Название | Kurfürstenklinik Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Nina Kayser-Darius |
Жанр | Языкознание |
Серия | Kurfürstenklinik Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740970673 |
»Quasch!« bemerkte Kai, Kittys Zwillingsbruder, wichtig. »Sie würde ganz schnell lernen, von den Lippen abzulesen – und dann wärs schon wieder Essig mit den Geheimnissen.«
»Wie soll das denn gehen – von den Lippen ablesen?« erkundigte sich Kitty, die davon noch nie etwas gehört hatte. »Du spinnst ja, das hast du dir bloß wieder ausgedacht!«
Während Kai seine Schwester aufklärte, vertiefte sich Lolly noch einmal in die letzte Karte, die ihre Schwester aus Südafrika geschrieben hatte. In ein paar Tagen würde Inga ja nun endlich zurückkommen, sie freute sich schon sehr darauf. Das Leben war schöner, wenn Inga in der Nähe war. Mit ihr konnte sie über alles sprechen, was ihr am Herzen lag, Inga hatte auch immer eine Überraschung für die Kinder parat – und wenn sie zu Besuch war, herrschte sofort gute Laune.
Außerdem verging Lolly fast vor Neugierde, wie es denn nun mit Holger stand. Davon schrieb Inga auf ihrer letzten Karte leider nichts, denn sie hatte sie ausschließlich an die Kinder gerichtet – und für die war Holger natürlich nur von geringem Interesse. Holger hatte für Kinder nicht viel übrig, deshalb nahmen die Zwillinge auch kaum Notiz von ihm. Ob er da war oder nicht, machte für sie keinen Unterschied.
Nun, sie würde bald erfahren, ob Inga ihn darüber aufgeklärt hatte, daß sie ihn in Wirklichkeit gar nicht heiraten wollte. Oder ob sie es sich nun doch wieder anders überlegt hatte. Bei Ingas Impulsivität war schließlich alles möglich.
Bloß nicht, dachte Lolly. Alles, bloß das nicht. Holger Weinmann als Schwager, das wäre wirklich das letzte, was ich mir wünsche. »Das Allerletzte!« murmelte sie vor sich hin und machte dabei einen ganz verkniffenen Mund, was nur sehr selten vorkam bei ihr.
»Was ist das Allerletzte?«
Zwei Augenpaare sahen sie sehr aufmerksam an. Sie wollte schon etwas erfinden, aber dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Mein Geheimnis. Ich verrats euch nicht.«
Sofort setzte ohrenbetäubendes Geschrei ein. »Das ist gemein!« rief Kai. »Wir sollen dir immer alles erzählen, aber du hast Geheimnisse vor uns.«
»Das ist sogar obergemein!« schrie Kitty.
Lolly hielt sich die Ohren zu, bis sie sah, daß die Kinder sich wieder beruhigt hatten. »Marsch in eure Zimmer!« befahl sie. »Hausaufgaben machen sich nicht von allein, das wißt ihr doch.«
»Verrate uns erst dein Geheimnis«, verlangte Kitty. »Dann sind wir auch so fleißig wie noch nie!«
Doch Lolly blieb hart. »Nichts da!« sagte sie streng. »Auf Erpressung reagiere ich überhaupt nicht, das wißt ihr ganz genau. Und jetzt laßt mich endlich in Ruhe, ich habe eine Menge Arbeit, und ich muß nachdenken.«
»Über das Allerletzte?« fragte Kai listig.
Darüber mußte Lolly lachen. »Ja, genau, Kai«, antwortete sie. »Über das Allerletzte!«
*
»Unser letzter Abend, Inga«, sagte Holger und hob sein Glas. Bewundernd sah er sie an. Sie war noch schöner als sonst, fand er. Ihre Haut hatte einen sanften Bronzeton angenommen, die dunkelblonden Haare waren von hellen Strähnen durchzogen, die die Sonne ausgebleicht hatte, ihre Augen strahlten, und ihr dünnes Kleid zeigte, daß sie eine tadellos schlanke und dabei wohlgerundete Figur hatte.
Ja, sie war die Frau seiner Träume, obwohl sie manchmal ziemlich eigensinnig sein konnte. Das fand er weniger schön. Daß sie sich zum Beispiel unbedingt mit dieser langweiligen Entwicklungshelferin hatte anfreunden müssen, hatte er überhaupt nicht verstanden. Alle Versuche seinerseits, ihr die Frau madig zu machen, waren leider gescheitert. Nicht einmal sein Hinweis, daß sie Gefahr lief, sich mit möglicherweise extrem gefährlichen Krankheiten zu infizieren, hatte Inga völlig kalt gelassen. Sie hatte ihn einfach ausgelacht und sich weiter mit dieser Frau unterhalten, obwohl sie wußte, daß er sie nicht ausstehen konnte.
Er war darüber verärgert gewesen, aber sie hatte ziemlich böse reagiert, als er das gesagt hatte. Und daraufhin hatte er lieber seinen Mund gehalten. Wenn sie erst einmal verheiratet waren, dann würde es sich ganz von selbst ergeben, daß sie nur mit Leuten befreundet waren, die sie beide gern mochten. Na ja, mit Ausnahme der Familie natürlich. Ingas Schwester Lolly mußte er eben ertragen – und ihren Mann und die Kinder ebenso. Aber vielleicht konnte man den Kontakt mit ihnen auf wenige Male im Jahr beschränken, das würde sich zur Not aushalten lassen.
»Irgendwie fühle ich mich komisch«, murmelte Inga. »Ob ich wohl was Falsches gegessen habe?«
»Ist dir schlecht?« fragte Holger stirnrunzelnd. Das fehlte gerade noch! Er hatte sich eine romantische letzte Nacht in Afrika vorgestellt – mit allem, was dazugehörte.
»Ich weiß nicht genau«, antwortete Inga, und diese vage Antwort sah ihr überhaupt nicht ähnlich. »Mir ist schrecklich heiß, Holger, und ich fühle mich so benommen.«
»Na ja, wir sind in Afrika«, stellte Holger gelassen fest. »Daß es hier heiß ist, sollten wir doch allmählich wissen.« Er selbst fand es gar nicht so heiß, zumal überall in den Gebäuden die Klimaanlagen auf Hochtouren liefen. Manchmal war es ihm sogar zu kalt, wenn er länger irgendwo saß. Er fand es draußen in der Regel bedeutend angenehmer – jedenfalls im Schatten und in Meeresnähe.
»Ja, natürlich«, sagte Inga. »Es geht sicher bald wieder weg. Dir fehlt nichts? Ich meine, könnten wir etwas gegessen haben, das uns nicht bekommen ist?«
»Mir geht’s großartig«, antwortete Holger, und das stimmte auch. Er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. »Vielleicht hättest du dich doch nicht so intensiv mit dieser Entwicklungstante anfreunden sollen. Wer weiß, was die alles für Krankheiten mit sich rumschleppt.«
»Red keinen Quatsch«, sagte Inga, aber es klang längst nicht so scharf wie sonst, wenn sie wütend war.
Ihm fiel jetzt auf, daß das besondere Strahlen ihrer Augen, das ihm vorhin noch so gefallen hatte, auch ein fiebriger Glanz sein konnte, und er sah die aufregende Nacht, auf die er sich die ganze Zeit schon so sehr gefreut hatte, in unerreichbare Ferne entschwinden. Wenn Inga sich eine fiebrige Erkältung eingefangen hatte, dann konnte er die aufregende Nacht mit ihr vergessen. Er schluckte seinen Ärger hinunter, obwohl er fand, daß sie besser hätte auf sich aufpassen sollen. Wenn man Urlaub in Südafrika machte, dann wurde man einfach nicht krank und verdarb dem Partner dadurch den Urlaub – na ja, vielleicht nicht den Urlaub, aber doch zumindest den letzten Abend. Aber er würde großzügig darüber hinweggehen und so tun, als sei alles in Ordnung, damit sie sah, daß er ihr nichts nachtrug.
Er hob sein Glas mit einem Cocktail von durchdringend grüner Farbe. »Auf uns, Inga!« sagte er zärtlich.
Sie nickte nur und hob ihr Glas ebenfalls. Er bemerkte nicht, daß sie nur kurz daran nippte und es gleich darauf wieder abstellte.
*
Als Adrian Winter nach Hause kam, sah er eilig den ziemlich dicken Poststapel durch, den er in seinem Briefkasten gefunden hatte. Nichts als Rechnungen und Werbung! Doch halt, das stimmte nicht ganz, stellt er fest, denn ganz zum Schluß fand er den Brief eines alten Freundes, mit dem er früher in England zusammengearbeitet hatte. Adrian war ein paar Jahre in einem Londoner Krankenhaus gewesen, und er war noch heute froh über diese Erfahrung.
Dort hatte er Martin Sommer kennengelernt – und sie hatten herzlich gelacht, als sie einander vorgestellt worden waren. »Fehlen nur noch Frühling und Herbst«, hatte Martin gespottet.
Er war ein schmaler Dunkelhaariger, für den damals alle Schwestern des Krankenhauses geschwärmt hatten – vor allem wohl wegen des melancholischen Ausdrucks seiner dunklen Augen, die in vielen Frauen offenbar das Bedürfnis weckten, ihn zu bemuttern. Dabei fand Martin nichts schrecklicher als das – und er war auch absolut kein melancholischer Mensch. »Keine Ahnung, wie dieser Ausdruck in meine Augen kommt, Adrian, ehrlich! Wenn ich wüßte, wie ich ihn verhindern könnte, würde ich es sofort tun!«
Adrian