Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Читать онлайн.
Название Sophienlust Paket 3 – Familienroman
Автор произведения Patricia Vandenberg
Жанр Языкознание
Серия Sophienlust Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740959937



Скачать книгу

Wendt war überrascht, in Denise von Schoenecker eine so reizvolle Frau zu finden.

      »Ich habe Sie kommen hören«, erklärte Denise nach der Begrüßung. »Ich habe Sie schon erwartet, Herr Dr. Wendt. Hatten Sie eine gute Fahrt?«

      »Von München nach Frankfurt ist es ja nicht allzu weit. Die Autobahn war kaum befahren, so dass wir schnell vorwärts gekommen sind.«

      Es fiel Clemens schwer, den Blick von Denise zu lösen. Aber auch Oliver sah sie unverwandt an. Dann sagte er: »Ich mag dich sehr. Wie heißt du denn?«

      »Ich bin ab heute deine Tante Isi.«

      »Mutti hat auch dunkles Haar, aber nicht ganz so dunkel. Und ihre Augen sind auch nicht so dunkel. Aber du bist so lieb wie sie. Meine Mutti ist krank. Deshalb komme ich ins Kinderheim.«

      Oliver hatte schnell und leise gesprochen. Dass ihm die Tränen im Augenblick recht locker saßen, war unverkennbar. Deshalb fasste Denise nach seiner Hand und sagte geheimnisvoll: »Ich werde dir jetzt etwas sehr Schönes zeigen. Komm, Oliver.«

      Oliver schluckte seine Tränen wieder hinunter und sah vertrauensselig zu seiner neuen Tante Isi auf, die ihn in den Wintergarten führte. Heidi folgte den beiden, ebenso Frau Rennert und Clemens.

      »Kleiner neuer Junge, wer bist du?«, fragte plötzlich eine schnarrende Stimme.

      Oliver blickte sich erschrocken nach allen Seiten um. »Wer hat denn da gesprochen?«, fragte er erregt. »Es ist doch kein Mensch hier außer uns.«

      »Dummer Junge!« Die krächzende Stimme ertönte nun hinter seinem Rücken. Verdutzt drehte Oliver sich um.

      »Das war Habakuk, unser Papagei!«, rief Heidi kichernd. Es machte ihr jedes Mal viel Spaß, wenn ein neues Kind den bunten Vogel kennen lernte.

      »Das ist genauso ein Vogel wie der, der auf dem Wegweiser in dem Käfig sitzt«, staunte Oliver. »Kann er denn noch mehr sagen?«

      »Ja, er kann vieles sagen.«

      Clemens kam bei der Unterhaltung immer mehr zu der Überzeugung, dass Oliver in dem Kinderheim gut aufgehoben sein würde.

      »Ich glaube, ich höre die Kinder!«, rief Frau Rennert nun. »Sie kommen von ihrem Ausflug zurück. Nun wirst du gleich alle Kinder kennen lernen, Oliver. Sie werden dich alle lieb haben«, versprach sie ihm.

      Der Kleine blickte der Kinderschar, die ins Haus stürmte, scheu entgegen. Ein ungefähr fünfzehnjähriger Junge mit schwarzgelocktem Haar und ebenso dunklen Augen stellte sich als Erster vor. »Ich heiße Dominik von Wellentin-Schoenecker, aber Sie dürfen mich Nick nennen«, wandte er sich an Clemens. »Alle anderen nennen mich auch so. Natürlich dürfen Sie mich auch duzen. Denn die meisten glauben, ich sei schon erwachsen, weil ich so groß bin. Aber erwachsen ist man lange genug«, fügte er verschmitzt lächelnd hinzu. »Und du bist der Oliver?«

      Oliver nickte. Schnell hatte er seine Schüchternheit überwunden. Besonders gut gefiel ihm ein sommersprossiges Mädchen mit goldblonden Haaren und blauen Augen. Es hieß Pünktchen. Das war eine Name, den Oliver sehr lustig fand.

      Pünktchen fuhr dem Jungen übers Haar und sagte: »Du bist aber hübsch, Oliver. Wir freuen uns sehr, dass du bei uns bleibst. So, und nun stelle ich dir die anderen Kinder vor.«

      Oliver hörte aufmerksam zu, als Pünktchen alle Namen aufzählte. Natürlich konnte er sie sich nicht so schnell merken, aber Nick tröstete ihn, indem er erklärte, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen sei.

      Auch Nick gefiel dem kleinen Jungen. »Darf ich jetzt die Ponys sehen?«, fragte er.

      »Nick, ich habe mit Herrn Dr. Wendt noch einiges zu besprechen. Ich glaube, ihr Kinder solltet inzwischen zu den Koppeln laufen und Oliver die Pferde und Ponys zeigen«, schlug Denise vor.

      Oliver war in seinen Gefühlen hin und her gerissen. Einerseits wäre er gern bei seinem Vater geblieben, andererseits konnte er es kaum erwarten, endlich die Ponys zu bewundern.

      »Geh nur, Oliver«, half Clemens ihm bei der Entscheidung. »Ich muss noch mit Tante Isi sprechen.«

      »Nicht wahr, du fährst aber nicht fort?« Bange sah Oliver seinen Vater an.

      »Wie könnte ich!« Clemens wurde das Herz noch schwerer, als er in die treuherzigen Augen seines kleinen Sohnes schaute. Sicherlich würde der Abschied nicht ohne Tränen abgehen. Darauf musste er sich gefasst machen.

      Oliver verließ zwischen Nick und Pünktchen die Halle, während Clemens Denise in das Biedermeierzimmer folgte. Die stilechten Möbel darin überraschten Clemens. Das sprach er auch aus.

      »Ich habe das Zimmer so gelassen, wie es zu Lebzeiten von Nicks Urgroßmutter aussah. Nick ist ihr Erbe.«

      »Frau Rennert sagte mir schon, dass Sie Sophienlust für Ihren Sohn verwalten.«

      »Das tue ich.« Denise erzählte ihm nun einiges von ihrer Familie. So erfuhr Clemens, dass sie zum zweitenmal verheiratet war und aus der Ehe mit Alexander von Schoenecker auch einen Sohn hatte, den siebenjährigen Henrik. Außerdem berichtete Denise ihm von Andrea, ihrer Stieftochter, die mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn verheiratet war. Auch Sascha erwähnte sie, den ältesten Sohn ihres Mannes, der in Heidelberg studierte. »Bitte, bleiben Sie doch über Nacht hier«, lud sie Dr. Wendt danach ein. »Dann lernen Sie meine Familie vollzählig kennen. Sascha verbringt gerade seine Semesterferien bei uns in Schoeneich. Und meine Stieftochter und ihren Mann erwarte ich zum Abendessen. Ihren kleinen Sohn bringen die beiden natürlich nicht mit. Er ist noch ein Baby«, fügte sie hinzu.

      Clemens nahm die Einladung ohne Zögern an. Nichts zog ihn in die Münchner Villa. Außer dem Hausmädchen erwartete ihn kein Mensch dort. Außerdem war der nächste Tag ein Sonntag, so dass er auch in beruflicher Hinsicht nichts versäumte.

      »Sie erwähnten vorhin, dass Ihre Frau krank sei. Ich hoffe, dass es nichts Ernstes ist.« Mitfühlend sah Denise den Besucher an.

      »Es ist nichts Ernstes«, entgegnete Clemens hastig. »Aber die Krankheit ist langwierig. Darum halte ich es für angebracht, unseren Sohn hier unterzubringen.«

      Denise entging nicht seine Nervosität. Sie war fast sicher, dass es in der Ehe von Dr. Wendt irgendwelche Komplikationen gab, über die er nicht sprechen wollte. Sie stellte jedoch keine Fragen, und Clemens war ihr dankbar dafür. Es wäre ihm unmöglich gewesen, über Gesa zu sprechen.

      Etwas später besichtigte Clemens mit Denise das Kinderheim. Die freundlichen Schlafzimmer der Kinder mit je zwei Betten gefielen ihm besonders gut. An den Fenstern hingen buntbedruckte Gardinen.

      In einem dieser Zimmer sagte Denise lächelnd: »Hier haben wir Oliver untergebracht. Ich glaube, das Zimmer wird ihm gefallen. Sie müssen wissen, dass bei uns in den großen Ferien jedes Kinderbett besetzt ist. Oliver teilt dieses Zimmer mit einem vierjährigen Jungen. Er heißt Horst Bachler und kommt aus Nürnberg. Seine Eltern sind mit einem Luxusdampfer unterwegs, um richtige Ferien zu machen. Horst ist nun schon über vier Wochen bei uns. Sie haben den Jungen ja vorhin bereits kennen gelernt.«

      Clemens erinnerte sich nur schwach an den kleinen Jungen mit den dunklen Haaren und den braunen Augen. »Es freut mich für Oliver, dass er mit einem ungefähr gleichaltrigen Jungen das Zimmer teilen wird. Oliver hängt sehr an seiner Mutter. Der Abschied von ihr wird …, war schwer für ihn«, verbesserte er sich.

      Wieder fiel Denise seine versteckte Erregung auf. Nach wie vor war sie überzeugt, dass Frau Wendt entweder an einer tückischen Krankheit litt oder dass es unüberwindliche Schwierigkeiten zwischen den Ehepartnern gab.

      *

      Oliver war an diesem Tag von den vielen neuen Erlebnissen so in Anspruch genommen, dass ihm keine Zeit blieb, über den Abschied von seinem Vati nachzugrübeln. Kaum lag er im Bett, war er auch schon eingeschlafen. Sehr zur Enttäuschung von Horst, der sich zu gern noch ein Weilchen mit seinem neuen Zimmergenossen unterhalten hätte. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als den zotteligen Teddybär Stupsi in die Arme zu nehmen und ein ganz kleines bisschen nach seiner Mami und seinem