Heideopfer. Kathrin Hanke

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Название Heideopfer
Автор произведения Kathrin Hanke
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839267509



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besonders gut auf seinen Zwillingsbruder zu sprechen war, zumindest nicht im Zusammenhang mit Katharina. Bene zeigte plötzlich heftige Anwandlungen von Eifersucht gegenüber Ben und glaubte, sein Bruder hätte ein Auge auf sie geworfen. Auf die Frage, wie er auf so eine an den Haaren herbeigezogene Idee käme, hatte er Katharina vor ein paar Wochen geantwortet, dass er es ziemlich verdächtig fände, dass Ben keine feste Freundin mehr gehabt hatte, seit er mit Katharina zusammenarbeitete, was immerhin schon ein paar Jahre mehr der Fall war. »Außerdem guckt er dich immer heimlich an, wenn er denkt, das bekäme keiner mit. Und er fragt dich ständig, ob ihr nach dem Job noch was trinken gehen wollt, obwohl ihr schon den ganzen Tag zusammen rumhängt.« Katharina hatte ihren Freund für verrückt erklärt und sie hatten sich etwas gezofft. Dennoch hatten Benes Worte sie ins Grübeln gebracht. Es hatte nämlich tatsächlich eine Zeit gegeben, da hatte sie gedacht, dass Benjamin Rehder mehr in ihr sah als nur seine Teampartnerin. Und auch sie hatte sich damals, doch das war Jahre her, zu ihm hingezogen gefühlt, obwohl sie bereits mit Bene zusammen war. Nicht, weil die beiden Brüder sich so ähnlich sahen, obwohl das sicherlich mitgeschwungen hatte. Nein, es war etwas anderes gewesen. Es war schlicht und ergreifend Bens verbindliche, aufrichtige und altruistische Art, die wiederum so anders war als die von Bene, der deutlich selbstbezogener durch die Gegend ging und mit Menschen umsprang. Da machte er bei ihr keine Ausnahme.

      Wenn Katharina ehrlich zu sich war, dann war das Gefühl des Hingezogenseins zu Ben bis heute nicht ganz verschwunden, sie verbot es sich lediglich selbst. Er war ihr Chef und dann auch noch der Bruder ihres Lebensgefährten – eine tiefere Empfindung als Freundschaft war da einfach nicht angebracht. Basta. Deswegen wollte sie auch gar nicht daran denken, wie Ben möglicherweise zu ihr stand. Und das hatte sie bisher auch mehr oder minder erfolgreich geschafft – bis zu diesem Tag, an dem Bene ihr seine Vermutung präsentiert hatte. Seitdem fragte sie sich jedes Mal, ob mehr dahintersteckte, wenn Ben privat Zeit mit ihr verbringen wollte. Selbst, wenn es nur eine gemeinsame Mittagpause war. Das war ziemlich blöd, denn es hemmte sie, locker mit ihm umzugehen.

      Und jetzt hatte er eine gemeinsame Laufrunde vorgeschlagen. So ein Mist aber auch, denn Lust dazu hätte sie schon. Sie lief gern zu zweit. Na ja, sie konnte ja noch einmal darüber nachdenken, jetzt stieg Frauke erst einmal ein …

      Sie fuhren über die Amselbrücke, die über die Ilmenau und deren Auen nach Wilschenbruch führte und diesen Stadtteil vom Trubel der lebhaften Hansestadt trennte. Kurz darauf bogen sie auch schon in den Spechtsweg ein und hielten vor dem Grundstück, auf dem die skelettierte Hand entdeckt worden war. Eben hatte Vivien angerufen und nach der Adresse gefragt. Die Kollegin wollte diese haben, damit sie und Tobi schon einmal parallel recherchieren konnten. Was genau hatte Vivien nicht gesagt und Katharina fragte sich, was in diesem Stadium eine Recherche möglich machen sollte, aber sie würde sich überraschen lassen.

      Als Ben, Frauke und sie nun ausstiegen, trat ihnen ein uniformierter Kollege entgegen, der auf dem Fußweg vor dem Grundstück anscheinend bereits auf sie gewartet hatte. Der Polizist, den Katharina vom Sehen kannte, grüßte die beiden Frauen und wendete sich dann an Ben: »Kommissar Rehder? Polizeimeister Gehrcken. Sie wissen Bescheid?«

      »Nicht im Detail, aber wenn sie die gefundene Hand meinen, dann schon«, antwortete Ben, worauf der Polizeimeister beflissen fortfuhr: »Der Fundort ist da hinten am Ende des Gartens. Hinter dem zum Teil bereits abgetragenen Haupthaus. Wir haben ihn schon großzügig abgesperrt, und wie es scheint, ist auch noch nichts durch die durchgeführten Arbeiten … ähm … zerstört worden. Also die Hand, meine ich. Die sieht noch ziemlich intakt aus, wenn ich das mal so sagen darf.«

      »Ist die Spurensicherung informiert?«, fragte Benjamin Rehder.

      »Die Spurensicherung?«, fragte der noch recht jung aussehende Uniformierte zurück und lief dabei rot an, was ihn noch jünger erscheinen ließ. »Nein, die … ähm, mein Kollege und ich dachten, das ist nicht notwendig, weil das doch … also, weil das ein …«

      »… alter Knochen ist, der gefunden wurde?«, schaltete sich jetzt die Rechtsmedizinerin ein.

      »Ja, genau, darum haben wir nur die Rechtsmedizin informiert. Sind Sie Doktor Bostel?«, nickte Gehrcken.

      »Ja, bin ich. Moin. Die Spurensicherung muss dennoch kommen. Sie hätten Sie als Erste informieren müssen. So, wie immer«, erklärte Frauke Bostel. »Keiner weiß, wie schnell die Verwesung hier vonstattengegangen ist. Es kann ziemlich lange her sein, muss aber nicht. Das kommt ganz auf die Bodenbeschaffenheit an und wie tief Leichenteile vergraben wurden. Außerdem haben wir bisher nur eine Hand, wenn ich das richtig verstanden habe. Was ist, wenn daran nicht der ganze Leichnam hängt, sondern der vielleicht in der Gegend verteilt worden ist?« Sie machte eine ausladende Handbewegung, die das gesamte Grundstück umfasste. »Hinzu kommt …«

      »Ist ja schon gut«, unterbrach Katharina die Rechtsmedizinerin. Der junge Polizist tat ihr leid, er wirkte deutlich überfordert. »Ich denke, der Kollege hat verstanden und ruft jetzt mal schleunigst die Spusi.«

      »Ja«, brachte der Uniformierte eilig heraus, drehte sich weg und zückte dabei schon sein Handy.

      Die drei Kollegen setzten sich wieder in Gang, die Rechtsmedizinerin auf Krücken, und steuerten die mit Flatterband abgesperrte Fundstelle an.

      Dort empfing sie ein weiterer Uniformierter, der ähnlich jung wie sein Kollege war, eine Familie mit zwei kleinen Kindern, von denen eines weinte, drei Arbeiter und ein Mann mit langen schwarzen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren.

      Ben wies sich aus: »Kriminalhauptkommissar Rehder. Das sind meine Kolleginnen Kriminaloberkommissarin von Hagemann und unsere Rechtsmedizinerin Doktor Bostel.«

      »Ich bin Achim Brenner, ich leite hier die Abrissarbeiten. Meine Männer waren gerade dabei, den Schuppen abzutragen, als sie die Hand gefunden haben. Wir haben die Arbeiten sofort gestoppt und Sie informiert«, sagte der Mann mit dem Zopf.

      »Das war genau richtig so«, erwiderte Ben. »Ich möchte Sie alle bitten, vor Ort zu bleiben. Wir werden sicher gleich ein paar Fragen an Sie haben, doch vorher werden wir uns den Fundort einmal ansehen.«

      Kaum hatte Ben geendet, fuhr ein Bagger auf das Grundstück, der ordentlich dröhnte und neben einem Schutthügel beim Haupthaus zum Stehen kam. Dies veranlasste Ben zu sagen: »Bitte stellen Sie auch alle anderen Arbeiten vorerst ein.«

      »Aber …«, setzte Achim Brenner an, der scheinbar dagegen protestieren wollte, sich dann jedoch besann und sagte: »Ja, ich werde das gleich veranlassen. Können Sie mir denn in etwa sagen, wann wir hier weiterarbeiten können?«

      »Leider nein«, antwortete Ben und wandte sich der jungen Familie zu, die das Gespräch aufmerksam verfolgt hatte: »Sind Sie die Bauherren?«

      »Ja, das ist richtig.« Der Vater trat vor. »Max Reimann, guten Tag. Das sind meine Frau Lisa und meine beiden Kinder.«

      »Auch Sie muss ich bitten, uns zur Verfügung zu stehen. Ihre Frau sollte allerdings mit den Kindern besser nach Hause gehen, unsere Arbeiten sind in der Regel nichts für Kinderaugen«, sagte Ben.

      »Ja, natürlich«, nickte der junge Mann, und seine Frau nahm bereits die Kinder an die Hand, um den Platz zu verlassen. Reimann ging die zwei Schritte zu ihnen, gab seiner Frau einen Kuss und meinte: »Ich ruf dich an.« Auch sie nickte jetzt und machte sich daraufhin mit ihren beiden Kleinen auf in Richtung Straße.

      »Na, dann wollen wir mal«, ließ sich Frauke Bostel vernehmen und humpelte bereits auf das Flatterband zu. Mit einer ihrer Krücken hob sie es an und hüpfte dann auf einem Bein gekonnt drunter durch. Ben und Katharina, die Fraukes Arbeitstasche trug, folgten ihr. Vor einem Loch im ehemaligen Schuppen blieben die drei stehen und schauten hinein. Da sie bereits wussten, was sie erwartete, waren sie nicht überrascht, als sie nun die Knochen einer Hand aus der Erde herausragen sahen.

      »Ich komme mir vor wie in einem Horrorstreifen von Steven King«, meinte Katharina und ging in die Knie, um die Hand genauer zu betrachten.

      »Und gleich greifen die Klauen nach dir und ziehen dich in ihr Grab«, sagte Ben und verstellte dabei seine Stimme, sodass sie tief und rau klang.

      Frauke hingegen blieb sachlich