Название | Sophienlust Paket 3 – Familienroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Sophienlust Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740959937 |
Schlimm war auch, dass Oliver ihn immer wieder nach seiner Mutti fragte und er ihm ausweichende Antworten geben musste. Am Abend vor seiner Abreise sagte er schließlich zu ihm: »Hör’ mir mal gut zu, mein Junge. Du musst dich damit abfinden, dass deine Mutti noch sehr lange nicht nach Hause kommt. Aber wenn du willst, nehme ich dich mit nach Hause. Marianne sehnt sich nach dir.«
»Ich will hierbleiben, Vati. Andreas braucht mich nämlich«, entgegnete Oliver zu Clemens’ Enttäuschung. »Er hat doch keine Eltern mehr. Und er bleibt für immer in Sophienlust.«
»Willst du denn auch für immer hierbleiben, Oliver?«
»Wenn Mutti nicht daheim ist, will ich hierbleiben. Hier ist es viel lustiger. Ich bin hier auch nicht allein, Vati. Das siehst du doch ein.« Die Kinderaugen richteten sich fragend auf ihn.
»Das sehe ich ein.« Clemens unterdrückte einen Seufzer. Sehr rosig sah seine Zukunft nicht aus, fand er.
»Vati, ich möchte so gern Mutti im Krankenhaus besuchen.« Oliver schluckte krampfhaft seine Tränen hinunter. »Ich weiß doch, dass man einen Kranken im Krankenhaus besuchen darf.«
»Es geht wirklich nicht, mein Junge. So, und nun ist es Zeit für dich, zu Bett zu gehen. Ich verlasse morgen sehr früh Sophienlust, weil ich gegen Mittag in München sein muss.«
Oliver nickte. Dabei zog er die Nase hoch. »Kommst du bald wieder?«, fragte er leise.
»Ja, Oliver.« Doch trotz dieser Zusage war Clemens entschlossen, nicht so bald wiederzukommen. Seine Besuche in Sophienlust brachten den Jungen nur in seelische Konflikte.
In diesem Sinne äußerte er sich auch Denise gegenüber.
»Vielleicht ist es wirklich besser, wenn das Kind ein wenig Abstand bekommt. Dass Oliver sich so sehr mit Andreas Hasler angefreundet hat, ist für beide Jungen ein Segen.«
»Ich rufe Sie nächste Woche an, gnädige Frau«, versprach Clemens, als er sich von Denise verabschiedete.
Oliver überwand seinen Abschiedskummer schnell. Seit einigen Tagen teilte er mit Andreas das Zimmer, denn Horst war bereits von seinen Eltern abgeholt worden.
»Ich wünschte, wir wären Brüder«, sagte er kurz vor dem Einschlafen zu Andreas. »Und wenn du für immer in Sophienlust bleibst, möchte ich auch für immer hierbleiben, Andreas. Jedenfalls so lange, bis Mutti aus dem Krankenhaus kommt«, schränkte er ein und nahm Stupsi, den Teddy, ganz fest in den Arm. Tante Isi hatte ihm erlaubt, das Stofftier so lange zu behalten, wie er wollte. Wenn Mutti zu ihm kommen würde, wollte er sie bitten, ihm auch einen Stupsi zu kaufen, dachte er noch, bevor er einschlief.
*
Die Ferientage mit Ulla auf der Nordseeinsel Borkum waren für Gesas Nerven wohltuend gewesen. Gesa wäre gern noch einige Tage geblieben, aber Ulla musste aus beruflichen Gründen nach Hamburg zurückkehren, und Gesa hatte keine Lust, allein zu bleiben. So schloss sie sich ihrer Freundin an und übernachtete noch einmal bei ihr in der Wohnung. Doch dann hielt sie es keine Stunde mehr in Hamburg aus.
»Ich fahre noch heute nach München«, erklärte sie beim Frühstück.
»Das tut mir leid. Es wäre besser für dich, wenn du noch einige Tage bei mir bliebest, Gesa.« Ulla sah sie besorgt an. »Gesa, nicht wahr, du machst keine Dummheiten? Versprichst du mir das?«
»Das kann ich dir versprechen, Ulla. Ich gebe mich nicht so leicht geschlagen. Die Zeit mit dir hat mir neue Kraft gegeben.«
»Darüber bin ich ehrlich froh. Und vergiss nicht, dass ich immer für dich da bin, wenn du mich brauchst.« Ulla blickte auf ihre Armbanduhr. »Ich muss fahren. Sonst glaubt Dr. Klinger noch, ich sei verlorengegangen.« Sie erhob sich. »Sperr’ bitte die Wohnung ab und wirf den Schlüssel in den Briefkasten. Ich habe noch einen zweiten Schlüssel.«
Die Freundinnen umarmten sich. Dann war Gesa sich selbst überlassen. Sie trat auf die Terrasse hinaus, um auf die Straße hinunterzublicken. Sie sah Ulla in ihren Porsche einsteigen und losfahren. Als sie das Auto nicht mehr sehen konnte, fühlte sie sich plötzlich sehr allein. Ruhelos lief sie durch die kleine Wohnung. Dabei betrachtete sie die Bilder an den Wänden. Besonders ein alter Stich weckte ihr Interesse. »Bad Kissingen um 1825« las sie laut. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie daran dachte, dass dort ihr unehelicher Sohn mit seinen Adoptiveltern wohnte. Sie atmete schwer. Heiße und kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Auf einmal hatte sie das heftige Verlangen, nach Bad Kissingen zu fahren, um mehr über ihr Kind zu erfahren. Sie wusste genau, dass sie damit ihr einst gegebenes Versprechen brechen würde, aber die Sehnsucht nach ihrem unbekannten Sohn bestimmte ihr weiteres Tun. Sie wollte wenigstens seinen Namen wissen und ihn ein einziges Mal sehen.
In Windeseile packte Gesa ihre Sachen. Dann verließ sie die Wohnung. Sie schloss die Tür ab, warf den Schlüssel in den Briefkasten und stieg in den Lift.
Das Wetter hatte über Nacht umgeschlagen. Der Himmel zeigte ein eintöniges schmutziges Grau. Es fing zu nieseln an, und sturmartige Böen fegten durch die Straßen. Fröstelnd zog Gesa die Schultern hoch, als sie die Autotür aufschloss. Dabei fiel ihr Blick auf den kleinen Stoffpudel aus Olivers Zimmer in der Grünwalder Villa, der auf dem hinteren Sitz saß.
»Oliver, mein kleiner geliebter Oliver, wo bist du?«, flüsterte Gesa und stieg ein. Sie musste ein Weilchen warten, bis der Tränenschleier vor ihren Augen verschwand. Dann fuhr sie los.
Der Regen wurde heftiger. Als Gesa die Autobahn erreichte, goss es in Strömen. Sie musste sich so stark auf das Fahren konzentrieren, dass sie nicht mehr ihren traurigen Gedanken nachhängen konnte. Darüber war sie sehr froh. Doch als sie die Autobahn wieder verlassen hatte und die Straße nach Würzburg einschlug, überlegte sie, dass es besser wäre, umzukehren und die Richtung nach München einzuschlagen. Aber eine unsichtbare Macht trieb sie vorwärts. »Ich kann nicht mehr zurück«, flüsterte sie und fuhr noch schneller.
Gesas Erregung legte sich bald wieder. Sie fuhr nun langsamer. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, die Sonne zeigte sich zwischen den Wolken.
Gesa war nicht zum ersten Mal in dieser Gegend, aber so schön hatte sie das Stückchen Land nicht in Erinnerung gehabt. Wenn das Ehepaar, das ihren Sohn adoptiert hatte, nicht von hier fortgezogen war, wuchs der Junge in einer herrlichen Umgebung auf, dachte sie erleichtert.
In Bad Kissingen ging Gesa sofort zum Einwohnermeldeamt. Aber die Schalter waren schon geschlossen, so dass sie das Gebäude unverrichteter Dinge wieder verlassen musste.
Gesa nahm sich ein Hotelzimmer und bat den Portier um das Adressbuch. Nun fiel ihr auch wieder ein, dass Herr Hasler mit Vornamen Alfred hieß. Sie schlug das dicke Buch auf. Es gab darin nur einen einzigen Alfred Hasler. Er war Filialleiter.
Gesa erfrischte sich ein wenig und verließ das Hotel wieder, um zu der Wohnung Alfred Haslers zu fahren. Das Haus befand sich in einer stillen Straße etwas außerhalb des Ortes.
Langsam fuhr Gesa an dem Grundstück vorbei und kehrte dann um. Einige Meter hinter dem Gartentor blieb sie mit ihrem Auto stehen. Noch war sie viel zu erregt, um aussteigen zu können. Still blieb sie am Volant sitzen und blickte auf das Haus zwischen den hohen Bäumen.
Endlich ließ ihr heftiges Herzklopfen nach. Sie stieg aus und ging langsam bis zum Gartentor. Auf dem Messingschild las sie den Namen Hasler. Sollte sie auf den Klingelknopf drücken? Nein, das war unmöglich. Vorsichtig drehte sie den Messingknauf am Tor. Aber das Gartentor war abgeschlossen.
Ratlos blickte Gesa wieder in den Garten. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass der Junge plötzlich darin auftauchte.
Doch nun fiel ihr auf, wie unbewohnt das Haus wirkte. Ob die Haslers verreist waren? Möglich wäre es. Vor den Fenster im Parterre waren Gitter angebracht. Im oberen Stockwerk waren einige Läden geschlossen.
Gesa ging