Verschwundene Reiche. Norman Davies

Читать онлайн.
Название Verschwundene Reiche
Автор произведения Norman Davies
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783806231199



Скачать книгу

riallü trin orthoret,

      tebïhïc tan teryd druï cïnneüet.

      Dïu Maurth guisgassant eü cein dühet

      Diu Merchyr bü guero eü cïtunet …

      Die Anführer wahrten den Lobpreis der verdienten Ehre

      wie ein helles Feuer, das gut angefacht wurde.

      Am Dienstag legten sie ihre dunkle Deckung an.

      Am Mittwoch war ihr gemeinsames Ziel bitter.

      Am Donnerstag wurden Gesandte als Pfand geschickt.

      Am Freitag wurden Leichen gezählt.

      Am Samstag handelten sie rasch gemeinsam.

      Am Sonntag wurden ihre roten Klingen neu verteilt.

      Am Montag sah man einen Strom von Blut, hoch bis zum Oberschenkel.

      Ein Mann von Gododdin erzählt, dass, als sie zurückkamen

      vor Madawgs Zelt nach dem erschöpfenden Ende der Schlacht,

      nur einer von hundert zurückkehrte.41

      Wie viele Fachleute festgestellt haben, besitzen Kriegerethos, poetische Überspitzung und der konkret erfahrbare Kult des Todes und des Blutbads eine zeitlose Qualität. Dies sind Kelten, die gegen Angeln kämpfen, aber ohne allzu viele Veränderungen könnte es sich auch um die Schar Agamemnons vor Troja handeln. Der Herr von Alt Clud ritt in der Vorhut:

      Moch arereith ï – immetin

      pan – crïssiassan cïntäränn i-mbodin …

      Er erhob sich früh am Morgen

      Als die Anführer der Hundertschaften sich eilten, das Heer aufzustellen,

      Bewegte sich von einer vorgeschobenen Stellung zur anderen.

      An der Spitze von einhundert Männern sollte er der Erste sein, der tötete.

      So groß war seine Sehnsucht nach Leichen

      Wie nach Met oder Wein.

      Es war mit blankem Hass,

      Dass der Herr von Dumbarton, der lachende Krieger, Den Feind tötete.42

      Doch diesmal blieb ihm das Lachen im Halse stecken. Die Vorhut der anglischen Truppen hatte sich zurückgezogen und ihre Gegner in die Marschrichtung einer zweiten anglischen Armee gelockt, die von Deira heraufzog. Bei Catraeth (dem heutigen Catterick) stießen sie aufeinander. Es war ein entsetzliches Blutbad, selbst für eine Gesellschaft, die vom Krieg lebte, und das nordbritische Heer wurde aufgerieben: nur einer der dreihundert Anführer kehrte zurück. Yrfai und Cynon und die meisten ihrer Gefährten wurden erschlagen:

      E tri bet yg Kewin Kelvi …

      Die drei Gräber auf den Höhen von Celvi,

      Die Eingebung hat sie mir bezeichnet:

      [Sie sind] das Grab Cynons mit den wilden Brauen,

      Das Grab Cynfaels und das Grab Cynfelis.43

      Damit war der Weg frei für die Angeln, die ihren unerbittlichen Vormarsch wieder aufnahmen.

      Die politischen Folgen der Schlacht bei Catraeth zeigten sich in den nächsten Jahrzehnten. Die Angeln von Bernicia strömten nach Norden und überrannten Gododdin – schon 631 war aus Dun Eidyn Edinburgh geworden (burgh mit der Bedeutung »Festung« war einfach eine Übersetzung des keltischen dun). Und sie nahmen den Angriff auf Rheged wieder auf, den Urien hatte bremsen können. In einer früheren Auseinandersetzung hatten die Männer von Deira den Bewohnern von Luguvalium bei Aderydd (dem heutigen Arthuret nahe Longtown in Cumbria) eine ähnliche Niederlage wie in Catraeth beibringen können und hatten Myrddin (Merlin), den Barden der Stadt, angeblich gezwungen, Zuflucht im »Wald von Cellydon« (was sehr nach Caledonia, der lateinisch-keltischen Bezeichnung für Schottland klingt) zu suchen. Jetzt konnten die Angeln mit doppelter Heeresmacht nach Rheged einziehen und furchtbare Rache üben. Ihnen folgten Siedler, die sich auf Dauer dort niederließen.

      Uriens Königslinie verschwindet aus der Geschichte. Der letzte König von Rheged, der vertriebene Llywarch Hen, findet am walisischen Hof von Powys Aufnahme, und Rheged selbst geht unter. Binnen kurzem ist die Präsenz der Angeln im Norden von einer Küste bis zur anderen gesichert; Bernicias Expansionsdrang lebt wieder auf; und die Briten von Dumbarton Rock sind noch immer von ihren Landsleuten abgeschnitten.

      Der religiöse Konflikt spitzte sich in den 660er-Jahren zu. Auslöser waren oft religiöse Riten oder theologische Fragen, wie etwa die Berechnung des Osterfestes, doch im Grunde ging es um einen brutalen Machtkampf. Der Norden war von keltischen Missionaren bekehrt worden; von Ninian, Columban und Rhun, dem Sohn Uriens und Bischof von Luguvalium, der angeblich Edwin von Northumbria getauft hatte, und von dem Iren Aidan, der um 635 den Bischofssitz Lindisfarne einrichtete. Doch die römische Mission, die eng mit der Expansion der angelsächsischen Macht verbunden war, setzte sich unerbittlich durch. Im Jahr 664 rief Oswy von Northumbria, der weitaus stärker war als seine Vorgänger, die Synode von Whitby zusammen. Trotz seiner persönlichen Beziehungen zum keltischen Christentum entschied er sich zugunsten der römischen Partei und ernannte den hl. Wilfrid zum Bischof von Northumbria. Von diesem Zeitpunkt an marschierte die anglische Regierung Hand in Hand mit dem römischen Glauben. Nach nur fünf Jahren behauptete Wilfrid, er sei »Bischof von Piktlandes«. »Es stellte sich heraus, dass Gott neben Latein auch Englisch sprach, aber nicht Gälisch.«44

      Es stellte sich auch heraus, dass Wilfrid allzu optimistisch gewesen war. Nechtansmere, der anglische Name einer Stätte, die die Briten entweder Llyn Garan, »Reiherteich«, oder Dunnicken, die »Festung des Nechtan« nannten, liegt ein gutes Stück nördlich des Firth of Forth, nahe Forfar in der heutigen Grafschaft Angus. Beda erwähnt den Ort in Verbindung mit dem Beginn des Niedergangs von Northumbria, denn dort in Nechtansmere wurde um drei Uhr am Samstagnachmittag, dem 20. Mai 685, das Heer des Ecgfrith, Sohn des Oswy, König von Northumbria, durch die verbündeten Truppen von Piktland und Alt Clud unter einem Kriegerhäuptling mit dem großartigen Namen Bridei map Bili aufgerieben. Ecgfrith und seine gesamte königliche Leibgarde wurden niedergemacht. »Als der König … im darauffolgenden Jahr unüberlegt ein Heer in das Land der Pikten führte, um es zu verwüsten, wurde er durch die Feinde … in die Enge unzugänglicher Berge geführt und mit dem größten Teil der Truppen, die er mitgebracht hatte, … getötet.«45 Die Angeln sah man in dieser Gegend nie wieder.46

      Brideis Sieg wurde, ungewöhnlich für die »Dunklen Jahrhunderte«, sogar mit einem erhaltenen Denkmal, dem sogenannten Skulpturenstein von Aberlemno, gefeiert. Er steht auf einem Friedhof nur knapp zehn Kilometer vom Schlachtfeld entfernt und zeigt als einziger piktischer Symbolstein eindeutig eine Schlacht:

      [Die Darstellung] liest sich wie ein Comicstrip in einer Zeitung mit vier von oben nach unten angeordneten Szenen. In der ersten jagt ein Berittener, der vielleicht Bridei sein soll, einen anderen Krieger zu Pferde. Auf der Flucht hat der Letztere Schild und Schwert weggeworfen. Dieser Mann könnte Ecgfrith sein … der sich umwendet und flieht in dem Moment, als ihm klar wird, dass er in einen Hinterhalt geraten ist. Durch seinen Helm ist der flüchtende Krieger als Northumbrier zu identifizieren. Bei Ausgrabungen am Coppergate in York wurde ein sehr ähnliches Exemplar, abgerundet mit langem Nasenschutz, gefunden.“47

      Die zweite Szene zeigt Ecgfrith oder einen anderen Northumbrier zu Pferde mit der gleichen Art Helm, wie er eine Gruppe piktischer Fußsoldaten angreift. Der Bildhauer verstand offenbar etwas von Kriegstaktik, denn er stellte die Männer sorgfältig in der richtigen Schlachtformation in drei Reihen dar. Vorn stand ein Krieger mit Schwert und einem runden, gebogenen Schild mit vorspringendem Buckel. Wenn die Reiterei der Gegner angriff, musste er der Wucht des Zusammenpralls standhalten. Zu seiner Unterstützung stand ein weiterer Mann direkt hinter ihm mit einem langen Speer, der weit über die erste Reihe hinausragte. Hinter den beiden Kriegern, die den Feind angriffen, stand ein dritter Speerträger in Reserve. Die ganze langgezogene Schlachtlinie entlang sollte eine Reihe blitzender Speerspitzen die Angreifer abschrecken