HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!. Andreas Zwengel

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Название HAUSER - IMMER FESTE DRUFF!
Автор произведения Andreas Zwengel
Жанр Языкознание
Серия Hauser
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958355309



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      »Kostenlos auf Lebenszeit?« Melanie hatte noch nie von einem solchen Tarifangebot gehört.

      »Eine lange Geschichte. Der Magistrat hat sich dadurch für meine Hilfe erkenntlich gezeigt.«

      Melanie legte die Hand aufs Herz und sah ihn mit feierlicher Miene an. »Ich schwöre, dass ich von nun an eine defensive und vorausschauende Verkehrsteilnehmerin sein werde und sofort anhalte, wenn Sie den Wunsch äußern, aus diesem Fahrzeug auszusteigen.«

      Hauser sah sie prüfend an. »Glaub ja nicht, dass ich davon keinen Gebrauch mache.«

      Während der folgenden Fahrt entspannte sich Hauser zusehends, denn sie fuhren – wie versprochen – in einem moderaten Tempo auf der rechten Spur nach Norden. Melanie und der Jaguar wirkten dabei recht ungeduldig, da sie weit unter ihren Möglichkeiten bleiben mussten. Sobald Melanie zum Überholen die Spur wechselte, um an einen LKW vorbeizuziehen, spürte sie, wie bei Hauser die Anspannung stetig zunahm, bis sie wieder eingeschert war.

      Als sie endlich Oberursel erreichten, fühlte sich Melanie ähnlich angespannt wie ihr Fahrgast. So vorbildlich war sie seit ihrer Führerscheinprüfung nicht mehr gefahren.

      Sie parkte den Jaguar auf dem Parkplatz des Hotels. Weit genug vom Eingang entfernt, um durch Bäume und Sträucher verdeckt zu sein, aber mit genügend Einsicht, um die Zufahrt im Auge behalten zu können. Das Gebäude war ein recht unscheinbarer Neubau. Die Kundschaft bestand sicher zum größten Teil aus Geschäftsleuten und Montagearbeitern. Niemand verbrachte in einem solchen Hotel einen einwöchigen Liebesurlaub.

      »Ob die hier ein geheimes Logentreffen haben?«

      »Keine Spur von dem Mini-Van«, sagte Melanie.

      »Ich gehe davon aus, er hat die fünf nur abgesetzt und ist weitergefahren.«

      »Wie gehen wir vor? Sollen wir an der Rezeption nach ihnen fragen?«

      Hauser schüttelte den Kopf. »Zu riskant. Wir müssen jemanden unbeobachtet abfangen. Jemand, der sich im Hotel auskennt und anfällig für gute Taten ist.«

      »Verstehe ich nicht.«

      »Bei Bestechung können sich Menschen entrüsten und ablehnen. Bei einer guten Tat dagegen, die weder Kosten noch Mühen verursacht, lehnen die wenigsten ab.« Hauser nahm die fünf Fotos, die Melanie von den Verschwundenen beschafft hatte. »Wir brauchen nur eine positive Bestätigung. Also suchen wir uns denjenigen heraus, zu dem uns die rührseligste Geschichte einfällt und dann darfst du dein Schauspieltalent unter Beweis stellen.«

      Hauser blickte auf seine Uhr. »Es ist gleich 13 Uhr. Das Hotel hat laut Homepage Check-in ab 15 Uhr, die Reinigungskräfte sollten also bald mit den Zimmern fertig sein. Suchen wir die Parkplätze für das Personal.«

      Sie wählten das Foto eines jungen Mannes aus, der nur wenig älter als Melanie war. Die Geschichte, die sie sich gemeinsam überlegten, würde auch ein versteinertes Herz in Magma verwandeln. Während Hauser und sie sich die Bälle zugespielt hatten, um ein geeignetes Szenario zu entwerfen, war ihre Fantasie über das Ziel hinausgeschossen und sie hatten beide ein schlechtes Gewissen bekommen, dem unwissenden Mann ein solch niederträchtiges Verhalten anzudichten. Allerdings diente diese Show einem guten Zweck. Melanie rieb sich die Augen, bis sie eine deutliche Rötung zeigten und strich sich Speichel in die Augenwinkel, um sie zum Glänzen zu bringen.

      Dann machte sie sich auf den Weg zum Personaleingang und wartete. Es dauerte nicht lange, bis eine ältere Frau in Uniform aus der Tür trat, um eine Zigarettenpause zu machen.

      Die Reinigungskraft wollte an Melanie vorbei, zögerte aber, als sie das bebende Schluchzen bemerkte. Besorgt fragte sie die junge Frau, was los sei und im nächsten Moment brach es aus Melanie heraus. In knappen, stockenden Sätzen erzählte sie eine dramatische Geschichte über Verrat, Betrug und Täuschung. Hauser konnte aus der Entfernung nicht verstehen, was sie im Detail erzählte, musste aber zugeben, dass sie auch ohne Ton überzeugend wirkte.

      »Gehen Sie nur«, sagte Melanie und zog die Nase hoch, »Ich bin selbst schuld und hab es nicht anders verdient.«

      Die ältere Frau, der solches Männerverhalten offenbar nicht fremd war, widersprach ihr heftig. Sämtliche Bedenken wegen ihres Jobs zählten nicht mehr. Solch rationale Zweifel waren eigenen schmerzenden Erinnerungen gewichen. Melanie erhielt von ihr nicht nur die Zimmernummer des »Schufts«, sondern erfuhr auch, dass er nie sein Zimmer verließ und es außerdem noch vier weitere Gäste dieser Art gab. Die Frau wünschte Melanie zum Abschied viel Glück und für die Zukunft ein besseres Händchen bei der Männerwahl. Ohne ihre Zigarette angerührt zu haben, ging sie ins Hotel zurück, mit der festen Überzeugung, etwas Gutes geleistet zu haben.

      Melanie war auf der Rückfahrt guter Laune und fuhr deshalb besonders langsam. Hauser konnte nicht sagen, ob ihre gehobene Stimmung mit dem raschen Erfolg oder der schnellen Beendigung ihrer Zusammenarbeit zu tun hatte. Wenn ihre erzwungene Partnerschaft bereits nach einem halben Tag endete, stellte dies für sie wohl wirklich einen Anlass zur Freude dar. Sie hatte schließlich keinen Zweifel daran gelassen, wie sehr ihr die Gesellschaft von Hauser gegen den Strich ging.

      Melanie hielt vor seinem Haus und stellte den Motor des Jaguars ab. Das Einzige, das sie an dem schnellen Erfolg störte, war, dass ihr Chef wahrscheinlich noch nicht einmal den Verlust seines geliebten Wagens bemerkt hatte. »Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Leben und viele interessante Fälle«, sagte sie ohne jeden Sarkasmus.

      »Wir könnten noch gemeinsam einen Kaffee trinken, dann erzähle ich dir von vergangenen interessanten Fällen. Immerhin hast du ja vorhin so was wie ein biografisches Interesse an mir gezeigt.«

      Melanies Freude nahm stark ab. »Dabei ging es nur um Ihre berufliche Qualifikation. Ich habe kein Interesse daran, noch mehr über Sie zu erfahren. Was ich bisher erfahren habe, ist für meinen Geschmack schon viel zu viel.«

      »Es war eine schöne Zusammenarbeit«, sagte Hauser.

       »Das Schöne an unserer Zusammenarbeit war die Kürze ihrer Dauer.«

      Hauser ließ sich von ihrem Kommentar nicht entmutigen. »Wir haben die fünf in Rekordzeit gefunden, das wäre doch ein Grund zu feiern.«

      Ihr Gesicht versteinerte sich. »Sie wissen doch noch, was das letzte Mal passiert ist, als wir gefeiert haben.«

      »Du weißt genau, dass ich mich nicht mehr erinnern kann.«

      »Seien Sie froh. Ich hoffe, dass ich auch irgendwann soweit bin. Jetzt freue ich mich erst einmal auf einen neuen Arbeitstag in meinem alten Job.«

      »Gib zu, dass es ein bisschen Spaß gemacht hat.«

      Melanie überlegte und suchte nach einer Formulierung, die den Detektiv nicht völlig vernichten würde, gleichzeitig aber auch nicht als Ermutigung ausgelegt werden konnte. »Es war nicht so schlimm, wie ich es mir ausgemalt habe.«

      »Na, das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte Hauser grinsend.

      »Und gleichzeitig auch das Ende. Wir werden uns nicht wiedersehen, jedenfalls nicht absichtlich und falls es zufällig geschieht, dann tun Sie doch bitte so, als hätten Sie mich vergessen. Andererseits vergessen Sie ja öfters Dinge, deshalb sollte ich mir vielleicht gar nicht so viele Gedanken machen.«

      »Autsch«, sagte Hauser. »Das war ja eine heftige Ansprache.«

      »Es steht Ihnen jederzeit frei zu gehen«, gab sie ungerührt zurück.

      »Das werde ich wohl mal.« Er verkniff sich jede der üblichen Abschiedsfloskeln, weil er ihre Erwiderung darauf fürchtete. Um ein reflexhaftes Winken zu verhindern, schob er nach dem Aussteigen seine Hände in die Hosentaschen.

      Der Jaguar hob sofort von der Bordsteinkante ab und erreichte in Rekordzeit das Ende der Leipziger Straße.

      Lessings Geduld

      Hauser schloss die gläserne Eingangstür auf und betrat das fünfstöckige Gebäude. Er leerte seinen Briefkasten und stieg die Treppe