Название | Guy de Maupassant – Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Guy de Maupassant |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962817695 |
Er stampfte wütend mit den Füßen:
»Ah, nun genug! Ich kann dich keine Minute sehen, ohne diese ewige Litanei mit anzuhören. Das klingt ja so, als ob ich dich mit zwölf Jahren verführt hätte und du unschuldig wärest wie ein Engel. Nein, Liebste! Stellen wir mal die Tatsachen fest. Es war keine Verführung von Minderjährigen. Du hast dich mir hingegeben in vollständig verstandesreifem Alter. Ich bin dir dafür sehr dankbar, aber ich fühle mich gar nicht verpflichtet, bis zum Tode an deinen Rock gebunden zu sein. Du hast einen Mann, ich eine Frau. Wir sind beide nicht frei. Wir sind einer Laune gefolgt, ohne uns gegenseitig gut zu kennen und nun ist es aus.«
»Oh, wie du grausam bist,« sagte sie, »wie bist du roh, wie bist du infam! Nein! Ich war kein junges Mädchen mehr, doch ich habe nie geliebt, nie …«
Er schnitt ihr das Wort ab:
»Du hast es mir schon zwanzigmal wiederholt. Ich weiß es. Doch du hattest zwei Kinder… Ich habe dir also nicht die Unschuld geraubt.«
Mit einem Ruck fuhr sie zurück:
»O Georges, wie unwürdig!«
Sie presste ihre beiden Hände gegen die Brust und begann zu weinen und zu schluchzen. Als er die Tränen fließen sah, ergriff er seinen Hut, der auf der Ecke des Kamins lag:
»Ach, du willst weinen! Dann guten Abend. Du hast mich also nur für dieses Theater herbestellt?«
Sie tat einen Schritt vorwärts, um ihm den Weg abzuschneiden. Sie zog schnell ein Taschentuch heraus und wischte sich mit heftiger Bewegung die Tränen ab. Sie spannte ihren Willen an und sprach mit festerer Stimme, unterbrochen von kurzem, schmerzlichem Aufschluchzen:
»Nein, ich kam, um dir… um dir eine Neuigkeit mitzuteilen … eine politische Neuigkeit … um dir die Möglichkeit zu geben, 50000 Francs schnell zu verdienen … vielleicht sogar mehr.«
Er fragte plötzlich besänftigt:
»Wieso? Was willst du damit sagen?«
»Ich habe gestern Abend zufällig einer Unterredung zwischen Laroche-Mathieu und meinem Mann beigewohnt. Übrigens schienen sie sich vor mir nicht besonders geniert zu haben. Doch Walter empfahl dem Minister, dich nicht einzuweihen, da du womöglich alles veröffentlichen würdest.«
Du Roy legte seinen Hut auf einen Stuhl und wartete jetzt sehr gespannt.
»Also worum handelt es sich?«
»Sie wollen sich Marokkos bemächtigen!«
»Ach was, ich habe mit Laroche gefrühstückt und er hat mir die Pläne der Regierung auseinandergesetzt.«
»Nein, mein Liebling, es ist Schwindel, sie haben dich betrogen, weil sie fürchten, dass man ihre Pläne durchschaut.«
»Setz’ dich«, sagte Georges.
Und er setzte sich selbst in einen Lehnstuhl. Sie aber zog ein niedriges Taburett heran und ließ sich zwischen den Beinen des jungen Mannes nieder. Sie fuhr mit schmeichelnder Stimme fort:
»Da ich stets an dich denke, gebe ich auf alles, was man um mich herum flüstert, acht.«
Dann begann sie ihm langsam zu erklären, wie sie gemerkt hatte, dass seit einiger Zeit ohne sein Mitwissen etwas vorbereitet würde und dass man sich seiner bedienen wollte, obwohl man seine Beteiligung am Geschäft fürchtete und ihn nicht verdienen lassen wollte.
Sie sprach:
»Weißt du, wenn man liebt, wird man hinterlistig.« Kurz, gestern hatte sie alles begriffen. Es handelte sich um ein richtiges Geschäft, das im Stillen vorbereitet wurde. Sie lächelte und freute sich über ihre Schlauheit und Gewandtheit. Sie wurde aufgeregt, sie sprach als Gattin eines Finanziers, die an Börsencoups gewöhnt war, an das Schwanken der Worte, an den jähen Wechsel zwischen Hausse und Baisse, der binnen zwei Stunden Börsenspekulation Tausende von kleinen Bürgern ruiniert und ihrer letzten, in Fonds angelegten Ersparnisse beraubt, die von geachteten Finanzleuten und Politikern garantiert sind.
Sie wiederholte:
»Oh, es ist etwas Großartiges, was sie da im Schilde führen. Es ist etwas sehr Großes. Übrigens hat Walter das alles eingeleitet; er versteht das. Es ist ein Bombengeschäft.«
Er wurde ungeduldig über die lange Vorrede:
»Los, weiter! Sag’ schnell!«
»Also höre zu. Die Tangerexpedition war zwischen ihnen beschlossen, schon seit dem Tage, wo Laroche das Portefeuille des Auswärtigen übernommen hatte; nach und nach haben sie die marokkanischen Anleihen aufgekauft, die auf 65 bis 64 gefallen waren. Sie haben es sehr geschickt aufgekauft, durch Vermittlung unverdächtiger und kleiner Agenten, die auf der Börse nicht weiter aufgefallen waren. Sie haben selbst die Rothschilds getäuscht, die sich über die Nachfrage nach Marokkanern sehr wunderten. Aber man nannte ihnen die Namen der Zwischenhändler, alles unbedeutende, zweitklassige, meist gescheiterte Firmen. Das hat die Großbank beruhigt. Und nun wird man die Expedition unternehmen, und sobald wir da unten Fuß gefasst haben, garantiert der französische Staat die Schulden. Unsere Freunde nehmen dann einen Gewinn von fünfzig bis sechzig Millionen Francs mit. Du begreifst nun, warum man vor aller Welt die geringste Indiskretion fürchtet.«
Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Weste und legte die Arme auf seine Knie; sie schmiegte sich an ihn, denn sie wusste, jetzt hatte sie sein Interesse geweckt. Für eine Liebkosung, für ein Lächeln, war sie nun bereit, alles zu tun, alles zu begehen.
»Bist du auch ganz sicher?« fragte er.
»Oh, ich weiß es ganz genau«, erwiderte sie zuversichtlich.
Er erklärte darauf:
»Es ist wirklich großartig. Was aber diesen Lump Laroche angeht, den will ich am Kragen nehmen. Oh, dieser Gauner! Er soll sich in acht nehmen … er soll sich in acht nehmen! … Er soll mir nur mit seinem Ministergetue zwischen die Finger kommen!«
Dann dachte er nach und murmelte:
»Man müsste davon auch etwas profitieren.«
»Du kannst noch die Anleihe kaufen,« sagte sie, »sie steht nur auf 72.«
»Ich habe aber kein Geld flüssig«, erwiderte er.
Sie sah flehend zu ihm auf:
»Ich habe schon daran gedacht, mein Kätzchen; wenn du zu mir sehr nett wärest, wenn du mich ein bisschen