Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Название Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman
Автор произведения Patricia Vandenberg
Жанр Языкознание
Серия Im Sonnenwinkel Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740918064



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plötzlich wußte er, wohin sie ging, zu wem sie schon vorhin gegangen war.

      Angst erfaßte ihn, als er sich vorstellte, wie sie allein durch den dunklen Wald lief zum Gruber-Hof, und am liebsten wäre er ihr nachgelaufen. Aber er fühlte auch, daß sie das, was sie nun vorhatte, mit sich selbst ausmachen mußte.

      Nicht ihm allein hatte sie Leid zugefügt, als sie die Heimat verließ, auch dem Onkel Korbinian.

      Und vielleicht begriff Viktoria erst jetzt, da sie selbst durch Leid geprüft worden war, was zehn lange Jahre bedeuten konnten in einem Menschenleben.

      *

      »Was denkst du nur so ausdauernd, Ingelein?« fragte Werner Auerbach seine Frau. »Du schaust ja ganz düster drein. Hast du dich geärgert?«

      »Leid täte es mir für Till Jaleck«, sagte Inge geistesabwesend.

      »Was täte dir leid?«

      »Wenn er auch diesmal enttäuscht würde.«

      »Du mußt nicht soviel auf meine dumme Rederei geben«, erklärte Werner Auerbach entschuldigend. »Es war eine Blödelei.«

      »Es war keine. Du kannst recht haben«, erwiderte sie nachdenklich. »Ich habe den Gruber-Bauern und Frau Burg beisammen gesehen. Zum Glück hat es Bambi nicht spitzgekriegt. Jedenfalls schienen sich die beiden ziemlich einig zu sein, und dabei sieht sie wirklich nicht aus, als würde sie nur auf ihren finanziellen Vorteil bedacht sein.«

      »Das sieht man den Leuten nicht an der Nasenspitze an, mein Schatz. Die Raffiniertesten haben die größten Unschuldsmienen. Aber ich muß schon sagen, daß es allerhand ist, wenn sie im Eiltempo ihre Chancen sucht und auch findet, und der Gruber ist dann für mich doch ein alter Depp. Zerbrich dir nicht den Kopf, Inge. Es geht uns nichts an.«

      »Ich denke doch nur an Till Jaleck«, bemerkte sie kleinlaut. »Es wäre schon eine Gemeinheit, wenn sie ihn so rücksichtslos im Stich ließe.«

      »Wer sagt denn immer, man solle das Kind nicht mit dem Bade ausschütten?« entgegnete er nachsichtig. »Abwarten und Tee trinken. Und jetzt mach ein anderes Gesicht.«

      »Mami, darf ich noch mal stören?« rief Bambi.

      »Komm nur herein, Schatz«, sagte Werner Auerbach, ganz froh über die Ablenkung. »Was willst du denn?«

      »Ich möchte gern wissen, ob helle Augen besser gucken können als dunkle.«

      »Das kommt doch nicht auf die Farbe an«, belehrte sie ihr Vater.

      »Nicht auf die Größe und auch nicht auf die Farbe«, meinte sie kopfschüttelnd, »worauf denn?«

      »Auf die Nerven«, erwiderte er. »Was hat das denn mit den Nerven zu tun?« wunderte sie sich.

      »Das laß dir lieber mal von einem Mediziner erklären, sonst bringe ich noch einen Wurm rein! Bei deiner Gründlichkeit muß man vorsichtig sein. Wie kommst du denn überhaupt darauf?«

      »Weil Frau Burg doch ganz große helle Augen hat und eine dunkle Brille trägt. Keine Sonnenbrille, aber eine mit ziemlich dunklen Gläsern.«

      »Sie kann auch mit großen hellen Augen kurzsichtig sein«, stellte er mit anzüglichem Unterton fest, »oder auch weitsichtig. Das letztere halte ich für wahrscheinlicher.«

      Das verstand Bambi nun nicht. Aber Inge wußte, was er damit sagen wollte. Sie kannte seinen Sarkasmus in bestimmten Fällen.

      »Wie ist das nun?« wollte Bambi jetzt wissen. »Wenn man kurzsichtig ist, braucht man da eine Brille, mit der man weiter gucken kann?«

      »Vor allem deutlicher«, erklärte Werner geduldig.

      »Du brauchst deine Brille bloß zum Arbeiten. Auf der Straße brauchst du keine, und Mami braucht gar keine.«

      »Sie sieht auch Dinge, die sie besser nicht sehen sollte«, meinte Werner Auerbach. »Aber jetzt wird geschlafen. Schätzchen. Deine Äuglein sind ganz müde.«

      »Und warum werden Augen müde, wenn man selber gar nicht müde ist?«

      »Weil das die Augen besser wissen als unser Fräulein Schlaumeier«, neckte er sie.

      *

      Ich brauche mich nicht zu fürchten, dachte Viktoria, als sie durch den dunklen Wald lief.

      Die Bäume waren so dicht, daß sie den Himmel nicht sehen konnte, und auch das Licht des Mondes konnte dieses Dickicht nicht durchdringen.

      Sie fürchtete nun doch, daß sie sich verlaufen könnte, und atmete auf, als sie die Lichtung erreichte, an der sie heute schon einmal mit Christoph und Corri gestanden hatte.

      Nur die Fenster von Onkel Korbinians Arbeitszimmer waren erleuchtet. Aber entgegen seiner früheren Gewohnheit hatte er die Fensterläden nicht geschlossen, so, als wolle er ihr den Weg weisen.

      Ein Stechen war in ihrer Brust von dem schnellen Lauf. Was sie heute schon alles gelaufen war! Mehr, als in den letzten Monaten zusammen.

      Aber nun war sie bald am Ziel, und leise klopfte sie an das eine Fenster.

      Onkel Korbinian war schnell an der Tür. »Vicky!« flüsterte er. Es klang fast wie ein Schluchzen. Und nun umarmte sie ihn.

      Ganz still lag ihr Kopf an seiner Schulter. Seine knochigen Finger streichelten sanft und behutsam ihr Haar.

      »Nun bist du wieder daheim«, sagte er andächtig. »Komm, mein Kind! Ich habe den besten Wein bereitgestellt.«

      »Steigt er auch nicht zu sehr in den Kopf? Ich muß doch wieder zurück.«

      »Mußt du das?« Seine Stimme klang bekümmert. »Wie denkst du dir dein Leben, Vicky?«

      »Ich denke gar nicht. Ich will nicht denken. Ich werde nur noch nach meinem Gefühl handeln.«

      »Und meinst du, daß es dir das Richtige eingibt?«

      »Diesmal ja. Ich weiß, wie vergänglich das bißchen Ruhm ist. Ich bin heute schon vergessen.«

      »Auch von dem Mann?«

      »Von welchem Mann?«

      »Den du heiraten wolltest oder geheiratet hast.«

      »Ich habe ihn nicht geheiratet, oder ich sollte besser sagen, er hat mich nicht geheiratet, nachdem der Unfall passiert war. Ich habe schrecklich ausgesehen, Onkel Korbinian.«

      »Hat es sehr weh getan?«

      »Ich habe viele Operationen hinter mich bringen müssen, um wenigstens wieder einigermaßen menschlich auszusehen.«

      »Ich meine, ob es weh getan hat, daß er dich nicht heiratete, dieser Mann«, stieß er feindselig hervor.

      »Ich habe herausgefunden, daß es so besser war. Für ihn war ich wohl nur ein Objekt, das sein Prestige stärken sollte. Es ist erledigt. Wir brauchen darüber nicht mehr zu sprechen.«

      »Aber über Till«, sagte er leise.

      »Er wird kaum vergessen haben, was ich ihm antat«, entgegnete Viktoria verhalten. »Wunden, die man einem Herzen schlägt, kann man nicht mit Operationen schließen. Wie heißt es doch, Onkel Korbinian! Die tiefste Wunde heilet, schmerzt sie auch noch so sehr. Ein Riß doch, der zerteilet das Herz auf einmal gänzlich, der heilet nimmermehr.«

      »Du weißt ja nicht, ob es ein solcher Riß war.«

      Er hatte eine Frau, die ihm zwei Kinder geschenkt hat, zwei reizende Kinder. Du wirst es vielleicht nicht begreifen, aber ich liebe diese Kinder, als wären es meine eigenen. Nach dieser kurzen Zeit ist das schon so. Und alles, was gewesen ist, konnte mich nicht so schmerzhaft treffen, als wenn ich mich von diesen Kindern trennen müßte.«

      Er sah sie gedankenvoll an.

      »Von ihnen oder von ihrem Vater?« fragte er heiser.

      »Von ihnen und ihrem Vater«, erwiderte sie nach einem kurzen Zögern. »Till war meine erste Liebe und er wird