Название | Küstensturm |
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Автор произведения | Heike Meckelmann |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839267608 |
Die 28-jährige Lotta Freimann entdeckte eine Kaffeemaschine, öffnete die Türen des einzigen Hängeschrankes und hielt Ausschau nach Filtertüten. Sie fand eine Dose mit Kaffeepulver, nahm sie heraus und schüttelte sie. »Die ist voll«, strahlte sie. »Ich hatte es gehofft. Den Kaffee hatte ich vergessen. Oder hast du?«
Stina schüttelte den Kopf. »Ich hab an gar nichts gedacht. Mein Kopf ist leer. Nicht mal Zahnpasta habe ich eingepackt.« Sie zuckte die Schultern, stand wie eine Porzellanpuppe vor ihrer Freundin. »Kannst du von mir haben. Hast du wenigstens eine Zahnbürste?« Stina nickte. »Na, dann ist das doch kein Problem. Was uns fehlt, besorgen wir später, wenn wir in Burg einkaufen.« Die Studentin war erleichtert.
Lotta, die Souveräne in dieser Runde, lächelte und stellte die Kaffeemaschine an. »Komm, Lütte, wir decken den Tisch. Tilda ratzt länger, so wie ich sie kenne.« Die Krankenschwester öffnete die Tür und trat auf die Veranda. Sie reckte sich in ihrem Jogginganzug, schüttelte die langen Haare und sah um sich. Die Sonne tauchte den Wald in ein stimmungsvolles Licht. Es herrschte eine unbeschreibliche Ruhe. Nicht einmal ein Vogel war zu hören. Hoffentlich bleibt das so, dachte Lotta und machte sich daran, die Fensterläden zu öffnen. Sie empfand die Ruhe als große Erleichterung, die sie für gewisse Zeit von ihrer schweren Arbeit abschalten ließ. Stina entriegelte die Fenster in allen Räumen von innen, bis frische Waldluft die Hütte durchwehte. Anschließend inspizierten sie die wenigen Schränke auf der Suche nach Geschirr. Zehn Minuten später war ein kunterbunter Frühstückstisch gedeckt. Lotta nickte und lächelte. Sie sah selbst ungeschminkt, mit zerwühlten Haaren und im Jogginganzug faszinierend aus. Sie zog ihre Tasche zu sich, die sie gestern Abend neben dem Sofa abgestellt, hatte und öffnete den Reißverschluss. Gelassen nahm sie Brot, Margarine, Marmelade und Obst heraus. »Das hast du alles besorgt?«, staunte Stina. »Ne, ich hab nur meinen Kühlschrank geplündert. Langt fürs Erste, oder?«
Die Freundin nickte und sog den Holzgeruch der Hütte ein.
Während sie gemütlich am Tisch saßen, Brot aßen und heißen Kaffee schlürften, schnupperte Tilda eine Etage höher den Duft des Wachmachers. Ausgeruht und gut gelaunt kletterte sie wenig später in langen Sporthosen und einem ausgeleierten Shirt die Stiege hinab. Ihre dunklen, ewig zerzaust wirkenden Haare legten sich um ihr blasses Gesicht und ließen es noch schmaler erscheinen. »Hm, das riecht aber lecker. Ich sehe schon, das wird ein geiler Tag«, sagte sie und kräuselte spitzbübisch die Nase, bis ausgeprägte Grübchen sich auf ihren Wangen zeigten.
Lotta zog die Augenbrauen hoch und grinste sie an.
Eine Stunde später stapften sie satt und fröhlich durch das Staberholz, um die Umgebung auszukundschaften, die für die kommende Woche ihr Zuhause sein würde. Es gab kaum Nennenswertes in dem Wald zu sehen, der mit seinen gerade mal fünf Hektar Fläche nicht groß herauskam. »Verlaufen können wir uns hier jedenfalls nicht«, frotzelte Tilda und sammelte einen dicken Ast vom Boden auf. »Nein, aber die Umgebung ist vielfältig. Ich bin mit meinen Eltern früher so oft hier gewesen. Der Wald liegt direkt an der Steilküste, das sehen wir uns nachher genau an. Und der Leuchtturm von Staberhuk ist nicht weit entfernt. Dazu kann ich euch interessante Geschichten erzählen. Aber lasst uns jetzt erst mal den Wald erkunden. Ist immer gut, wenn man weiß, wo man sich befindet und … wo das Auto abgestellt ist«, lachte Lotta.
Stina Christiansen knibbelte an ihrem Zopf. »Wieso müssen wir wissen, wo der Wagen steht? Im Dunkeln kriegen mich sowieso keine zehn Pferde aus der Hütte.« Sie schüttelte den Kopf. Das Ende ihres Zopfes schlug ihr dabei ins Gesicht. Sie zog den rosafarbenen Schal enger um ihren Hals. Ihre empfindlichen Wildlederstiefel rutschten über den feuchten Boden und verdreckten bei jedem Schritt mehr. »Die richtigen Schuhe hast du aber nicht eingepackt«, stellte Tilda belustigt fest. »Kein Problem, wir fahren heute Nachmittag in die Stadt und kaufen ein. Dann können wir uns mit Lebensmitteln eindecken und nach passenden Schuhen für Stinchen schauen«, sagte Lotta und erschrak plötzlich.
Es raschelte hinter ihr. Sie drehte sich um. »Das war sicher nur eine Taube. Ist dieses Idyll nicht wundervoll? Bringt unsere Seele ins Gleichgewicht«, lachte Tilda und sprang amüsiert zwischen den am Boden liegenden Ästen umher. »Ich hab keine Lust mehr, hier herumzustreunen. Du hast doch eben von einem Leuchtturm gesprochen. Lass uns mal da hinlaufen«, flüsterte Stina. Die Geräusche im Wald lösten Beklemmungen in ihr aus. Sie fühlte sich beobachtet. Das Staberholz verbreitete, trotz der Sonnenstrahlen, Unheimliches. Es herrschte kein Wind, wurde aber zunehmend diesiger. »Dieser verdammte Nebel, die merkwürdigen Laute«, stellte sie fest und suchte nach dem Ausgang. Sie kannte zwar die Umgebung, aber den Wald hatte sie nie wirklich ausgekundschaftet. »Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelpumpel heiß’ …«, johlte Tilda und tanzte wie ein Kind zwischen den Bäumen.
Bis Stina auf einmal schrie und ohne Vorwarnung Richtung Lichtung rannte. »Was ist denn?«, fragte Lotta.
»Da war ein Schatten!«
Kapitel 3
Hauptkommissar Dirk Westermann, Leiter der Oldenburger Mordkommission, saß am Schreibtisch seiner Dienststelle und las einen Bericht. Die Tür öffnete sich, und sein Kollege Thomas Hartwig betrat das Büro. Der Hauptkommissar sah ihn fragend an: »Wo ist dein Wolf?«
»Mein Wolf ist ein top ausgebildeter Polizeihund, was selbst dir nicht entgangen sein dürfte und wir haben soeben die letzte Prüfung absolviert.« Seine Augen leuchteten, und er wedelte mit dem Zertifikat in seiner Hand. »Unser Watson ist seit heute als staatlich geprüfter Polizeihund in Sachen Drogen und Leichen unterwegs.« Der durchtrainierte, smarte Kommissar konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, während er sich mit der Hand durch die dunklen, bis in den Nacken reichenden Haare fuhr. »Ich habe ihn hinten im Wagen und wollte wissen, ob du mit uns eine Runde durch den Wald laufen willst.«
»Welchen Wald?«, fragte Westermann, schob die Brille aus alter Gewohnheit in die nackenlangen, weißen welligen Haare, obwohl er die Lesebrille im letzten Herbst durch eine Gleitsichtbrille ersetzt hatte. Der schwarze Rahmen stand ihm gut zu Gesicht und ließ ihn markant erscheinen. Er warf einen Blick auf die Sportklamotten des jüngeren Kollegen. »Ich dachte, wir könnten Richtung Eutin, kurz vorm Kellersee ist ein Waldgebiet. Ich hab das Gefühl, ich muss unbedingt raus und eine Runde joggen. Hast du Lust?« Westermann nickte, stand auf und griff zu seinem Caban. »Ja, ich brauche auch dringend frische Luft. Dieser Mief hier drinnen macht mich zurzeit platt. Nur Routine ist nicht die große Herausforderung. Unendlich viel Aktenkram führt zur Stumpfsinnigkeit. Und bei den Cold Cases kommen wir auch nicht richtig voran. Außerdem habe ich, gelinde gesagt, riesigen Kohldampf.« Dirk Westermann rieb seine Hand über den flachen Bauch, dann kraulte er seinen weißen Dreitagebart. »Kohl, da sagst du was. Wenn wir gelaufen sind, können wir am Kellersee leckeren Kohleintopf essen. Ich kenne da ein nettes Lokal.«
»Kiek mol einer an. Du kennst ein nettes Restaurant am Kellersee?«
»Was dagegen? Komm!« Westermann stand auf, klappte die Akte zu und ging um den Schreibtisch. Er zog die Ärmel seines grauen Sweatshirts nach unten und schob ein Feuerzeug, das neben dem Computer lag, in die Tasche seiner Jeans.
Der Kommissar zog seine Jacke an, und die beiden Polizeibeamten verließen die Dienststelle. »Wir sind per Handy zu erreichen, wenn etwas sein sollte!«, rief Westermann seinem Kollegen Evert zu, der gerade auf den Eingang zukam. Der nickte. Thomas Hartwig öffnete die Heckklappe, Watson sprang heraus und lief mit wedelndem Schwanz auf den Hauptkommissar zu. Der einjährige tschechoslowakische Wolfshund hatte an ihm anscheinend einen Narren gefressen.