Название | Sophienlust Paket 3 – Familienroman |
---|---|
Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Sophienlust Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740959937 |
Hanna presste wie hilflos die Handflächen gegeneinander. Klaus hat recht, überlegte sie. Wenn man mit Unehrenhaftigkeit erst einmal in Berührung kommt, wird man unweigerlich mit in den Schmutz gezogen. Ich verstehe ihn jetzt viel besser. Was soll ich nur tun?
Hanna rannen Tränen über die Wangen. Lautlos vergossene Tränen des bittersten Leides. Würde der Himmel ein Einsehen haben und ihr verzeihen, dass sie schwieg?
*
Hanna fand den kleinen Brief in der Tasche ihrer weißen Sportjacke, die über einem Deckstuhl gelegen hatte. Sie fühlte sich krank und elend. Ihr Mann hatte deshalb mit ihr einen Rundgang um das Deck gemacht. Die Jacke hatte sie wegen der großen Wärme zurückgelassen.
»So, nun ruhe dich aus, Liebste. Ich hole dir eine Erfrischung.«
Hanna rang sich ein verzerrtes Lächeln ab, und Klaus Martell fragte sich, wodurch sich das Befinden seiner Frau so jäh verändert haben könnte. Sie sah miserabel aus, aß nicht und zuckte beim geringsten Anlass nervös zusammen.
Hanna wartete, bis ihr Mann außer Sichtweite war. Dann riss sie den Umschlag auf.
Es war Georgs Schrift, unverkennbar.
Ich muss dich sprechen. Es ist wichtig. Kannst du heute Abend dafür sorgen, dass ich mit an eurem Tisch sitze.
Sie las die unverschämte Aufforderung zweimal. Dann wurde ihr klar, dass sie sich in seiner Hand befand.
Wie dumm von mir, dass ich ihm offen eingestanden habe, wie Klaus die Wahrheit aufnehmen würde.
»Ich habe einen Kakao für dich bestellt.«
Bei dem Gedanken an das süße Getränk drehte sich ihr fast der Magen um. Trotzdem dankte sie freundlich.
Sie steckte das gefährliche kleine Brieflein wieder ein und zerknitterte es in der Jackentasche. Nur schwer unterdrückte sie das Verlangen, ihrem Mann schluchzend in die Arme zu sinken und ihn um Hilfe zu bitten. Es gab niemanden, der ihr helfen konnte. Sie musste allein versuchen, das unaufhaltsam auf sie zurollende Rad aufzuhalten, das sie zu zermalmen drohte.
Der Tag schleppte sich hin. Hanna nahm an den kleinen Abwechslungen und Vergnügungen, die ihnen zur lieben Gewohnheit geworden waren, nicht teil, sondern entschuldigte sich mit Kopfweh. Doch zum Abendessen kleidete sie sich sorgfältig um, nachdem sie den verräterischen Brief zuvor vernichtet hatte.
»Herr Dr. Bruck hat darum gebeten, mit an Ihrem Tisch speisen zu dürfen«, richtete der Steward aus. »Darf ich ein weiteres Gedeck auflegen?«
Hanna wurde blass, während ihr Mann belustigt lächelte. »Du scheinst einen Verehrer gefunden zu haben, Hanna. Sicher hast du nichts dagegen, wenn er uns Gesellschaft leistet. Es muss ziemlich öde sein, ganz allein am Tisch zu essen.«
»Wenn du meinst«, gab Hanna mit erstickter Stimme zurück. »Wolfsens sind hoffentlich einverstanden.«
»Ich habe die Herrschaften bereits gefragt, gnädige Frau«, berichtete der Steward.
Wenig später erschien Georg Pflug. Mit vollendeter Sicherheit küsste er den Damen die Hand und bedankte sich dafür, dass er mit am Tisch Platz nehmen dürfe.
Hanna saß wie auf glühenden Kohlen. Doch niemand bemerkte etwas davon, mit Ausnahme ihres ersten Mannes, der ihr ab und zu einen ironischen Blick zuwarf.
Das Gespräch war lebhaft. Klaus Martell fragte nach des vermeintlichen Doktors Interessen, und dieser erzählte ein paar spannende Abenteuer aus Afrika. So spielte er die selbstgewählte Rolle des reichen Globetrotters recht glaubhaft.
»Sie sind Arzt wie ich?«, warf der Professor ein.
Georg schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe Zoologie studiert. Aber nur so zum Spaß. Irgendetwas muss man schließlich machen, wenn man von der Schule kommt. Tiere faszinieren mich. Es ging stets ums Einfangen.«
»Warum fängt man so viele wilde Tiere?«, fragte Michaela Wolfsen.
»Für die zoologischen Gärten, zum Beispiel. Aber auch für wissenschaftliche Zwecke. Es gibt immer noch Tierarten, von denen wir wenig wissen.«
Hanna konnte nur staunen, über die Kenntnisse und die große Gewandtheit, die Georg erworben hatte. Jedenfalls brauchte sie keine Sorge zu haben, dass er sich verraten würde. Er schien schon ziemlich lange den vermögenden Akademiker zu spielen.
Als die ausgedehnte Mahlzeit beendet war, ging es gemeinsam in einen der Gesellschaftsräume, wo man Kaffee und Cognac bestellte. Der offenbar mit allen Wassern gewaschene ›Dr. Bruck‹, ließ es sich nicht nehmen, die kleine Runde zum Champagner einzuladen. Er zeigte sich von der charmantesten Seite. Hanna musste hilflos und stumm erleben, dass ihr Mann und die beiden Wolfsens von ihrem neuen Freund entzückt waren.
Der Kapitän durchquerte den Raum und setzte sich ein Weilchen zu ihnen.
»Etwas Neues von der Front?«, fragte der falsche Doktor seinen Freund mit selbstverständlicher Vertraulichkeit. »Haben Sie unseren Juwelendieb schon in Ketten gelegt?«
»Leider nicht, Dr. Bruck. Ich habe noch einmal an die Passagiere appeliert, Geld und Wertsachen in unserem Safe zu deponieren. Wenn jetzt noch etwas abhanden kommt, ist es eigenes Verschulden.«
»Hm, ich habe zwar sonst das Prinzip, selbst auf meine Sachen zu achten, aber inzwischen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass dieser Kerl jedes Schloss aufschließen kann. Vielleicht ist es sogar eine Sie. Wer weiß? Jedenfalls bleibt zu hoffen, dass der Safe für den Dieb unzugänglich ist. Das wäre nämlich eine Katastrophe, fürchte ich.«
Hanna erschauerte bei dieser Unverfrorenheit. Offenbar hatte Georg Pflug seine Beute im Safe deponiert. Einem verschlossenen Umschlag oder Päckchen konnte niemand ansehen, was sich darin befand.
Es wurde noch ein paar Minuten über die Diebstähle gesprochen, dann entschuldigte sich der Kapitän und ging weiter. Erst nach einer weiteren Stunde, die Hanna wie eine Ewigkeit erschien, ergab sich die Gelegenheit zu einem hastigen Wortwechsel mit Georg.
»Ich brauche Geld, Hanna. Wenn du Wert darauf legst, dass dein Professor nichts über das Strafregister deines ersten Mannes erfährt, würde ich dir raten, mir keine Schwierigkeiten zu machen.«
»Dann würdest du dich zugleich selbst verraten, Georg. Außerdem habe ich hier kein Geld.«
»Warum sollte ich mich verraten? Es genügt ein kurzer Brief unter einem fingierten Namen. Ich könnte zum Beispiel behaupten, dass ich jenen Tierpfleger Georg Pflug gut gekannt hätte. Den Rest kann der Herr Professor selbst bei der Polizei erfragen. Deine Schuld, dass du ihm nicht von Anfang an reinen Wein eingeschenkt hast. Wahrscheinlich hätte er sich die Ehe mit dir dann ziemlich schnell aus dem Kopf geschlagen. Oder sehe ich das nicht richtig? Er scheint Wert auf Anstand und Moral zu legen.«
»Sei still, die anderen kommen zurück!«, stieß Hanna verzweifelt hervor.
»Wir werden noch öfter miteinander sprechen. Ich gehöre ja jetzt zu deiner Clique. Ich brauche das Geld nicht sofort, sondern später, wenn du wieder zu Hause bist, Schätzchen.«
Hanna zitterte am ganzen Leib. Trotzdem brachte sie die Kraft auf, ihre Angst zu verbergen. Dem weiteren Verlauf der Reise sah sie allerdings mit banger Furcht entgegen. Sie wusste, dass ihr erster Mann sie nicht mehr aus den Augen lassen würde.
Ich verliere noch den Verstand, dachte sie unglücklich. Sie konnte kaum mehr essen, schlief schlecht und hatte das Lachen verlernt.
Der Professor fragte sich, ob das Seeklima mit der ständigen Sonneneinstrahlung zu anstrengend für seine Frau sei, und machte sich Vorwürfe, ihr zu viel zugemutet zu haben.
So verlief der Rest dieser Kreuzfahrt für Hanna und ihren Mann nicht besonders erfreulich. Zur Erleichterung aller Passagiere ereigneten sich keine weiteren Diebstähle. Allerdings verringerte sich auch die Wahrscheinlichkeit der Aufklärung derselben, obwohl an einem der letzten Anlegeplätze ein Polizeibeamter in Zivil an Bord kam, der sich bemühte, Licht in das Dunkel dieser Affäre