Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel

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Название Mord à la carte in Schwabing
Автор произведения Jörg Lösel
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267660



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als feste Nahrung.

      Es war schon nach 22 Uhr, da rief Lisa endlich zurück. Tom fiel es noch immer schwer, sich deutlich zu artikulieren.

      Als er sie um ein Treffen bat, reagierte sie reserviert. Er vermutete, dass sie ihm die Frage nach Edgars Adresse nach wie vor übel nahm. Tom druckste eine Zeitlang herum, als Lisa sich verabschieden wollte, platzte er heraus: »Ich habe die Adresse von Edgar herausbekommen, die du mir nicht nennen wolltest. War gar kein Problem.«

      Lisa schluckte. »Ich kann doch meinen Arbeitskollegen nicht in die Bredouille bringen, indem ich jemandem, der etwas gegen ihn im Schilde führt, seine Adresse nenne. Verstehst du das nicht?«

      »Er ist doch der Gangster!«

      »Tom, das ist Blödsinn, er versucht mal, jemanden zu bescheißen, aber er ist doch kein Verbrecher.«

      Hastig erzählte Tom die Geschichte, die er in der Kapuzinerstraße erlebt hatte. »Der geht mit dem Messer auf mich los und du sagst, er ist kein Gangster? Wieso verteidigst du ihn so vehement?«

      Lisa war sehr kleinlaut geworden. »Er ist ein Arbeitskollege, und ich komme mit ihm gut klar. Aber wenn es so war, wie du es gerade geschildert hast, tut es mir leid.«

      Tom empfand ihre Worte als einen kleinen Triumph. Edgars Messer hatte die fest verschlossene Auster einen winzigen Spalt weit geöffnet.

      Tom ging zum Kühlschrank, öffnete eine Bierflasche und kühlte seinen Mund mit dem herben Getränk auch von innen.

      5

      Als Tom am nächsten Morgen in die Redaktion kam, herrschte die übliche Hektik im Großraumbüro. Die Reporter telefonierten, riefen sich kurze Informationen zu und schrieben in ihre Computer. Eike schaute vom Bildschirm hoch, als er Tom hereinkommen sah. »Und … warst du bei der Polizei?«

      Tom schüttelte den Kopf.

      »Irgendwann machen die dich richtig fertig!«

      Tom zuckte unbeholfen mit den Achseln und sagte etwas zu bekümmert: »Wir müssen halt schneller sein.«

      Eike riss seine Augen weit auf und begann zu lachen. »Unser Jungspund und die Mafia – ist ja nicht zu glauben. Du bist schon ein Traumtänzer?!«

      »Ach, lass gut sein.«

      Tom hatte das Gefühl, als würde ihm langsam alles über den Kopf wachsen. Traumtänzer – vielleicht hatte Eike da sogar recht. Nichts war so richtig für ihn greifbar, der Fernsehjob, Lisa, und dann wurde er auch noch von einem Rocker verprügelt.

      »Jetzt schau nicht so belämmert! – Ich hatte eine Idee. Wie du sicher weißt, wird von TV 1 die Kochshow ›Sterneküche für zu Hause‹ produziert. Franz Fuchs ist der Redaktionsleiter. Ich hab mir einen Termin bei ihm geben lassen. Magst du mitkommen?«

      Tom war begeistert. »Der kennt sich sicher in der Szene aus.«

      »Natürlich. Könnte sein, dass wir etwas Neues von ihm erfahren. Sag mal im Sekretariat Bescheid, dass wir für ’ne Stunde im Haus unterwegs sind.«

      Tom erledigte es sofort, und sie machten sich auf den Weg.

      Sie gingen an einem langen grau gestrichenen Betonbau entlang, in dem sich hinter geschlossenen Fenstern Angestellte und freie Mitarbeiter des Senders an ihren Aufgaben abarbeiteten. Das Redaktionsbüro von Franz Fuchs lag in einem anderen Gebäude, gut 100 Meter entfernt von dem der Aktuellen Redaktion.

      Er war gerade mit dem Sichten von Aufzeichnungen beschäftigt, als die beiden das Zimmer betraten. Fuchs stoppte die DVD, nahm seine rechteckige braune Brille ab und schüttelte Eike und Tom die Hände. »Hab mich schon gewundert, dass die Aktuellen hier nicht schon früher aufgeschlagen sind.«

      Eikes Handy klingelte, aber er drückte den Anruf weg. »Bei Mord und Totschlag denkt man halt nicht gleich an die Unterhaltung.«

      »Ich weiß schon, wir sind nur die soften Fernsehmacher, die sich um den Publikumsgeschmack kümmern, und ihr seid die Hardcore-Journalisten, die die Welt retten.« Bei diesen Worten zwinkerte Fuchs Eike zu.

      Tom musterte den Chef der Kochsendungen neugierig aus der Distanz. Er war Mitte 50, hatte dicke Backen, und sein weinrotes Sakko spannte über dem Bauch. Grau melierte Haare standen über die Ohren. Er wirkte wie ein freundlicher Genussmensch, passte zum Kochstudio – ein ganz anderer Typ als Neuwirt.

      Während Fuchs den beiden anbot, auf den ledernen Besuchersesseln Platz zu nehmen, sagte Eike: »Jedenfalls ist es sehr nett, dass Sie uns empfangen.«

      Franz Fuchs lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und faltete die Hände über der Brust. »Womit kann ich dienen?«

      Eike erzählte mit ein paar Sätzen den Stand der Dinge im Fall Steineberg und ließ auch nicht die Erlebnisse von Tom mit Edgar und dem Rocker aus.

      Fuchs bedauerte Tom und wurde nachdenklich. »Rauschgift im Sterne-Restaurant – das hatten wir schon Anfang der 90er-Jahre in München bei Witzigmann, aber dass Steineberg selbst damit zu tun hat, kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Er ist sehr ehrgeizig, aber auch seriös. Er will den dritten Stern. Vielleicht hat er mal einen krummen Hund in der Küche, das kann passieren, aber sonst? Nein, meine Herren.«

      »Und was halten Sie von Wissler?«, fragte Eike.

      »Der will auch den dritten Stern. Wissler hat einen ganz anderen Hintergrund als Steineberg. Da war immer Geld da, der Vater im Vorstand der ›Münchener Rück‹, die Mutter Schauspielerin, Wissler liebt die Malerei, und ich weiß, dass er sich auch selber als Maler versucht hat. Er gehört zu den oberen Zehntausend. Steineberg hat sich hochgearbeitet. Seine Familie stammt aus Murnau. Da hat er sehr gute Kontakte zu den regionalen Erzeugern von Lebensmitteln.« Fuchs winkte ab. »Aber das ist eine andere Welt.«

      Tom räusperte sich. »Der Wissler hat auf mich sehr, sehr glatt gewirkt.«

      »Da war Ihre Empfindung richtig, junger Mann. Er präsentiert sich glatt wie eine frisch polierte Aubergine. Aber in den Sendungen kommt er gut beim Publikum an. Da kann er sich auch jovial geben. Er ist ein schwieriger Mensch.«

      Tom war unruhig geworden. »Wie stehen Steineberg und Wissler zueinander?«

      Franz Fuchs griff nach einem großen hölzernen Kochlöffel, der auf seinem Schreibtisch lag. Auf dem Stiel war in breiten goldfarbenen Buchstaben zu lesen: ›The Golden Cooking Spoon‹. »Natürlich sind sie Konkurrenten, und wenn ein Koch vom Steineberg zu Wissler geht, dann kann er nicht mehr zurück. Das ist nicht wie in der Fußball-Bundesliga, wo Claudio Pizarro eine Saison für Werder Bremen spielt, die nächste für den FC Bayern und dann wieder für Werder. Das Betriebsgeheimnis steht bei beiden Köchen an erster Stelle. Beide wollen sicher auch nicht nur den dritten Stern, sondern sie wollen ganz hinauf, die Nummer eins in Deutschland sein – wie früher Witzigmann. Beide lassen sich ständig Neues in der Küche einfallen. Sie sind sehr kreativ. Aber dass einer beim anderen einen Gast vergiften lässt«, Fuchs setzte eine skeptische Miene auf, »das können Sie sich aus dem Kopf schlagen.«

      Eike schaltete sich wieder ins Gespräch ein: »Wo hat der Wissler eigentlich das Kochen gelernt?«

      Fuchs zeigte auf den Kochlöffel. »Den hat er mir nach einer Show geschenkt. Er ist von seiner ersten internationalen Station, dem Hotel Lancaster in Paris. Danach lernte Marc im Oriental in Bangkok, und schließlich in New York bei Eric Ripert. Aus der Stadt hat er sich auch seinen Lustknaben mitgebracht.«

      Eike bemerkte: »Ist ein hübscher Kerl; den haben wir auch schon kennengelernt.«

      Franz Fuchs grinste, und Tom begutachtete verlegen die weiße Kochschürze, die an einem Bücherregal hing.

      In diesem Moment klopfte es, und die Sekretärin von Fuchs steckte den Kopf zur Tür herein. »Herr Fuchs, der Produktionschef wartet im Studio auf Sie.«

      »Ja, sagen Sie ihm, ich komme gleich. Meine Herren, ich muss weiter. Wir produzieren morgen und übermorgen eine Show – wissen Sie mit wem?«

      Tom platzte heraus: »Mit