Thomas zurück und brachte einen ausgefüllten Wettschein mit. »Der Hans hat g’meint, im nächsten Rennen hat der Antonio vom Schwarz Georg eine Riesenchance. Das ist ein Außenseiter und zahlt am Toto bestimmt dreistellig. Den spielen wir für 20 Euro auf Sieg. Was meint ihr?«

      »Okay, das riskieren wir. Ist eh schon wurscht«, stimmte ihm Karl Denk zu.

      »In der Tasche wird’s nicht mehr«, ergänzte Rudi Kellner.

      Das Rennen entwickelte sich anfangs ebenfalls nicht zum Geschmack der Pfarrkirchner Wettrunde. Antonio lag hinter dem Führenden in der Innenspur und hatte während der zwei Runden keine Möglichkeit zum Überholen, da neben ihm ein anderes Pferd trabte, das ihm den Weg versperrte. Zu Beginn der Zielgeraden ließ jedoch das außen trabende Pferd nach, fiel zurück, und der Weg war frei für Antonio. Sein Fahrer Georg Schwarz erkannte sofort die Situation und steuerte den auf der Innenspur geschonten Hengst nach außen. Dann lief er locker unter dem Applaus des Pfarrkirchner Publikums und ganz besonders unter dem Jubel der Wettgemeinschaft an Tisch 25 an dem führenden Gespann vorbei und siegte mit großem Vorsprung.

      »Ist das geil. Ich hätt ned ’glaubt, dass der Antonio noch rauskommt«, freute sich Thomas Huber.

      »Ich wär nie auf den Antonio ’kommen«, gab Helmut Drexler unumwunden zu.

      Die Freunde klatschten sich ab, prosteten sich freudestrahlend zu und tranken auf Hans Baumgartner, der ihnen den Tipp gegeben hatte.

      Gespannt wartete das Sextett auf die Stimme Hartwig Thönes, die den endgültigen Einlauf und die Quoten bekannt gab. »Yes«, schrien sie vereint und machten die »Beckerfaust«. Für Antonio gab es eine Quote von 120 Euro für zehn Euro Einsatz auf Sieg. Das hieß, es gab eine Auszahlung von 240 Euro für die Wettgemeinschaft an Tisch Nummer 25.

      »Das ist eine andere Hausnummer«, merkte Rudi Kellner betont nüchtern an.

      »Jetzt müssen wir uns aber beim Baumgartner Hans bedanken«, forderte Florian Sattler.

      »Ich bring ihm gleich eine frische Radlermaß vorbei«, schlug Thomas Huber vor.

      »Bring ihm auch eine Leberkässemmel mit. Den müssen wir uns warm halten. Den Ex-Bullen können wir morgen auch wieder gut gebrauchen«, ergänzte Karl Denk nicht ohne Hintergedanken.

      Zum Ende der Veranstaltung holten sich die zufriedenen Wetter eine Stärkung in den Verpflegungszelten der Pfarrkirchner Rennbahngastronomie. Mit Leberkäs-, Würstl- und Schnitzelsemmeln war das kulinarische Angebot wie jedes Jahr recht überschaubar.

      Letztlich konnten die sechs Freunde den Renntag als Erfolg verbuchen. Ihren Einsatz von 20 Euro pro Person hatten sie mehr als verdoppelt. »Keine Bank dieser Welt zahlt höhere Zinsen als hier auf der Rennbahn, gell, Helmut«, scherzte Berni Ebner in Richtung seines Freundes Helmut Drexler, der bekanntlich bei einer Bank beschäftigt war. In der Hoffnung, dass es morgen am Pfingstdienstag, am Tag des Bayerischen Zuchtrennens, mindestens genauso gut lief, verabschiedete sich die gesellige Runde gegen 19 Uhr und freute sich auf den nächsten Tag.

      Vier

      Dienstag

      Der Wettergott war erneut auf der Seite der Traber. Das Thermometer zeigte um die 25 Grad an, und die Sonne strahlte durch die wenigen Wolken am Himmel. Am Rottaler Nationalfeiertag, dem Pfingstdienstag, strömten noch mehr Zuschauer auf das Renngelände als am Montag. Die Bedeutung der Veranstaltung