Lieblingsplätze Bern. Paul Ott

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Название Lieblingsplätze Bern
Автор произведения Paul Ott
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783839263822



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alt="331157.jpg"/> 11 Chronos und die Bärenparade

      Altstadt: Zytglogge

      Ist die Zeit eine verlässliche Größe, oder ist sie relativ? Diese Gedanken mögen Albert Einstein beherrscht haben, als er – ein Angestellter des Berner Patentamts – im Jahre 1905 unweit des Glockenturms an der Kramgasse 49 (Einstein-Museum) seine Spezielle Relativitätstheorie theoretisch untermauerte. Ob ihn dabei der tägliche Blick auf die astronomische Uhr des Zytglogge inspiriert hat, weiß man nicht.

      Wenn Trauben von Touristen jeweils zur vollen Stunde Hälse und Fotoapparate in die Höhe recken, weiß man als Berner: Es ist wieder Zeit für den spätmittelalterlichen Figurentanz. Im Innern des Turms würde man Räder und Stangen in einer metallenen Halterung aus dem Jahr 1530 sehen, würde ihr Klackern und Stoßen hören, bevor man von außen die Bewegungen an der Fassade wahrnimmt. Zuerst kräht der Hahn und plustert sich auf. Der Narr unter ihm läutet das Glöcklein, Chronos dreht die Sanduhr, die sieben Bären der städtischen Wachmannschaft bewegen sich im Kreis. Zuoberst auf dem Turm schlägt die vergoldete Figur des Hans von Thann mit dem Hammer die Stundenglocke. Und zuletzt kräht nochmals der Hahn.

      Ursprünglich war dies einfach ein hinten offener Wehrturm der ältesten Stadtmauer, erbaut wohl 1218, der als Gefängnis genutzt wurde. Nach dem verheerenden Brand von 1405 wurde der Turm wiederaufgebaut und später mit einer rückwärtigen Wand versehen. Dort hing schon zur Bauzeit ein Astrolabium, das heute noch – allerdings mit neueren Zifferblättern – Zeit, Wochentag, Datum, Tierkreiszeichen, Mondphase und Dämmerungsgrenze anzeigt. 1527–1530 baute der Berner Schlosser und Waffenschmied Kaspar Brunner das Uhrwerk, das heute noch seinen Dienst tut – allerdings nur, wenn der Zytglogge-Richter Abend für Abend die Gewichte hochzieht. Im 18. Jahrhundert blieb die Uhr für einige Jahre stehen. Es soll nicht wieder vorkommen. Denn die Turmuhr war schon immer die Hauptuhr der Stadt. Vom Zytglogge aus wurden Wegstunden gemessen, deshalb sind im Tordurchgang seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zur Kontrolle die bernischen Längenmaße angebracht.

      Bern Tourismus bietet regelmäßig Führungen durch das Innere des Zytgloggeturms an, wo man das originale Uhrwerk bewundern kann Über die Homepage kann man den Rundgang online buchen.

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      Zytglogge

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      3011 Bern

      Zytglogge-Führungen: Bern Welcome

      Tourist-Information im Bahnhof (Erdgeschoss, östlicher Ausgang bei der Bushaltestelle Perron H)

      Bahnhofplatz 10a

      3011 Bern

      031 328 12 12

       www.bern.com

       www.zytglogge-bern.ch

      Altstadt: Erkundung der unterirdischen Gewölbe

      Vieles, was eine Stadt lebendig hält, versteckt sich unter der Oberfläche. Auch das Unangenehme wird den Blicken entzogen. Das Dunkle und Düstere fasziniert. So finden sich unter den meisten Gebäuden der Altstadt Gewölbekeller, deren Bau weit in die Geschichte zurückreicht. Manche davon besitzen einen Treppenaufgang, der unter einer Kellertür vor den Lauben endet.

      Diese Gewölbe wurden früher als Lagerräume, als Geschäftslokale oder als Kneipen manchmal zweifelhaften Rufs genutzt. Die sogenannten »Schallenwerker«, Gefangene, mussten einst mit Handkarren in den Straßen den Abfall zusammenräumen. Da sie sich lieber in den unterirdischen Gaststätten aufhielten, nähte man Schellen an ihre Kleidung, damit der Wirt gleich wusste, dass er sie nicht mit Wein versorgen durfte. Heute kann man an verschiedenen Stellen in die Altstadtkeller hinuntersteigen.

      An der Marktgasse 19 fällt mir an einem Kellerzugang der Schriftzug »frisch von gestern« auf. Zum Sortiment der Äss-Bar gehören Backwaren vom Vortrag, zu ihrem Credo der Kampf gegen Food-Waste. Man findet aber auch im historischen Ambiente Snacks und lokale Spezialitäten. An der Oberen Postgasse 68 kurz nach dem Rathaus kann man durch einen schmalen Einlass in die Welt der mittelalterlichen Wasserversorgung steigen. Der dortige Lenbrunnen wurde um 1250 als Quellwasserfassung errichtet und ist der älteste erhaltene Brunnen Berns.

      Der Klötzlikeller an der Gerechtigkeitsgasse 62 gilt als älteste Weinstube, er besteht seit 1635. Heute ist er ein Restaurant, das auf bewährte Berner Küche in neuer Interpretation setzt (www.kloetzli­kel­­ler.ch). Und unter der Gerechtigkeitsgasse 15, wo die Junkerngasse kreuzt, findet sich eine geheimnisvolle Tür mit der Aufschrift: »Schweizerischer Seemannsclub, Gruppe Bern«. Kann sein, dass rauer Wellengang einen empfängt, wenn man die Pforte öffnet.

      Das Tiefbauamt der Stadt Bern bietet Führungen durch die Berner Unterwelt an. Neben den Abwasserkanälen aus dem 17. Jahrhundert und dem Pumpwerk Langmauer besichtigt man die Tropfsteinhöhle am Klösterlistutz.

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      Erkundung der Gewölbe

      Äss-Bar

      Marktgasse 19

      3011 Bern

      031 5582772

       www.aess-bar.ch

      Führungen Tiefbauamt der Stadt Bern

      Bundesgasse 38

      Postfach

      3001 Bern

      031 3216475

       www.tab-fuehrungen.ch

      Altstadt: Stadt- und Universitätsbibliothek

      An der Oberen Münstergasse findet man die Stadt- und Universitätsbibliothek und die im selben Gebäude beheimatete Burgerbibliothek. Dort lagert die Bongarsiana-Sammlung von Jacques Bongars (1554–1612), die rund 500 größtenteils mittelalterliche Handschriften umfasst, sowie eine der bedeutendsten Kartensammlungen weltweit, die von Johann Friedrich von Ryhiner (1732–1803) mit etwa 15.000 Karten aus aller Welt. Beide Sammlungen sind im Rahmen von Führungen zu besichtigen.

      Einen ersten Schritt in die europäische Literatur machte der Berner Schultheiss Thüring von Ringoltingen (um 1415–1483) mit seiner Melusine, der ersten deutschen Fassung der alten Sage von der Wasserfee, die einen Ritter heiratet, der sich schuldig macht und sie wieder an die Elemente verliert. Auch der Berner Maler Niklaus Manuel Deutsch (um 1484–1530) war literarisch tätig, hauptsächlich im Bereich des reformatorischen Schauspiels. Vor allem aber prägt Bern im ausgehenden Mittelalter eine bedeutende Chronistik, wohl im Wunsch nach historischer Größe in Auftrag gegebene Geschichtswerke wie die von Konrad Justinger (um 1370–1438) oder Diebold Schilling (1445–1486).

      Als nächsten in einer Reihe wichtiger Autoren ist Albrecht von Haller zu nennen (1708–1777), ein Universalgelehrter, ein begnadeter Sammler, Bibliograf und Briefschreiber (etwa 17.000 Briefe, die in der Burgerbibliothek aufbewahrt werden), in der literarischen Welt vor allem bekannt durch sein Monumentalgedicht Die Alpen (1729). Ein Jahrhundert später finden wir den Großmeister der Berner Literatur, von dem sich viele haben beeinflussen lassen: Jeremias Gotthelf (bürgerlich Albert Bitzius, 1797–1854). Während seines Wirkens als Landpfarrer in Lützelflüh beschreibt er in einem