Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten. C. M. Spoerri

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Название Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten
Автор произведения C. M. Spoerri
Жанр Языкознание
Серия Damaris
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961628



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gibt. Sie alle haben festliche Kleidung angezogen, sodass nun ein bunter Haufen vor mir steht. Der Innenhof ist zum Bersten voll und aufgrund der eintretenden Dämmerung schweben Dutzende von magischen Lichtern über unseren Köpfen. Die Szene hat etwas Unwirkliches, beinahe Bedrohliches.

      In der Mitte des Platzes befindet sich ein erhöhtes Podest, auf welchem sich die fünf Zirkelräte eingefunden haben.

      Meine Aufmerksamkeit fällt sofort auf Cilian, der in seiner blauschwarzen Magierrobe, welche die Farbe seiner Augen unterstreicht, zum Niederknien aussieht.

      Gerade als ich den Blick von ihm abwenden will, sieht er mich ebenfalls an und für einen kurzen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Sein Gesicht ist unergründlich, doch in seinen Augen glaube ich, wieder diesen alten Schmerz zu lesen, den er mit sich herumträgt.

      Mit dem nächsten Blinzeln ist die Gefühlsregung allerdings verschwunden und ich senke rasch den Kopf, um ihn nicht länger anzustarren. Dennoch spüre ich seinen Blick weiterhin auf mir, als wäre er ein glühender Strahl, der mich verbrennt.

      Auralie führt mich durch den Gang, der die Magiermenge teilt, zu dem Podest, sodass ich in der ersten Reihe stehe.

      Als ich zum Himmel hochschaue, bemerke ich viele Greife, die über uns kreisen, und kann unter ihnen Schneeflockes weißen Löwenkörper ausmachen. Er bleibt in sicherer Entfernung, da ihm diese Versammlung alles andere als geheuer ist. Was ich gut nachempfinden kann.

      Nachdem sich Auralie von mir verabschiedet hat, schaue ich mich weiter um und entdecke Adrién, der ebenfalls in der ersten Reihe steht – allerdings so weit entfernt, dass ich keine Chance habe, mit ihm zu sprechen. Er hat sich umgezogen und trägt nun ein schlichtes schwarzes Gewand, das seine Aura noch dunkler erscheinen lässt als ohnehin schon. Nur ein flüchtiger Blick von ihm streift mich. Wenn ich nicht wüsste, dass er mir extra hinterhergeflogen ist, um mich zurückzuholen, würde ich anhand seines Gesichtsausdruckes vermuten, dass er mich verabscheut. Was er womöglich auch tut. Keine Ahnung, aus ihm werde ich einfach nicht schlau.

      Als ich den Blick weiter schweifen lasse, fällt dieser auf Rahrin, den ich gerade noch so hinter dem Podest ausmachen kann, um das die Magier einen Kreis gebildet haben. Er schenkt mir ein kurzes Lächeln, das mich nicht wirklich beruhigt. Ich hoffe, die Tatsache, dass er ebenfalls in der ersten Reihe steht, ist nicht darauf zurückzuführen, dass er auch zu den Auserwählten zählt.

      Adrién meinte, dass andere Magierlehrlinge ausgesucht wurden. Ist er einer davon?

      Mein Herz beginnt wie wild zu pochen, als Marona, die Rätin des Feuerzirkels, nun vortritt und die Menge augenblicklich verstummt. Sie wirkt rein äußerlich wie Mitte dreißig, hat ihr kurzes braunes Haar, das ihr bis in den Nacken fällt, streng nach hinten gekämmt. Ihr Gesicht besitzt etwas von einem Huhn, ist schmal und spitz.

      Nein, sie ist mir nicht sympathisch, war sie schon nicht, als ich sie das erste Mal im Speisesaal sah. Auch sie trägt eine edel wirkende Robe, die dunkelrote Stickereien auf schwarzem Stoff aufweist.

      Unvermittelt fällt mein Augenmerk erneut auf Cilian, der mich immer noch ansieht und mir kaum merklich zunickt. Wahrscheinlich will er mir damit Mut machen, erreicht jedoch nur, dass ich mich noch unwohler fühle.

      Als Marona das Wort ergreift, wird meine Aufmerksamkeit wieder auf sie gelenkt.

      »Ich heiße Euch willkommen, Magier von Chakas«, spricht sie mit einer etwas zu kratzigen Stimme, die jedoch über den gesamten Platz schallt. »Wie Ihr gestern erfahren habt, steht die Daseinsberechtigung des Greifenordens infrage.« Meine Augen schweifen zu Cilian, dessen Kiefermuskeln sich deutlich anspannen. »Daher haben wir Zirkelräte beschlossen, ihn auf eine Probe zu stellen.«

      Gemurmel wird unter den Magiern laut und ich verlagere unruhig das Gewicht von einer Seite auf die andere. Die Version, die Marona erzählt, passt nicht ganz zu dem, was Auralie mir berichtet hat.

      Kann es sein, dass Cilian doch die Wahrheit sprach und der Wettkampf aus einer Art Not heraus entstanden ist? Wieso aber hat er dann nicht verhindert, dass ich dafür auserwählt wurde? Und warum hat er nichts darüber gesagt?

      Marona greift in ihre Robe und holt eine Handvoll kleiner schwarzer Säckchen hervor. »In diesen Beuteln befinden sich zehn Phiolen«, erklärt sie. »Jede dieser Phiolen enthält eine Flüssigkeit, die demjenigen, der sie trinkt, einen Ort in der Wüste zeigt, wo ein Artefakt begraben ist. Diese Artefakte zu finden, wird die erste Aufgabe unserer zehn Auserwählten sein. Sie dürfen keine Hilfe erhalten, um dorthin zu gelangen.«

      »Worum handelt es sich bei diesen Artefakten?«, will ein Magier mittleren Alters wissen, den ich noch nie gesehen habe.

      »Es sind uralte Gegenstände aus den Zeiten der Wüstenzwerge«, antwortet die Feuermagierin bereitwillig.

      Erneut tuscheln die Zuschauer, dieses Mal lauter. Ich habe noch nie von Wüstenzwergen gehört, bin im Talmerengebirge nur ein einziges Mal überhaupt einem Zwerg begegnet. Einem finsteren Kerl, der etwa gleich groß wie ich damals war und einen beeindruckenden Bart sowie mindestens ein Dutzend Ketten mit wertvoll wirkenden Edelsteinen trug. Ich werde mich erkundigen müssen, was es mit diesen Wüstenzwergen auf sich hat.

      »Die Artefakte weisen auf den Standort einer ihrer untergegangenen Städte hin«, fährt Marona fort. »Und in dieser Zwergenstadt liegt ein Relikt von unbeschreiblichem Wert. Es wird der ›Ring des Fürsten‹ genannt und gehört dem Sieger. Sollte ein Magier gewinnen, wird der Greifenorden von Chakas geschlossen. Falls aber ein Greifenreiter gewinnt, darf er weiterhin bestehen bleiben.«

      Spätestens jetzt wird mir klar, dass diese Aufgaben nicht erst seit gestern erfunden sein konnten. Das muss jemand – Cilian? – von langer Hand geplant haben.

      »Wieso hat noch niemand versucht, diesen Ring des Fürsten zu finden?«, fragt eine junge Magierin.

      »Es gab Versuche, aber bisher sind sie leider gescheitert«, antwortet Marona. »Wir setzen unsere Hoffnung in die zehn Auserwählten.«

      Ich sehe mit schmalen Augen zu Cilian, aber als er meinen Blick auf sich spürt, schüttelt er nur leicht den Kopf. Ich habe keine Ahnung, was diese Geste bedeuten soll, und knurre unbefriedigt in mich hinein.

      »Zudem ist es kein ungefährlicher Weg zu den zehn Artefakten«, fährt Marona fort. »Daher werden nur die fähigsten Magier und Greifenreiter entsendet. Sowie zwei Schüler, da das Gerücht geht, dass der Ring des Fürsten nur von einer reinen Seele gefunden werden kann. Und wer könnte reiner sein als zwei Kinder?«

      Ich vermeine, sie kurz in meine Richtung blicken zu sehen, und eine Gänsehaut breitet sich trotz der abendlichen Wärme auf meinen Armen aus.

      Dass sie mich ›Kind‹ nennt, lässt meinen Magen rumoren. Sie drückt damit nicht nur ihre Geringschätzung mir gegenüber aus, sondern auch, was sie davon hält, dass Cilian und ich uns nähergestanden haben. Dass er mit einem ›Kind‹ geschlafen hat, lässt das, was wir hatten, schmutzig und pervers erscheinen – was es nicht war!

      »Kommen wir nun zu den Auserwählten«, sagt sie. »Cilian, wenn Ihr so nett wärt …«

      Es ist mucksmäuschenstill geworden und alle Augen haben sich auf den Ordensleiter gerichtet, der sich nun räuspert und ebenfalls vortritt. »In meiner Doppelaufgabe als einer der Zirkelräte sowie Leiter des Greifenordens von Chakas fällt mir die Aufgabe zu, die Auserwählten auf die Tribüne zu bitten«, beginnt er und lässt seinen Blick über die Magier schweifen, ehe er kurz an mir hängen bleibt. Dann holt er eine Pergamentrolle hervor, die er öffnet. »Als Lehrlinge wurden auserwählt …« Er holt leise Luft und sieht mich fest an. »Damaris, Greifenreiterin von Chakas. Bitte tritt vor und empfange deine Phiole.«

      Ich schlucke den Kloß herunter, der sich in meiner Kehle bilden will. Jetzt ist es offiziell. Ich muss in die Wüste, um diesen dämlichen Ring zu finden.

      Mit zittrigen Beinen erklimme ich das Podest und als ich direkt vor Marona stehe, meine ich, ein gehässiges Funkeln in ihren braunen Augen zu lesen. Seit sie Cilian und mich in der Arena beim Küssen erwischt hat, weiß ich, dass sie mich nicht mag. Ich habe es schon damals in ihrem