Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

Читать онлайн.
Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962817695



Скачать книгу

Lass Dich lieb ha­ben, Schatz, Du sollst se­hen, ich bin sehr brav.«

      »Sie sind an die falsche Adres­se ge­kom­men, Ma­da­me!« sag­te er.

      »Ach, sei doch kein Tor, hör’ nur …« sag­te sie, einen Arm un­ter den sei­ni­gen schie­bend.

      Er war auf­ge­stan­den und ging ent­rüs­tet fort.

      Hun­dert Schrit­te wei­ter nä­her­te sich ein zwei­tes We­sen:

      »Willst Du Dich nicht einen Au­gen­blick zu mir set­zen, mein süs­ser Schatz?«

      »Wa­rum trei­ben Sie die­ses Ge­schäft da?« frag­te er.

      Sie stell­te sich breit vor ihm hin und sag­te är­ger­lich mit ganz ver­än­der­ter rau­er Stim­me:

      »Zu mei­nem Ver­gnü­gen wahr­haf­tig’ nicht.«

      »Nun, was zwingt Sie denn?« frag­te er mit sanf­ter Stim­me wei­ter.

      »Man muss doch le­ben; so eine Dumm­heit« groll­te sie. Und träl­lernd ging sie wei­ter.

      Ganz ver­stimmt blieb Herr Leras sit­zen. An­de­re Mäd­chen ka­men vor­über, spra­chen ihn an und lu­den ihn ein.

      Es war ihm, als ob ir­gen­det­was Schwar­zes, Schreck­li­ches sein Auge ver­dunkle.

      Er setz­te sich auf eine an­de­re Bank; die Wa­gen fuh­ren im­mer noch vor­über.

      »Ich wäre bes­ser nicht hier­her­ge­kom­men«, dach­te er bei sich; »da habe ich nun die Be­sche­rung; es ist zu är­ger­lich.«

      Un­will­kür­lich muss­te er an all’ die käuf­li­che oder lei­den­schaft­li­che Lie­be, an all’ die frei­wil­li­gen oder be­zahl­ten Küs­se den­ken, die heu­te sein Auge ge­se­hen hat­te.

      Er kann­te die Lie­be nicht. Er hat­te in sei­nem Le­ben viel­leicht zwei oder drei­mal ganz zu­fäl­lig, mehr dem ers­ten Im­pul­se fol­gend, mit Wei­bern ver­kehrt, da sei­ne Mit­tel ihm kei­ne Sei­ten­sprün­ge er­laub­ten. Er dach­te, wie das Le­ben, das er führ­te, so ganz ver­schie­den war von dem al­ler an­de­ren, so fins­ter, so trau­rig, so öde und leer.

      Es gibt We­sen, de­nen nie­mals das Glück be­schie­den ist. So auch Herrn Leras. Ganz plötz­lich, als sei ein dich­ter Schlei­er vor ihm ent­hüllt, wur­de er sich über sei­ne elen­de Lage klar; er wuss­te, dass die­ses ein­för­mi­ge Elend sei­nes Da­seins nie en­den wür­de. Für ihn gab es in der Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft nur Elend; die letz­ten Tage gli­chen aufs Haar den ers­ten, vor ihm lag nichts und hin­ter ihm nichts, we­der äus­ser­lich noch in sei­nem In­nern. Al­les war eine gäh­nen­de öde Lee­re.

      Die Wa­gen fuh­ren noch im­mer vor­über; noch im­mer sah er für einen Au­gen­blick bei dem schnel­len Vor­über­hu­schen der of­fe­nen Fia­ker die schweig­sa­men zärt­li­chen Paa­re. Es war ihm, als ob die gan­ze Mensch­heit glück- und freu­de­strah­lend hier an ihm vor­über­zö­ge. Und er war al­lein, um das hier an­zu­se­hen, nie­mand war bei ihm; er war ganz al­lein. Und mor­gen, über­mor­gen, alle Tage wür­de er al­lein sein, wie nur ein Mensch al­lein sein kann.

      Er stand auf, ging ei­ni­ge Schrit­te wei­ter und, plötz­lich von ei­ner Mat­tig­keit, wie nach ei­ner lan­gen Rei­se, über­fal­len, ließ er sich auf der nächs­ten Bank nie­der.

      Was hat­te er noch zu er­war­ten? Worauf zu hof­fen? Auf nichts!

      Er dach­te, wie hübsch es sein müs­se, wenn man, äl­ter wer­dend, bei der Rück­kehr ins Haus eine mun­te­re Kin­der­schar fin­det. Alt wer­den ist schön, wenn einen We­sen um­ge­ben, die uns das Le­ben ver­dan­ken, die uns lie­bend um­schmei­cheln, die uns zärt­li­che und herz­li­che Wor­te sa­gen, die uns auf­mun­tern und trös­ten.

      Und wenn er dann an sein ei­ge­nes ödes und trau­ri­ges Zim­mer dach­te, wo aus­ser ihm nie je­mand her­ein­kam, dann be­schlich ihn ein Ge­fühl des Ekels; es er­schi­en ihm fast noch trau­ri­ger, als sein klei­nes Büro. Nie sah er je­mand, nie fast sprach er mit je­mand. Sein Zim­mer war stumm wie ein Grab, ohne das Echo ei­ner mensch­li­chen Stim­me. Man möch­te den­ken, dass die Wän­de et­was von den Zim­mer­be­woh­nern an­neh­men, dass man an ers­te­ren er­ken­nen kann, wie sie sich be­neh­men, wie sie aus­se­hen, was sie spre­chen. Die von glück­li­chen Leu­ten be­wohn­ten Häu­ser ha­ben et­was viel Freund­li­che­res als die Woh­nun­gen der Un­glück­li­chen. Sein Zim­mer war wie sein Le­ben, leer an Erin­ne­run­gen. Und der Ge­dan­ke, ganz al­lein in die­ses Zim­mer zu­rück­keh­ren, sich ganz al­lein zu Bett le­gen, ganz al­lein sei­ne täg­li­chen Be­sor­gun­gen ma­chen zu müs­sen, mach­te ihn ganz ver­zwei­felt. Und als wol­le er den An­blick die­ses fins­te­ren Rau­mes und sei­nen Ein­tritt in den­sel­ben mög­lichst her­aus­schie­ben, er­hob er sich, bog in die ers­te Al­lee des Bois ein und schlüpf­te plötz­lich in ein Ge­büsch, um sich dort ins Gras zu set­zen.

      Um sich, über sich, über­all hör­te er ein wir­res, lau­tes, fort­wäh­ren­des Geräusch, das aus un­zäh­li­gen ver­schie­de­nen klei­nen Geräuschen zu be­ste­hen schi­en, bald nä­her, bald fer­ner klin­gend, eine un­be­stimm­te rie­sen­haf­te Le­bens­zu­ckung: Es war das At­men der Stadt Pa­ris, die wie ein Rie­se schnauf­te.

      *

      Die Son­ne stand schon hoch am Him­mel und sand­te ihre Strah­len auf das Bois de Bou­lo­gne. Schon be­gan­nen die Wa­gen um­her­zu­fah­ren und die Rei­ter ihre Pfer­de zu tum­meln.

      Ein Pär­chen bog zu Fuss in eine ein­sa­me Al­lee ein. Plötz­lich be­merk­te das weib­li­che We­sen, als es die Au­gen auf­schlug, et­was Brau­nes im Ge­büsch. Un­ru­hig und er­staunt deu­te­te es mit der Hand da­hin und sag­te:

      »Sieh ’mal … was ist das?«

      Dann sank es mit ei­nem lau­ten Schrei ih­rem Beglei­ter in die Arme, der sie vor­sich­tig auf die Erde setz­te.

      Die her­bei­ge­ru­fe­nen Wäch­ter hat­ten bald einen al­ten Mann los­ge­schnit­ten, der sich an sei­nen Ho­sen­trä­gern auf­ge­hängt hat­te.

      Man stell­te fest, dass der Tod schon in der Nacht vor­her er­folgt sein müs­se. Aus den vor­ge­fun­de­nen Pa­pie­ren er­gab sich, dass es der Buch­hal­ter bei La­bu­ze & Co., Na­mens Leras, war.

      Man schob den Selbst­mord auf eine un­be­kann­te Ur­sa­che. Vi­el­leicht war es ein plötz­li­cher Wahn­sinns-An­fall?

Zwei Brüder

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек,