Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Die Damen ritten vorbei, zierlich und schlank in ihren dunklen Tuchkleidern und hatten etwas Hochmütiges und Unnahbares im Ausdruck, wie es Reiterinnen oft haben.
Duroy erlaubte sich den Spaß und sagte halblaut die Namen, Titel und Eigenschaften der Liebhaber her, die sie gehabt hatten oder die man ihnen nachsagte, so wie man Litaneien in einer Kirche murmelt, bisweilen aber, anstatt zu sagen: »Baron de Tanquelet, Prinz de la Tour Enguerrand,« murmelte er: »Geschmack Lesbos; Louise Michot vom Vaudeville, Rose Marquetin von der Opéra.«
Dieses Spiel machte ihm viel Vergnügen; es tröstete ihn, erheiterte ihn und reizte ihn auf, unter dem Anschein ernster und würdiger Tugend die tief unausrottbare Gemeinheit der Menschheit zu entdecken.
Dann sagte er ganz laut: »Heuchlerbande!« Und seine Blicke suchten diejenigen Reiter heraus, über die die schlimmsten Geschichten im Umlauf waren.
Er sah viele, die man als Falschspieler in Verdacht hatte, für die die Klubs jedenfalls eine große und einzige Geldquelle, und sicherlich auch eine verdächtige Geldquelle waren.
Andere ganz berühmte Persönlichkeiten lebten ausschließlich von dem Vermögen ihrer Frauen, andere, wie man behauptete, von dem Gelde ihrer Geliebten. Viele hatten ihre Schulden bezahlt (eine höchst ehrenhafte Handlung), ohne dass man je eine Ahnung hätte, woher sie das nötige Geld aufgetrieben hatten (ein recht verdächtiges Geheimnis). Er sah Finanzmänner, deren gewaltige Vermögen von einem Diebstahl herrührten, Leute, die überall empfangen wurden, selbst in den vornehmsten Häusern. Er sah Herren, die so geachtet waren, dass die kleinen Leute ehrfurchtsvoll den Hut abzogen, wenn sie vorbei kamen, trotzdem ihre schamlosen Betrügereien in öffentlichen Unternehmungen für keinen, der hinter die Kulissen der großen Welt einen Einblick hatte, ein Geheimnis waren. Hochmütig und stolz ritten sie daher und blickten keck und unverschämt in die Welt hinein. Duroy lachte immer noch und wiederholte: »Das ist ein richtiges Gaunerpack! Schwindler!«
Da kam in schnellem Trabe ein reizender, offener, niedriger Wagen vorbei, vor den zwei Schimmelponys mit flatterndem Schweif und Mähne gespannt waren. Eine zierliche, junge Blondine kutschierte; es war eine bekannte Kurtisane; hinter ihr saßen zwei Grooms. Duroy blieb stehen; er hatte Lust, ihr einen zustimmenden Liebesgruß zuzuwinken, ihr Beifall zu klatschen, dieser Freibeuterin der Liebe, die auf dieser Spazierfahrt und zu dieser Stunde mitten unter all diesen aristokratischen Heuchlern ihren frechen Luxus, den sie auf ihrem Lager verdiente, zur Schau zu stellen wagte. Er fühlte wohl unklar, dass es etwas Gemeinsames zwischen ihnen gäbe, dass ein natürliches Band sie verknüpfe, dass sie von derselben Natur und Denkart wären und dass sein Erfolg ebenso auffallend sich gestalten würde.
Er kehrte langsam zurück; sein Herz war von innerlicher Befriedigung erwärmt, und er kam etwas vor der festgesetzten Zeit an die Tür seiner früheren Geliebten.
Sie empfing ihn mit hingehaltenen Lippen, als ob es niemals ein Zerwürfnis zwischen ihnen gegeben habe, und sie vergaß sogar auf einige Augenblicke die kluge Vorsicht, die sie sonst in ihrer Wohnung allen seinen Zärtlichkeiten entgegenzusetzen pflegte. Dann sagte sie ihm, indem sie die gedrehten Enden seines Schnurrbarts küsste:
»Du weißt noch gar nicht, mein Liebling, welchen Verdruss ich wieder habe. Ich freute mich schon auf einen wundervollen Honigmonat mit dir, und nun kommt plötzlich mein Mann für sechs Wochen zurück. Er hat Urlaub genommen. Ich kann aber nicht sechs Wochen leben, ohne dich zu sehen, besonders nach unserem kleinen Zwist, und ich habe deshalb die Dinge so arrangiert: Ich lade dich Montag zum Essen ein. Ich habe ihm schon von dir erzählt und werde dich ihm vorstellen.«
Duroy war etwas überrascht und zauderte; er hatte noch nie mit einem Mann verkehrt, dessen Frau seine Geliebte war. Er fürchtete, irgendetwas, eine gewisse Verlegenheit, ein Blick könnte ihn verraten. Er stammelte:
»Nein, ich möchte lieber deinen Mann nicht kennenlernen.«
Sie war sehr erstaunt und tat ihre naiven Augen weit auf, doch sie bestand darauf.
»Warum denn nicht? Wie kann man bloß so komisch sein? Das kommt doch alle Tage vor! Ich hatte dich wirklich nicht für so einfältig gehalten.«
Ihre Worte verletzten ihn.
»Nun gut, meinetwegen,« sagte er, »ich komme Montag zum Essen.«
Sie setzte hinzu:
»Damit es natürlicher aussieht, werde ich noch Forestier einladen. Eigentlich macht es mir wenig Spaß, Gäste bei mir zu haben.«
Die Tage bis zum Montag dachte Duroy nicht mehr an die bevorstehende Bekanntschaft; aber als er die Treppe zu Madame de Marelle hinaufging, fühlte er sich seltsam beunruhigt, nicht weil es ihm widerstrebte, die Hand dieses Mannes zu drücken, oder seine Gastfreundschaft anzunehmen, sondern er fürchtete etwas, worüber er nicht klar war.
Er wurde in den Salon geführt und er musste, wie immer, warten. Dann öffnete sich die Tür und er erblickte einen großen Mann mit weißem Vollbart, ernst und sehr korrekt, der auf ihn zukam, und mit peinlicher Höflichkeit sagte:
»Meine Frau hat öfters von Ihnen gesprochen, und ich bin entzückt, Sie kennenzulernen.«
Duroy schritt ihm entgegen, versuchte seinem Gesicht einen Ausdruck von Herzlichkeit zu geben und drückte etwas übertrieben energisch die Hand seines Gastgebers. Dann setzten sie sich, aber er wusste nicht, wie er die Unterhaltung beginnen sollte.
Herr de Marelle legte ein Stück Holz ins Feuer und fragte:
»Sind Sie schon lange im Journalismus tätig?«
»Nein, erst ein paar Monate«, antwortete Duroy.
»Dann sind Sie aber schnell vorwärts gekommen.«
»Ja, ziemlich schnell.« Und er sprach weiter, was ihm gerade durch den Kopf fuhr, mit allen nichtssagenden Redensarten, die man so oft unter wenig bekannten Leuten anwendet. Er beruhigte sich allmählich und begann, die ganze Situation sehr komisch zu finden. Er betrachtete die ernsthafte und ehrwürdige Gestalt von Herrn de Marelle, und auf seinen Lippen zuckte ein Lächeln, wenn er sich sagte: »Du, ich setze dir Hörner auf, mein Alter, ich setze dir Hörner auf!« Ihn erfüllte eine schadenfrohe, innere Genugtuung, die Befriedigung eines erfolgreichen Diebes, auf den man keinen Verdacht hat, eine spitzbübische, köstliche Freude. Plötzlich hatte er das Verlangen, ein