G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner

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Название G.F. Barner 1 – Western
Автор произведения G.F. Barner
Жанр Языкознание
Серия G.F. Barner
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740956240



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unwillkürlich blaß. Der Rippenstoß Floyds hatte ihn getroffen, und als er Floyds verzerrtes Gesicht und dessen Kopfbewegung sah, blickte er sich um.

      Der Küchenwagen, den wie immer Beecham fuhr, rollte vor die Hütte. Neben Beecham saß jedoch noch ein Mann, der einen Ölumhang trug.

      Es war Henry O’Mallon, der irische Oberaufseher.

      Im Nieselregen, der seit gestern vom Himmel herabfiel, verschwamm der Eingang des Tales. Sämtliche Sträflinge waren bis auf die Haut naß, aber die Arbeit mußte weitergehen.

      »Allmächtiger!« stieß Clancy leise hervor. »Floyd, O’Mallon! Wir sind dran, Junge, heute sind wir dran – und er kommt eine ganze Woche zu früh zurück. Dabei haben wir Regenwetter. Kein günstigerer Tag hätte es sein können.«

      »Aus... Alles aus«, würgte Floyd entsetzt. »Clancy...«

      »Reiß dich zusammen!«

      Das war alles, was Clancy noch flüstern konnte.

      Dann ertönte der schrille Mittagspfiff, und sie kletterten von den leicht glitschigen Bohlen des Gestells herunter. Die Ketten rasselten und klirrten, als sie an den Wagen traten, unter dessen Plane der Essenkessel stand. O’Mallon, er war nicht groß, aber breit und stämmig, blieb an der Hütte stehen.

      Clancy hatte sich wieder gefangen. Sein Blick zuckte zu Kinsey hinüber. Der Aufseher kam langsam und mit einem Grinsen auf dem Affengesicht zur Hütte.

      »Hallo, O’Mallon, schon wieder zurück?« erkundigte er sich. »Zuviel Regen auf Ihren Feldern?«

      »Vielleicht«, erwiderte O’Mallon düster. Er hatte eine tiefe, rauhe Stimme und blickte zu den anderen drei Posten, die nun auch herankamen.

      »Gates, was war hier vorige Woche los, he?«

      Es hieß, daß O’Mallon Kinsey nicht leiden konnte. Deshalb sprach er jetzt Gates an, der noch der ruhigste aller Wächter war.

      »Ich weiß nicht, Mr. O’Mallon«, antwortete Gates achselzuckend. »Was soll denn los gewesen sein, Sir?«

      Der Oberaufseher schob plötzlich seinen schweren, massigen Kopf vor und starrte Gates durchbohrend an.

      »Gates, ich habe was gefragt und erwarte eine anständige Antwort!« knurrte O’Mallon scharf. »Was war mit dem alten Perry?«

      »Nichts. Ein Unglücksfall, Sir«, stotterte Gates erschrocken. »Er hatte Pech, Sir.«

      »So, Pech?« zischte O’Mallon leise. »Es ist doch verdammt seltsam, wie schnell Gerüchte von hier zum Statejail und von dort wiederum zu mir dringen. Gerüchte, die unseren Boß veranlaßt haben, mich herzuschicken. Nun gut, ich mache die letzte Woche Urlaub später. Gates, wie war das mit dem verschwundenen Keil?«

      »Es ist keiner verschwunden gewesen. Es war ein Irrtum«, meldete sich Gould hastig. »Ich hatte mich verzählt, Sir.«

      »Und wer hat die Männer diese idiotischen Auf- und Abladerei tun lassen?« flüsterte O’Mallon drohend.

      Er fuhr jäh herum und sah nun Kinsey an, dessen Gesicht erstarrt war.

      »Mr. O’Mallon, ich... Es war ein Unfall, bestimmt. Strafe mußte sein, aber konnte einer ahnen, daß der Alte den Brocken fallen lassen würde?«

      »Fallen lassen?« knirschte O’Mallon. »Es war also ein Unfall? Es waren ja auch nur zwei Zehen, die es dem alten Perry kostete, was? Kinsey, passen Sie auf, Mann, wenn so was noch mal passiert, dann ist einige Unruhe irgendwo, und danach fliegt jemand, verstanden? Es war also ein Unfall?«

      »Sicher, Sir«, erwiderte Kinsey hastig. »Nur ein Unfall.«

      O’Mallon schien das breite Grinsen Kinseys so zu reizen, daß er plötzlich losfluchte und sich umdrehte. Mit wenigen Schritten war er bei den auf den nassen Steinen kauernden Sträflingen und trat vor den ersten Mann.

      »Hingman, was ist passiert?«

      »Es – war ein Unfall«, antwortete Hingman gepreßt.

      »Carpenter!«

      »Sir, es war so!«

      »War es so?« knirschte O’Mallon. Er rannte plötzlich die ganze Reihe entlang und schrie jedem zweiten Mann ins Gesicht: »Es war ein Unfall, was? Ich werde euch sagen, was es war. Der Alte hätte das Bein verlieren können! Was es dann gewesen wäre, brauche ich euch Halunken wohl nicht zu sagen, was? Ah, dir auch nicht... Clancy, ich rede mit dir!«

      Clancy senkte den Löffel und sah hoch. Dann stand er langsam auf.

      »Clancy, war es ein Unfall?«

      Clancy wendete langsam den Kopf. Er sah zu Kinsey hinüber, der ihn drohend anstarrte.

      »Sehen Sie mal, Mr. O’Mallon«, sagte Clancy dann träge. »Nun sehen Sie mal, wie mich Kinsey ansieht.«

      O’Mallons Kopf flog herum. Er kniff die Lider zusammen und sah genau, daß Kinsey sich vergeblich bemühte, wieder schnell zu grinsen.

      »Kinsey, was sehen Sie Clancy so an?« schrie O’Mallon grimmig. »He, Sie – was bedeutet dieser Blick?«

      »Nicht viel, er will mir nur Angst machen«, murmelte Clancy eiskalt. »Er denkt, ich rede vielleicht Dinge, die nicht wahr sind – sie sind doch nicht wahr, wie, Kinsey?«

      Kein Löffel klapperte mehr am Blech der Freßtöpfe. Es war totenstill geworden.

      »Clancy, werde nicht frech!« stieß Kinsey heraus. »Ich sage dir...«

      »Was?« fragte Clancy eisig. »Daß mir was passiert, wenn ich rede? Es war kein Unfall, Mr. O’Mallon. Er hat dem alten Perry den Gewehrkolben in die Kniekehle geschlagen. Perry mußte umfallen, weil er steifbeinig dastand und sich unmöglich halten konnte. Das ist alles, Mr. O’Mallon.«

      Kinsey wurde leichenblaß. Gould und Gates sahen entsetzt zu Clancy.

      Die Sträflinge duckten sich unwillkürlich.

      Clancy aber setzte sich ganz ruhig wieder hin und nahm seinen Topf zwischen die Knie.

      O’Mallon stand einige Sekunden reglos im Schweigen der Männer vor Clancy.

      »Danke, Clancy«, sagte er dann dünn. »Kinsey, kommen Sie mit!«

      Kinsey drehte sich um. Er folgte O’Mallon in die Hütte, deren Tür

      O’Mallon hinter ihm schloß.

      »Dafür bringt er dich um«, flüsterte Floyd entsetzt, als das Geklapper der Löffel wieder einsetzte. »Clancy, was hast du gemacht? Das vergißt der Schuft dir nie.«

      Clancy sah ihn an und lächelte sanft.

      »No«, wisperte er. »Der wird es versuchen, aber er schafft es nicht. Wetten, daß er den letzten Wagen heute abend fährt?«

      Allmächtiger, dachte Floyd bestürzt, Clancy hat recht – Kinsey fährt den Wagen. Und dabei denkt er sich eine Schurkerei aus, um sich an Clancy zu rächen. Wenn wir ihm dann an den Hals gehen, haben wir einen Grund gehabt, uns zu wehren und danach zu fliehen.

      Aber diesmal stimmte Clancys Rechnung nicht!

      *

      Der Wagen war längst fort und mit ihm O’Mallon, nach dessen halbstündigem Gespräch in der Hütte Kinsey bleich herausgekommen war.

      Jetzt näherte sich Gates Clancy und Floyd. Er blieb neben ihnen stehen, blickte Clancy an und murmelte:

      »Jemand hat gesagt, du solltest nicht geschunden werden. Ich mach’ dich jetzt los, Clancy. Du kannst das Gestell um eine Bohlenlänge weiterbauen. Aber bilde dir nicht ein, daß Kinsey dir das jemals vergißt, Mann!«

      Clancy antwortete nicht, er nickte nur stumm und sah zum Rand empor. Dort, hoch oben über dem Gestell und auf der Wand aus Lava, stand Kinsey.

      Er wird sich rächen, dachte Clancy. Die letzte Fuhre heute, da versucht er es.

      Gates