Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Название Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman
Автор произведения Leni Behrendt
Жанр Языкознание
Серия Leni Behrendt Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740938659



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Insthäusern zählten, eine bequeme Verbindung zur Stadt bot. Gleichfalls den Kleinbauern, die ihre Höfe in der Nähe hatten und über kein Auto verfügten.

      Heute jedoch stieg kein Fahrgast weder aus noch ein. Denn erstens war Feiertag, wo es für die Landbewohner in der Stadt nichts zu besorgen gab, und dann war es, wie schon gesagt, bitter kalt. Da blieb man, wenn man nicht unbedingt hinaus mußte, in der warmen Stube, wohin auch die beiden Männer strebten, nachdem sie die Milchkannen eingeladen hatten. Eine tägliche Beschäftigung, die selbst an Sonn- und Feiertagen ausgeführt werden mußte.

      Bevor die Lokomotive sich wieder schnaufend und zischend in Bewegung setzte, stieß sie einen grellen, langgezogenen Pfiff aus, der im Herrenhaus ein junges Mädchen aus tiefem Schlaf riß. Erschrocken fuhr es aus dem Kissen hoch, um gleich wieder mit einem Wehlaut zurückzusinken. Die Hand tastete zum rechten Knie, das mit einer Binde umwickelt war. Die Augen hasteten durchs Zimmer und blieben dann an dem gegenüberstehenden Bett hängen, unter dessen Zudecke es sich nun auch zu regen begann. Ein dunkelhaariger Kopf hob sich, zwei grüngraue Augen trafen sich mit zwei blauen.

      »Guten Morgen, Gun«, sprach dann eine lachende Stimme. »Du machst ja ein Gesicht, als ob die Katz donnern hört.«

      »Mach jetzt keine Witze«, kam es ungnädig zurück. »Sag mir lieber, wo wir uns befinden.«

      »Im Hause unserer Retter.«

      »Und wer sind die …?«

      »Keine Ahnung. Als du stürztest und nicht wieder hochkommen konntest, bin ich losgetaumelt, immer dem Lichtschein zu, der von irgendwo blinkte und Rettung verhieß – die uns dann auch wurde, sonst lägen wir bestimmt nicht in so molligen Betten. Aber was das für Menschen sind, die sich unserer Not erbarmten, weiß ich nicht, ich war zu futsch und weg. Kein Wunder, nach dem entsetzlichen Weg durch den Eissturm, durch den ich mich mühsam Schritt für Schritt ringen mußte. Und alles nur wegen deiner verflixten Flirterei und der Feigheit, die Konsequenzen zu tragen.«

      »Schilt jetzt nicht«, warf die andere kläglich ein. »Mein Knie tut mir so weh.«

      »Geschieht dir ganz recht«, kam es brummend zurück. »Was man mit dir für Scherereien hat, steht wohl einzig da.«

      »Willst du nicht mal nach meinem Bein sehen, liebes Karlchen?«

      »Wollen bestimmt nicht, höchstens müssen, da ich Ärmste ja so eine Art Sklavin von dir bin.«

      Also stand sie auf und stolperte mal erst über das Nachthemd, das für ihre zierliche Figur viel zu lang und zu breit war.

      »Du meine Güte, wem mag der Talar wohl gehören?« beäugte sie neugierig das Kleidungsstück aus buntgemustertem Flanell, das lange Ärmel hatte und bis zum Hals geschlossen war. Dann hob sie das Gewand an beiden Seiten hoch und bekam so die Füße frei. Drei Schritte, dann stand sie vor dem anderen Bett und sagte lachend:

      »Deine Umhüllung scheint das Pendant zu meiner zu sein, so richtig solide siehst du aus. Schade, daß deine Anbeter dich nicht so sehen können.«

      »Ich wüßte nicht, daß ich mich jemals meinen Anbetern im Nachthemd gezeigt hätte.«

      Es klopfte, und gleich drauf steckte sich ein Kopf durch den Türspalt.

      »Ist’s erlaubt einzutreten?«

      »Man immer zu«, ermunterte Karola, worauf denn Josepha sichtbar wurde. Sie bot einen guten Morgen und trat zu den beiden Mädchen, die ihr mit begreiflicher Neugier entgegensahen.

      »Nun, wie geht’s denn den Damen?«

      »Danke, Frau …?«

      »Ich bin keine Frau, ich bin die Mamsell«, wurde Karola kurz belehrt. »Was macht denn Ihr Bein?«

      »Es tut weh. Allerdings nur, wenn ich es bewege.«

      »Dann halten Sie es still. Lassen Sie mal sehen.«

      Nachdem Josepha das Knie kritisch betrachtet hatte, nickte sie zufrieden.

      »Die Geschwulst ist erheblich zurückgegangen. Kein Wunder bei meiner Salbe.«

      »Und doch sieht das Knie immer noch böse genug aus«, wagte Karola einzuwenden. »Könnten Sie vielleicht einen Arzt herkommen lassen?«

      »Können schon. Aber warum den Mann bei so einem bißchen aus der warmen Stube jagen, dazu noch am Feiertag. Das da krieg ich mit meiner Salbe sehr gut hin.«

      Sie zog aus der Schürzentasche ein Büchschen mit der Wundersalbe, die sie auf das verletzte Knie des Mädchens schmierte.

      So grob die Hände auch aussahen, so behutsam gingen sie um. Dann wurde wieder die Binde umgetan, ein ­kleines Kissen unter die Kniekehle geschoben und Karola eingehend betrachtet.

      »Na, Sie sehen ja ganz munter aus. Gehen Sie wieder ins Bett zurück, damit Sie sich nicht erkälten.«

      »Die ist vielleicht kurz angebunden«, sagte Gun unbehaglich, nachdem sich die Tür hinter Josepha geschlossen hatte. »Die macht ja gar kein Hehl daraus, wie unerwünscht wir hier sind.«

      »Wundert dich das etwa?« fragte Karola achselzuckend, während sie sich unter das wärmende Deckbett streckte. »Ich weiß nicht, ob wir sehr liebenswürdig wären, wenn zwei Wildfremde störend in unsere Silvesterfeier hineinplatzten und eine davon bei einem mörderischen Schneesturm auf der Bahre ins Haus geholt werden müßte, wie es ja bei dir der Fall war. Ich habe zwar so gut wie gar nichts von dem allen mitgekriegt, weil ich total fertig war, aber soviel immerhin, daß wir das Haus hier gewissermaßen auf Stützen stellten. Und das alles in der Silvesternacht – peinlich genug.«

      Sie wurde durch den Eintritt Josephas unterbrochen, die ein besetztes Tablett trug, während das Hausmädchen Grete mit einem zweiten folgte, lachend über das ganze rotbackige Gesicht.

      »Stell das Tablett auf das Tischchen, und dann hilf mir das Fräulein da aufsetzen«, gebot Josepha brummig. »Aber sei dabei bloß vorsichtig, das rate ich dir.«

      »Ich werd’ schon«, versprach die dralle Maid und packte dann doch so herzhaft zu, daß es bestimmt blaue Flecken auf den zarten Mädchenarmen hinterließ. Aber Gun saß, und das war ja schließlich die Hauptsache. – Sie bekam ein Tablett vorgesetzt, Karola das zweite, und Sephchen knurrte:

      »Jetzt essen Sie, alles Weitere wird sich finden.«

      Gewichtigen Schrittes ging sie, von Grete gefolgt, hinaus, und die beiden Mädchen machten sich über das Frühstück her, obwohl es ihnen nicht gerade freundlich gereicht worden war. Sie hätten es gewiß abgelehnt, wenn sie nicht so hungrig gewesen wären; denn sie hatten seit gestern mittag nichts mehr gegessen. Also ging der Hunger über ihren Stolz, und sie ließen sich das ländliche Frühstück gut munden.

      *

      Bevor Karola nach unten ging, sah sie sich hier oben erst einmal um und bemerkte einen langen, breiten Korridor, der rechts eine Anzahl Flügeltüren und links Nischen mit Fenstern aufwies. Obwohl das alles dringender Reparatur bedurfte, machte es dennoch irgendwie einen feudalen Eindruck, wie man diesen nur in alten Herrenhäusern findet. Ein Duft umwehte sie wie von Rosen und Lavendel.

      Langsam stieg Karola die breite, kunstvoll geschnitzte Treppe hinab, deren Läufer immer noch dick und weich war, obwohl er abgetretene Stellen aufwies.

      Und dann die Halle mit ihrem Mosaikboden, den altertümlichen Truhen und Schränken, den wuchtigen Sesseln vor dem Marmorkamin, den nachgedunkelten Bildern in schweren Gold­rahmen, den Fellen, altertümlichen Waffen – das alles machte Karola Arnhöft, die als Pflegekind der reichen Wiederbachs an allerlei Pracht gewöhnt war, nun doch beklommen. Wo war sie hier nur hingeraten!

      Zögernd stand sie da, nicht wissend, welche der vielen hohen und reichgeschnitzten Türen sie öffnen sollte, bis sie hinter einer Stimmen hörte, da gab sie sich einen Ruck, klopfte.

      Und stand gleich darauf in dem Wohngemach, wo Familie Hörgisholm vollzählig versammelt war. Mollig warm war es darin und ungemein traulich. An dem Sekretär, ein Prunkstück alter solider Wertarbeit, saß die Hausherrin und machte