Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Er war achtundsechzig Jahre alt, von kleiner Statur, mager, etwas gebeugt, und hatte große Hände wie Krebsscheren. Sein Haar war gebleicht, spärlich und zart wie der Flaum einer jungen Ente; überall ließ es die Kopfhaut durchschimmern. An der braunen, runzeligen Haut des Halses quollen dicke Adern hervor, die unter dem Kinn verschwanden und an den Schläfen wieder zu Tage traten.
Man stellte ihn zwischen vier Soldaten und an den herausgezogenen Küchentisch setzten sich fünf Offiziere sowie der Oberst ihm gegenüber.
Dieser ergriff das Wort auf Französisch.
– Vater Milon, sagte er, seit wir hier sind, haben wir uns über Euch nie zu beklagen gehabt. Ihr seid immer gefällig und sogar aufmerksam gegen uns gewesen. Aber heute lastet eine furchtbare Anklage auf Euch, und die Sache bedarf der Aufklärung. Woher habt Ihr die Wunde, die Ihr da im Gesicht tragt?
Der Bauer antwortete nicht.
– Euer Schweigen verdammt Euch selbst, Vater Milon, fuhr der Oberst fort. Aber ich wünsche, dass Ihr antwortet, versteht Ihr mich. Wisst Ihr, wer die beiden Ulanen getötet hat, die heute Morgen am Kruzifix gefunden wurden?
Der Alte sagte laut und deutlich:
– Das bin ich gewesen.
Der Oberst war betroffen. Er schwieg eine Sekunde und blickte den Gefangenen scharf an. Vater Milon stand ungerührt in seiner schwerfälligen Bauernart und senkte die Augen, als ob er vor seinem Beichtiger stände. Nur eines verriet vielleicht seine innere Bewegung: er schluckte fortwährend mit sichtlicher Anstrengung, als ob ihm die Kehle zugeschnürt wäre.
Seine Familie, d. h. sein Sohn Jean, seine Schwiegertochter und die zwei Kleinen, standen zehn Schritt dahinter, verstört und in ängstlicher Spannung.
Der Oberst fuhr fort.
– Wisst Ihr auch, wer alle Meldereiter unserer Armee umgebracht hat, die seit einem Monat jeden Morgen auf den Feldern gefunden wurden?
Und mit derselben brutalen Gleichgültigkeit antwortete der Alte:
– Das bin ich gewesen.
– Ihr? Ihr habt sie umgebracht?
– Freilich, ich bin es gewesen.
– Ihr allein?
– Ich allein.
– Sagt mir doch, wie habt Ihr das angestellt?
Diesmal schien der Mann bewegt. Der Zwang, lange reden zu müssen, belästigte ihn sichtlich.
Ich… ich weiß nicht. Ich hab’ das getan, wie sich ’s grade machte.
– Ich mache Euch darauf aufmerksam, fuhr der Oberst fort, dass Ihr nichts zu verschweigen habt. Ihr werdet also gut tun, Euch auf der Stelle zu entschließen. Wie habt Ihr sie umgebracht?
Der Bauer warf einen unruhigen Blick auf seine Angehörigen, die hinter ihm horchten, schien noch einen Augenblick zu zaudern und entschloss sich dann plötzlich, zu reden.
– Ich kam eines Abends heim, sagte er. Es war um zehn Uhr, den Tag darauf, wo Sie hergekommen waren. Sie und Ihre Soldaten hatten mir mehr als für fünfzig Taler Futter und eine Kuh und zwei Hammel fortgenommen. Ich habe mir gleich gesagt: So viel mal sie mir zwanzig Taler nehmen, so viel will ich ihnen heimzahlen. Und dann hatte ich noch andere Sachen auf dem Herzen, die will ich Ihnen nachher sagen. Ich sehe da also einen von Ihren Reitern, der sitzt auf meinem Grabenrand und raucht seine Pfeife hinter meiner Scheuer. Ich gehe und nehme meine Sense herunter und schleiche mich ganz sachte von hinten an ihm ’ran, dass er nur ja nichts merkt. Und mit einem Schlage hau’ ich ihm den Kopf ab, wie einen Halm, dass er nicht mal mehr »Uff!« sagte. Sie brauchen nur im Moor nachsehen lassen, da werden Sie ihn in einem Kohlensack finden, mit ’nem Feldstein drangebunden.
Ich hatte so meinen Gedanken dabei; ich nahm alle seine Sachen samt den Stiefeln und der Mütze mit und versteckte sie in der Kalkbrennerei am Martinswald hinter dem Hofe.
Der Alte schwieg. Die Offiziere blickten sich sprachlos an. Das Verhör begann von Neuem und hatte folgendes Ergebnis.
*
Sobald er den Mord vollbracht hatte, hatte er nur noch den einen Gedanken: »Tod den Preußen!« Er hasste sie mit heimtückischem, erbittertem Hass, sowohl als beeinträchtigter Bauer wie als guter Patriot. Er hatte so seinen Gedanken, wie er sagte, und wartete ein paar Tage ab.
Man ließ ihn tun und lassen, was er wollte, und aus- und eingehen, wie er wollte, so demütig, unterwürfig und gefällig hatte er sich gegen die Sieger benommen. So sah er jeden Abend die Patrouillen abreiten und merkte sich die Namen der Orte, wohin sie reiten sollten. Des Nachts ging er dann hinaus, nachdem er im Verkehr mit den Soldaten die paar deutschen Brocken gelernt hatte, die er brauchte.
Er verließ den Hof, schlich in den Wald und erreichte die Kalkbrennerei, schlüpfte bis an’s Ende des langen Ganges und zog sich die Kleider des Toten an, die auf der Erde lagen.
Dann begann er querfeldein zu streifen, kroch in den Geländefalten entlang, um nicht gesehen zu werden, und lauschte, unruhig wie ein Wilddieb, auf das leiseste Geräusch.
Als er glaubte, dass die Zeit gekommen wäre, zog er sich an die Straße heran, versteckte sich da in einem Strauche und wartete. Endlich, um Mitternacht, hörte er den Galopp eines Pferdes auf der harten Straßendecke. Er legte das Ohr auf den Boden, um sich zu vergewissern, ob auch nur ein einziger Reiter käme; dann hielt er sich bereit.
Der Ulan kam im schlanken Trabe daher; er brachte Meldungen zurück. Er hielt das Auge wach und das Ohr gespannt. Als er bis auf zehn Schritte heran war, schleppte sich Vater Milon über die Straße hin und schrie plötzlich »Hilfe! Hilfe!« Der Reiter machte Halt, erkannte einen Reiter ohne Pferd, und hielt ihn für verwundet. Als er nichtsahnend näher kam und sich über den Unbekannten beugte, stach ihm dieser mit dem krummen Säbel mitten in den Leib, sodass er ohne Todeskampf aus dem Sattel sank; nur ein letztes Zucken lief durch seinen Körper.
Da erhob sich der alte Bauer stumm und freudestrahlend und schnitt dem Leichnam zum Spaß noch die Kehle durch. Dann zog er ihn nach dem Graben und warf ihn hinein.
Das Pferd wartete ruhig auf seinen Herrn; Vater Milon setzte sich in den Sattel und galoppierte davon.
Nach etwa einer Stunde erblickte er noch zwei Ulanen, die Schenkel an Schenkel ins Quartier ritten. Er galoppierte stracks auf sie zu und schrie wieder: »Hilfe! Hilfe!« Die Preußen ließen ihn, da sie die Uniform erkannten, ohne irgendwelches Misstrauen herankommen. Der Alte platzte