Plautus in der Frühen Neuzeit. Группа авторов

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Название Plautus in der Frühen Neuzeit
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия NeoLatina
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783823302162



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einzige in 1, 1 nicht geprüfte Kennzeichen wird im Supplement zum kraftvollen Schlußeffekt, die Prüfung der Narbe findet hier statt, aber natürlich auch sie ohne Ergebnis: Bl. Supreme Iuppiter, quid intueor? Utrique in musculo / Dextro, eodem in loco, signo eodem apparet probe, / Ut primum coivit, cicatrix rufula, sublivida. / Iacent rationes, silet iudicium, quid dicam nescio (*184–187).

      Übertragen ist also aus 1, 1, nach Handgemenge der Doppelgänger, der Dreischritt: 1.) zwei Fragenkomplexe, die auf Geheimwissen zielen, das anderen nicht bekannt sein kann, 2.) Tatenbericht als Selbstbehauptung, 3.) unveränderliche körperliche Merkmale (die Reihenfolge gegenüber Amph.Amphitruo 403–446 ist somit leicht verändert). Eine solche Übertragung geschieht ja gewiß nicht von selbst, unser Ergänzer muß die grundsätzlich vorgegebene Parallelität erkannt und als Konstruktionsprinzip bewußt seiner Ergänzung zugrunde gelegt haben.

      Dieses Verfahren ist keineswegs unausweichlich. Pandolfo CollenuccioCollenuccio, Pandolfo, ein Zeitgenosse unseres Ergänzers, hat in seiner italienischen Fassung des AmphitruoAmphitruo gleichfalls die verlorenen Szenen des Stückes rekonstruiert.8 Mehrere Elemente, die der Ergänzer aus den Parallelszenen aufgegriffen und in neuer Wendung zur Geltung gebracht hat, werden bei Collenuccio aber nicht herangezogen. Um nur den markantesten Fall zu nennen: In Szene 4, 3 kommt es bei Collenuccio nicht zur Schlägerei zwischen echtem und falschem AmphitruoAmphitruo, und das, obwohl diese bei Plautus Amph.Amphitruo 953 angekündigt wird – also geringe philologische Aufmerksamkeit Collenuccios –, es kommt auch nicht zu Fragen Blepharos an beide Doppelgänger, die die wahre Identität klären sollen, und schließlich ebenso wenig zur Prüfung des unveränderlichen Kennzeichens, der Narbe am Arm.

      Das AmphitruoAmphitruo-Supplement hingegen scheint mir ein wichtiges Beispiel für die häufiger zu beobachtende Erscheinung zu sein: Ein Dichter kommt oft nicht umhin, sich für sein eigenes Werk mit den Schöpfungen anderer Dichter auseinanderzusetzen, und das heißt, sie zu interpretieren. Er leistet also eine philologische Arbeit. Er tut dies aber nicht in eigentlich philologischer Form, denn das Ergebnis seiner Interpretation ist nicht ein Kommentar oder eine Literaturgeschichte, sondern seine Interpretation geht implizit in sein eigenes Werk ein. Es liegt übrigens auf der Hand, daß der Zunftgenosse, mindestens für bestimmte Fragen, ein wesentlich schärferes Auge hat als ein Philologe, der aus eigener Erfahrung und Praxis zumeist vom Dichten nichts versteht. Auch ein so entstandenes dichterisches Werk muß dann aber natürlich wieder von Philologen interpretiert werden. Die nicht explizierte proto-philologische Erkenntnis ist erst wieder herauszupräparieren. Dies wollte ich am AmphitruoAmphitruo-Supplement vorführen.9

      Literaturverzeichnis

      Braun, Ludwig: Scenae Suppositiciae oder Der falsche Plautus, Göttingen 1980 (Hypomnemata, Bd. 64).

      Braun, Ludwig: Keine griechischen Originale für Amphitruo und Menaechmi?, Würzburger Jahrbücher 17, 1991, 193–215.

      Collenuccio, Pandolfo: Comedia di Plauto (Amfitrione), Venedig 1530.

      Hoffmann, Emanuel: De Plautinae Amphitruonis exemplari et fragmentis, Diss. Breslau 1848.

      Pittaluga, Stefano: Pandolfo Collenuccio e la sua traduzione dell’‟Amphitruo” di Plauto, Res Publica Litterarum 6, 1983, 275–290.

      Reinhardt, Udo: Amphitryon und Amphitruo, in: Udo Reinhardt / Klaus Sallmann (Hgg.), Musa Iocosa, FS Andreas Thierfelder, Hildesheim / New York 1974, 95–130.

      Steidle, Wolf: Plautus’ Amphitruo und sein griechisches Original, Rheinisches Museum für Philologie 122, 1979, 34–48.

      Ad imitatione delli antiqui

      Philologie und Theater in den Plautinischen Studien des Tommaso “Fedra” Inghirami

      Domenico Giordani (Oxford)

      Inghirami, TommasoIm Gegensatz zum mittelalterlichen Theater nimmt das humanistische Theater zum ersten Mal ein historisches Bewusstsein gegenüber der klassischen Welt an, das auf halbem Weg zwischen dem kritischen Blick des Gelehrten und der Erkenntnis eines unheilbaren Verlustes liegt. In der Einleitung zu einem Band, in dem es um die römischen Feiern von 1513 geht, sagte Fabrizio Cruciani, der wichtigste Aspekt dieser Haltung sei «il tentativo, quantitativamente trascurabile ma qualitativamente privilegiato, di recupero e di restituzione del teatro classico»,1 ein Versuch, der immer von theoretischer Reflexion und philologischer Aktivität begleitet wurde.

      Der Wunsch, den Seiten der Manuskripte einen Lebenshauch zu verleihen, die seit Jahrhunderten nur in ihrer Schriftlichkeit wahrgenommen und teilweise erst kürzlich entdeckt worden waren, wie im Fall der zwölf Komödien von Plautus (1429) und der Komödien von TerenzTerenz mit dem Kommentar von DonatDonat (1433), kennzeichnet von Anfang an die Tätigkeit der sogenannten römischen Akademie, einer Gemeinschaft von Schriftstellern, die sich um Pomponio LetoLeto, Pomponio während seiner Lehrjahre am Studium Urbis versammelt hat. Über die Akademie und ihre Mitglieder ist viel geschrieben worden, und es ist nicht meine Absicht, die Geschichte dieser Gemeinschaft nachzuvollziehen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich eher auf einen der letzten und einflussreichsten unter denen, die aus LetoLeto, Pomponio nach dem Ausdruck von Giulio Simone Siculo «wie aus dem Trojanischen Pferd hervorgingen» (tamquam ex equo Troiano […] exiere),2 nämlich Tommaso “Fedra” InghiramiInghirami, Tommaso. Insbesondere werden wir seine Plautinische Studien in Betracht ziehen, um die Merkmale seines modus operandi zwischen der Kultur des Renaissance-Festivals und der Wiedererweckung des antiken Theaters näher zu bestimmen.

      1. Aus dem Leben eines Pomponianischen Humanisten

      Tommaso InghiramiInghirami, Tommaso wurde 1470 in Volterra in einer den Medici treuen Familie geboren. Nach der Ermordung seines Vaters im Jahre 1472 wurde er unter dem Schutz von Lorenzo de’ MediciMedici, Lorenzo de’ nach Florenz gebracht. Dieser wurde sich der besonderen Qualitäten des jungen InghiramiInghirami, Tommaso bewusst und beschloss, ihn 1483 nach Rom zu seinem Onkel Antonio, Sekretär und Cubicularius von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst), zu schicken. Hier nahm InghiramiInghirami, Tommaso an der Aktivität der römischen Akademie von LetoLeto, Pomponio teil, die unter dem Pontifikat von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst) wiedergeboren wurde, nachdem sie unter Paul II.Paul II. (Papst) wegen Verdachts auf eine Verschwörung unterdrückt worden war.1 Die Nachrichten über die Aktivitäten der Akademie sind in der Tat bis 1483, dem Jahr der Ankunft von InghiramiInghirami, Tommaso in Rom, eher selten. In diesem Jahr zeugt eine Passage aus dem Tagebuch von Jacopo GherardiGherardi, Jacopo, eines Volterranischen Humanisten und Mentors des jungen InghiramiInghirami, Tommaso, von der Erneuerung der jährlichen Feier zum Geburtstag Roms in Übereinstimmung mit den antiken Parilia:2

      in Exquiliis prope Pomponii domum, die dominico qui sequutus est, a sodalitate litteraria, celebratum est Romanae Urbis Natale. Sacra sollemniter acta, Demetrio Lucensi, bibliotecae pontificiae prefecto operante, Paulus Marsus orationem habuit. pransum est apud Salvatoris sacellum, ubi sodalitas litteratis viris et studiorum studiosis elegans convivium paraverat […] et a diversis iuvenibus eruditis versus quamplures etiam memoriter recitati

      Die Feier bestand also aus einer lateinischen Rede, gefolgt von einem prächtigen Bankett, an dem junge edle Literaten teilnahmen, die am Ende auswendig gelernte Verse rezitierten.

      In seiner Pomponii VitaSabellico, MarcantonioPomponii Vita bezeugt Marcantonio SabellicoSabellico, Marcantonio, dass private Rezitationen im Hause Letos erneut anlässlich des Geburtstags Roms stattfanden und sie in Verbindung mit den offentlichen Pomponianischen Aufführungen des Plautus, TerenzTerenz und anderen neueren Komödien setzt.3 Die Rezitation von Reden, von auswendig gelernten poetischen Passagen und schließlich von ganzen Komödien legt nahe, dass die Bildung der Pomponianer, die sich hauptsächlich auf Redekunst konzentrierte, eine starke Fokussierung auf die Performance, auf actio beinhaltete. Für die jungen Schüler von PomponioLeto, Pomponio war die Schauspielerei eine notwendige Vorbereitung für zukünftige rhetorische Performance. Die Rezitation ermöglichte den angehenden Rednern, das Gedächtnis zu trainieren, eine gute Aussprache zu erlernen, alle non-verbalen Mittel, insbesondere Gebärden und Stimme, zu üben und ihre Wirkung auf