Название | Inselduell |
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Автор произведения | Anja Eichbaum |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839267561 |
Ruth legte für einen Moment den Kopf in den Nacken. Wie sollte sie bloß erklären, dass sie in manchen Situationen nicht die taffe Frau war, für die sie alle hielten? Es fiel ihr schwer, das zuzugeben, aber wenn sie sich hinter ihrer burschikosen Art versteckte, kam sie immer wieder zu kurz. Es gab nun mal keine zwischenmenschliche Nähe ohne Risiko. Wer sollte das besser wissen als sie selbst. Geschiedene Polizeipsychologin mit erwachsener Tochter, die um der Karriere willen die Familie geopfert hatte. So zumindest lautete die gekürzte, die vereinfachte Rechnung. Dass es komplexer war, konnte sich wahrscheinlich jeder denken, aber die meisten Menschen mochten lieber die einfachen Antworten.
Sie beschloss, weiter ehrlich zu sein. Oskar wusste, dass sie Zeit brauchte. Weil es zuletzt etwas gegeben hatte, was sie in ihrem Selbstverständnis und ihrer optimistischen Art vollkommen erschüttert hatte. Trotzdem konnte sie nachvollziehen, dass ihr Verhalten auf Oskar seltsam wirken musste.
Sie nahm seine Hände und schaute ihn an. Seine Augen waren etwas, dem sie sich nicht entziehen konnte. Sie spürte, wie die Verlegenheit weniger wurde. Ein warmes Ziehen im Bauch konnte sie nicht länger ignorieren. Verdammt. Sie mochte diesen Mann. So sehr, wie sie sich das nicht hätte vorstellen können.
Er schaute sie fragend an. Auch dafür war sie ihm dankbar. Dass er diese Pausen, diesen Stillstand aushielt. Nicht gern. Nicht ohne Zweifel. Aber er tat es.
»Du weißt, dass ich das nicht gut kann, oder?«, flüsterte sie.
»Was genau meinst du? Den Restaurantbesuch?«
Er machte es ihr einfach. Lockerte die Stimmung auf. Bot ihr Ausflüchte. Auf die sie aber nicht zurückgreifen wollte. Diesmal nicht.
»Ich bin nun mal nicht so die Romantikerin.« Sie hob kurz die Hand und deutete durch den Raum und auf das Fenster, hinter dem auf der anderen Seite des Rheins der Posttower mit wechselnden Farben auf sich aufmerksam machte. »Wenn du mit mir anstößt und dich auf drei gemeinsame Tage mit mir freust, dann …« Sie stockte.
»Dann?« Er drückte die Hände, mit denen sie ihn immer noch hielt.
»… dann bekomme ich Panik.«
»Ich weiß das doch. Du hast von Anfang an mit offenen Karten gespielt.«
»Ja. Nein. Schon. – Ach, es ist kompliziert.«
»Das muss ich aber nicht als Statusangabe wie auf Facebook verstehen, oder? Da bedeutet eine komplizierte Beziehung fast immer, dass noch jemand Drittes im Spiel ist. Muss ich da etwas wissen?«
Nun war es an Ruth, erschrocken zu sein. »Nein, nein, falsche Fährte. Das darfst du auf keinen Fall denken. Nein, es ist viel mehr, dass ich Panik im wortwörtlichen Sinne bekomme. So steinzeitmäßig. Hoher Puls, flache Atmung, Leere im Kopf und nur auf Flucht gepolt.« Sie hörte, dass sie witzig klang, obwohl sie jedes Wort genauso meinte.
»Du denkst an Flucht, weil wir zum ersten Mal drei ganze Tage miteinander haben?« Oskar schien sich nicht sicher zu sein, ob sie ihn hochnahm.
Ruth nickte. »Leider.«
»Tatsächlich kompliziert.«
Sie sah die Angst vor Zurückweisung in seinen Gesichtszügen. Alles zog ein wenig mehr nach unten: Die Augen, die Mundwinkel, selbst die Brille rutschte die Nase herunter.
»Zu kompliziert?«, fragte sie leise.
»Nein, auf keinen Fall.« Er zog seine Hände zurück, weil der Kellner einen Korb mit Brot und Besteck vor ihnen abstellte.
»Die beiden Dips sind unser kleiner Gruß aus der Küche.« So schnell, wie er aufgetaucht war, hatte er sich schon wieder zurückgezogen, aber ihre Hände lagen nun nicht mehr aufeinander.
Ruth griff nach einem Stück Brot. Oskar wickelte das Besteck aus der Serviette und reichte ihr ein Messer. »Hier, der Dip ist herrlich, den musst du probieren.«
»Es ist also dein romantisches Stammlokal«, neckte Ruth ihn, in der Hoffnung, dem Gespräch mehr Leichtigkeit zu geben. Sie könnten ja später noch intensiver reden. Vielleicht wäre es dann sogar gut, wenn sie ein Thema hätten, bevor …
»Einen Penny, um deine Gedankengänge nachzuvollziehen.«
Ruth lachte laut auf. »Nein, die willst du nicht wissen.«
»Doch, das will ich.« Seine Augen wurden noch dunkler, als sie sowieso schon waren. »Ich will, dass du das weißt. Ich lasse dir alle Zeit der Welt. Egal, was vorher war. Das spielt für mich keine Rolle. Ruth, du bist die beeindruckendste Frau, der ich seit Langem begegnet bin. Und ich bin nicht so naiv, dass ich nicht wüsste, dass wir alle unsere Macken davongetragen haben. Also, entspann dich bitte. Es werden drei großartige Tage.«
»Weißt du, wie lange es her ist, dass ich drei Tage am Stück mit nur einem einzigen Menschen in solcher Nähe verbracht habe?« Ruth griff sich in die Locken und stöhnte leise auf. »Das willst du nicht wissen.«
»Muss ich auch nicht.« Jetzt lächelte er sie an. »Vollkommen egal. Wir sehen, was passiert. Und wenn du es gar nicht aushältst, dann finden wir eine Lösung, okay?« Er reichte ihr ein Stück Brot, das er sorgfältig mit einem der Dips bestrichen hatte. »So, und jetzt probieren – ohne Widerworte.«
Ruth biss hinein und verdrehte gespielt entzückt die Augen: »Köstlich.«
»Du nimmst mich nicht ernst.«
»Doch. Aber das sind meine kleinen Fluchten.«
»Nun gut. Wir sind uns also einig. Wir versuchen das.«
»Ich versuche es. Komm mir nicht später damit, ich wäre anstrengend.«
»Ich liebe anstrengende Frauen. Wo bliebe sonst die Herausforderung? So und nun noch einmal.« Er stieß mit seinem Glas an ihres. »Auf uns. Auf unser Wochenende. Und da wäre übrigens noch etwas.«
Ruth war auf einen Schlag alarmiert. »Noch etwas?«
»Na ja«, druckste Oskar herum, »da war der Newsletter und das Angebot nur kurzfristig, und ich dachte, ich mache dir, also besser gesagt uns, eine Freude, obwohl ich mir da jetzt gar nicht mehr so sicher bin …«
»Oskar, was ist los?«
»Also, ich habe über Ostern ein Doppelzimmer auf Norderney gebucht. Für dich und mich. Ich dachte, das wäre doch was. Da, wo wir uns kennengelernt haben.«
»Du hast was?« Ruth merkte, wie ihr die Gesichtszüge entglitten.
»Okay, okay, war wahrscheinlich ein Fehler. Ich sehe es ein. Zu schnell. Viel zu schnell. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Stornomäßig, meine ich.« Oskar stotterte und verhaspelte sich immer mehr.
Und plötzlich war es, als sähe Ruth von außen auf sich und auf Oskar, und sie konnte es nicht fassen, wie kompliziert sie die Dinge machte. Oh Gott, dachte sie, er konnte einem regelrecht leidtun, sie hatte so etwas wie ihn gar nicht verdient. »Ach, Oskar«, sie nahm über den Tisch hinweg erneut seine Hände. »Da hast du dir mit mir was eingefangen. Du wirst es noch bereuen, mir begegnet zu sein.« Und zu seiner großen Verwunderung begann sie wieder, lauthals zu lachen.
*
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