Schwarzer Regen Rotes Blut. Leonhard Michael Seidl

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Название Schwarzer Regen Rotes Blut
Автор произведения Leonhard Michael Seidl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267967



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sie ihm in die Hand.

      Wieder lachten die anderen. Es gefiel ihnen, wie das hübsche Mädchen mit ihrem Sturmbannführer kämpfte. Ein lustiger Zeitvertreib, bevor sie die karge Realität zu Hause bei den Familien einholte. In diesem Augenblick kam Bernhard Pfanzelt aus dem Keller. Mit einem Blick erfasste er die Situation und stürmte los.

      Montag, vierzehnter Mai 1945

      Die letzten deutschen Truppen in Ostpreußen (rund hundertfünfzigtausend Mann) ergeben sich der Roten Armee.

      Kommissariat Zwiesel, Bayern

      Außenstelle Schachtenstein

      Polizeikommissär Leo Klemm

      EINVERNAHME

      Heute ist Montag, der 14. Mai 1945. Es ist 9.42 Uhr.

      1. Vorbemerkung

      Etwas abgelegen am Waldrand von Schachtenstein befand sich bis zur Brandlegung das bürgerliche Gasthaus von Anna und Maximilian Pfanzelt. Es galt, obwohl Anna Pfanzelt im vorigen Jahr plötzlich verstorben war, als solides Gasthaus mit fünf Zimmern, wo man zu vernünftigen Preisen essen und Quartier nehmen konnte.

      2. Einvernahme des Zeugen Josef Schnaitz

      Vor dem Unterzeichneten ist heute erschienen Josef Schnaitz, Küchenhilfe in Pfanzelts vormaligem Gasthaus. Josef Schnaitz ist Bürger des Dorfes Schachten­stein im Zwieseler Winkel und hat sich durch seine Kennkarte ausgewiesen.

      Frage: »Ihr Name ist Josef Schnaitz. Geboren wann und wo?«

      Antwort: »Geboren am achtzehnten April 1915 in Schachtenstein, Bayern. Meine Eltern Konrad und Emilia Schnaitz, Häusler dahier, und die sechs Geschwister sind eingegangen im Jahr 17 an Auszehrung. Bloß ich hab überlebt.«

      »Wo befanden Sie sich nach dem Ableben der Familie?«

      »War im Zwieseler Waisenheim. Ab sieben Jahr bin ich gewesen beim Pfanzelt. Seitdem bin ich da.«

      »Schulische Bildung?«

      »Wenig.«

      »Was heißt wenig?«

      »Drei Jahr Lesen und Schreiben. Und Religion. Ganz viel Religion. Im Heim Kartoffeln geschält. Jeden Tag. Das kann ich gut.«

      »Rechnen?«

      »Nicht so gut wie Kartoffeln schälen. Aber lesen kann ich.«

      »Das ist in der Tat wenig. Sie tragen sehr starke Brillengläser. Ich gehe davon aus, dass Sie nicht gedient haben?«

      »Jawoll. Nicht gedient, Herr Kommissär.«

      »Sie sind nicht vorbestraft, haben keine Schulden und besitzen einen einwandfreien Leumund?«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Soweit ist das also nun klar. Sie waren gestern, Sonntag, dreizehnten Mai 1945, in Pfanzelts Gasthaus damit beschäftigt, Gäste zu bewirten. Ist das korrekt?«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Wie viel Uhr war es da?«

      »Circa halb elf, glaub ich.«

      »Vormittags?«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Wie viele Personen befanden sich zu dieser Zeit im Gastraum?«

      »Mit dem Austragswirt Max Pfanzelt, Bernhard, seinem Bub, und mir und den Soldaten waren es … ungefähr.«

      »Schon gut. War Bernhards Eheweib Elise ebenfalls anwesend?«

      »Jawoll, Herr Kommissär. Meine Elise hat die Getränke gebracht.«

      »Herr Schnaitz, bitte schildern Sie nun aufrichtig und ohne Auslassungen, was Sie am Sonntag, den dreizehnten Mai 1945, in der Zeitspanne zwischen zehn und zwölf Uhr in Pfanzelts Gasthaus beobachtet haben.«

      »Jawoll, Herr Kommissär. Richtig und ohne Auslassen. Der Max, was der Altwirt war, ist auf der Bank gehockt, am Kachelofen in der Gaststube. Draußen war ein grauslicher Sturm.«

      »Stimmt. Ich erinnere mich.«

      »Was der Altwirt war, der hat gesehen, wie der Bernhard und meine Elise die Gäste bedienen. Der Krieg ist ja gar. Die Soldaten wollen heim. Männer, die wo nicht einsehen, dass die Schlacht vorbei ist. Daran, Herr Kommissär, glaub ich ganz fest.«

      »Sprechen Sie bitte weiter, während ich mir Notizen zu den Vorfällen mache. Was für Soldaten waren das?«

      »Die waren von der SS. Haben noch die Uniform angehabt und dauernd vom Dirlewanger geredet.«

      »Dirlewanger? Darauf kommen wir noch. Weiter.«

      »Heim haben sie wollen. Das hab ich gehört. Sie haben unsere Wirtschaft gesehen. Lümmeln am Bauerntisch beim Bier und beim Schnaps und saufen den Fusel hinein, die groben Lackeln. Einer gefährlicher als wie der andere. Die Gewehre sind an der Wand neben der Tür gelehnt.«

      »Einen Augenblick, Josef. Ich darf Sie doch Josef nennen?«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Danke. Sie sagten soeben, die Gewehre lehnten an der Wand neben der Tür.«

      »Jawoll, Herr Kommissär.«

      »Trugen die Männer Pistolen?«

      »Jawoll, Herr Kommissär. Alle, jeder.«

      »Verstehe ich das richtig, Josef: Jeder dieser Männer war mit je einem Karabiner 98 sowie einer Luger Pistole 08 ausgerüstet?«

      »Daran glaube ich ganz fest, Herr Kommissär.«

      »Danke, Josef. Weiter.«

      »Der Anführer hat ein Geld auf den Tisch geschmissen und noch eine Flasche Schnaps wollen. Der Bernhard hat das Geld eingeschoben.«

      »Wo befand sich Elise Pfanzelt zu diesem Zeitpunkt?«

      »Die Elise war hinten und hat zugeschaut. Die Elise ist immer weiß angezogen. Sie hat den Blasbalg von der Orgel gemacht, wo der Peterl, was unser Mesner ist, die Lieder vom Gebetbuch spielt.«

      »Stimmt. Das hat mir Pfarrer Tecklenburg bestätigt.«

      »›Nimm den Krug, Elise‹, hat der Bernhard gesagt. Ich glaub, die Elise hat ihn schwer mögen, obwohl er zu viel säuft. Dass der Bernhard säuft, hat auch der Altwirt gespannt, aber der hat schon lang keine Kraft nicht mehr gehabt gegen seinen eigenen Buben.«

      »Erzählen Sie von Elise.«

      »Meine Elise. Eine Schönheit. Nicht so eine kalkige oder graue Haut, sondern weiß wie der weiße Nebel. Rothaarig. Ich nenn sie mein Kupferdachl, Herr Kommissär. Verstehen S’ das?«

      »Kupferdachl wegen ihrer roten Haare. Ich verstehe. Weiter, Josef, was geschah dann?«

      »Sie ist wie so eine Rose. Sie hat sich leicht wie eine Feder bewegen können. Sie ist, war … wie soll ich sagen … mein Engel auf allen meinen Wegen. Und das Schönste ist, sie riecht gut. Nach Lavendel. Immer hat sie ein Lavendelparfüm.«

      »Josef, könnte es sein, dass Sie in Elise, sagen wir mal, verliebt waren?«

      »Ja. Doch. Daran glaub ich ganz fest, Herr Kommissär. Weil sie ist halt einfach … wunderbar … gewesen. Wie sind ihre Schritte so sanft in den Sandalen, und ihre Brüste sind wie Kitzlein, an ihr ist alles gut und rein. Es ist eine Sauerei, wie sie verreckt ist. Man muss den Kerl umbringen, der wo das gemacht hat.«

      »Halt, Josef. Du sprichst von Brüsten wie Kitzlein. Das sind doch nicht deine eigenen Worte?«

      »Hohelied, Kapitel sieben, Vers vier.«

      »Die Bibel?«

      »Jawoll, Herr Kommissär, daran glaube ich ganz fest. Hat mir der Herr Pfarrer in der Bibelstunde gelernt.«

      Seltsam, dachte Klemm überrascht, ein Priester, der über Brüste wie Kitzlein