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Tochter, Klaus. Ich war so glücklich, dass wir beide endlich ein Kind haben sollten. Zuerst sah es doch so aus, als würde uns Nachwuchs versagt bleiben. Immerhin sind wir seit mehr als sieben Jahren verheiratet.«

      »Aus ärztlicher Sicht ist das nichts Ungewöhnliches, Hanna. Da du früher selbst Krankenschwester warst, solltest du es wissen. Deshalb besteht auch durchaus noch Hoffnung, dass du in absehbarer Zeit wieder ein Baby bekommst.«

      Hanna nickte. »Ja, vielleicht. Trotzdem muss ich die Enttäuschung erst hinter mich bringen. Ich spüre, dass es für dich nicht weniger bitter ist. Du willst mich trösten. Das ist lieb von dir. Aber ein eigenes Kind hätte dich glücklich gemacht.«

      »Ich habe Antje so lieb, als wäre ich ihr Vater, Hanna. Sie gehört zu dir. Hast du ihr eigentlich mal gesagt, dass sie aus deiner ersten Ehe stammt?«

      »Nein, Klaus, bis jetzt nicht. Ich meine, wir sollten damit warten, bis sie älter geworden ist.«

      »Meinetwegen braucht sie es gar nicht zu erfahren. Ich habe sie adoptiert und ihr meinen Namen gegeben. Sie besitzt alle Rechte eines erstgeborenen Kindes. Denkst du noch oft an ihren Vater?« Er setzte sich ihr gegenüber und sah sie aufmerksam an.

      Hanna schüttelte mit erstaunlicher Entschiedenheit den Kopf. »Unsere Ehe war so kurz, Klaus. Wenige Tage vor Antjes Geburt erfuhr ich, dass Georg tödlich verunglückt war. Vorher hatte ich ihn acht Monate lang nicht mehr gesehen und kaum von ihm gehört. Die Expedition, mit der er in Afrika unterwegs war, befand sich im unwegsamen Hinterland. Da gab es keine Postverbindungen.«

      »Arme Hanna. Du warst damals noch so jung. Als ich dich kennenlernte, hatte ich nichts als den Wunsch, dich glücklich zu machen. Das Schicksal ist damals gar zu hart mit dir umgesprungen.«

      Hanna atmete tief auf. »Es ist vorbei, Klaus. Jetzt bin ich mit Antje glücklich bei dir. Du hast uns alles gegeben, was wir entbehren mussten. Dafür werde ich dir immer dankbar sein.«

      »Ach, Hanna, wer redet von Dank? Erst an deiner Seite habe ich den Sinn des Lebens erkannt. Der berufliche Erfolg, die Genugtuung, keinen Schritt vom geraden Weg abzuweichen und seinen Namen jederzeit reinzuhalten, genügt nicht. Nein, ein Mann braucht mehr. Du hast mir das geschenkt, Hanna. Erst durch die Liebe wird unser Dasein reich und erfüllt.«

      Hanna sah ihm ernst in die Augen. »Du hast so hohe Ideale und stellst viele Ansprüche. Genügt dir denn eine ehemalige Krankenschwester, die mit einem Tierpfleger aus dem Zoo verheiratet war?«

      Der Professor sprang auf und legte die Hände auf Hannas Schultern. »Als ob es auf den Beruf des Menschen ankäme, Hanna. Kennst du mich so wenig? Ein Generaldirektor, der mit dem Gesetz in Konflikt gerät, ist in meinen Augen ein gemeiner Verbrecher, mit dem ich nichts zu tun haben möchte, es sei denn, er braucht meine Hilfe in meiner Eigenschaft als Arzt. Aber gegen den rechtschaffenen Tierpfleger Georg Pflug, den du geliebt hast, habe ich nicht das Geringste einzuwenden. Er war gut zu dir. Als er sich entschloss, mit Wissenschaftlern nach Afrika zu gehen, um die eingefangenen Tiere zu betreuen, bewies er, dass er weiterkommen wollte. Tragisch genug, dass sein Leben so früh endete. Für mich allerdings war es wohl ein vom Schicksal gesetztes Zeichen.« Er lächelte. »Du brauchst dich deiner ersten Ehe nicht zu schämen, Hanna. Georg Pflug war ein Ehrenmann, und Antje kann stolz auf ihren Vater sein, falls sie später einmal erfahren sollte, dass ich sie adoptiert habe.«

      Hanna senkte die Lider. Ihr Gesicht wurde noch um einen Schein blasser. Doch Klaus Martell bemerkte nichts davon. Er strich ihr über das krause dunkle Haar, das Antje von ihr geerbt hatte. »Weißt du was?«, rief er halblaut aus. »Wir werden verreisen. Es wird uns beiden guttun, einmal andere Menschen um uns zu sehen und neue Eindrücke zu sammeln. Ich kann mich ganz gut für einige Wochen freimachen und werde mich gleich morgen erkundigen, wohin man um diese Zeit reisen kann.«

      »Reisen, ja, das wäre wunderbar, Klaus. Wie ein ganz neuer Anfang. Aber was soll aus Antje werden? Sie kann hier nicht allein bleiben.«

      »Stimmt. Daran habe ich nicht gedacht. Schwester Inge hat nicht genügend Zeit, um das Kind zu betreuen und zu beaufsichtigen. Außerdem möchte ich nicht, dass Antje ständig in der Klinik herumhockt.«

      »Man müsste ein Kinderheim ausfindig machen«, überlegte Hanna. »Ich könnte Sigi anrufen. Sie hatte ihre Zwillinge im letzten Jahr in einem Heim untergebracht, als sie sich operieren lassen musste. Natürlich müsste man sicher sein, dass Antje sich dort wohlfühlt und dass sie in die Schule gehen kann.«

      Die beiden beleuchteten den Plan von den verschiedensten Seiten. Sie fanden es verlockend, den Alltag und die Bitternis der eben erlebten Enttäuschung hinter sich zu lassen. Der spontan gefasste Vorsatz des Professors nahm festere Gestalt an. Er wollte sich mit einem Reisebüro in Verbindung setzen, während Hanna Erkundigungen über das Kinderheim einziehen sollte, in dem die Zwillinge ihrer Freundin Aufnahme gefunden hatten.

      Der Professor erhoffte sich von der Abwechslung ein Verblassen der Erinnerungen an das, was eben geschehen war. Sein klarer Verstand sagte ihm, dass eine Fehlgeburt keine Katastrophe war. Selbst dann nicht, wenn seine Ehe doch kinderlos bleiben sollte, er liebte Antje innig und benötigte nicht unbedingt einen leiblichen Sohn oder eine Tochter, um seine Männlichkeit sichtbar bestätigt zu sehen. Derartiges Denken erschien ihm recht einfältig, nachdem er seinen anfänglichen Kummer überwunden hatte.

      Klaus summte vergnügt eine Melodie vor sich hin, als er in die Küche ging, um das Abendbrot für seine kleine Familie herzurichten. Das war ein Amt, das er seit Hannas Klinikaufenthalt übernommen hatte und dem er sich mit besonderer Hingabe widmete.

      Eine halbe Stunde später rief er Antje aus dem Garten, wo sie mit ein paar Kindern aus der Nachbarschaft gespielt hatte, ins Haus. Sie war heiß und schmutzig, ein fröhliches, unkompliziertes Kind. Das von ihrem Vati aufgetischte Mahl mundete ihr köstlich. Zwischen jedem Bissen plauderte sie und berichtete von den aufregenden Ereignissen des hinter ihr liegenden Tages.

      »Ein Glück, dass wir Antje haben«, sagte der Professor später, als sie bereits zu Bett gegangen waren. »Dieses Kind ist ein Geschenk des Himmels.«

      Hanna schmiegte sich in die Arme ihres Mannes.

      »Du zitterst?«, fragte er bestürzt. »Ist dir kalt?«

      »Ein wenig. Aber es wird gewiss gleich besser, Klaus.«

      Er hielt sie, bis sie eingeschlafen war. Dann legte auch er den Kopf zurück und schloss die Augen.

      *

      Es war ein klarer Spätsommermorgen, der schon den Herbst ahnen ließ. Denise und Alexander von Schoenecker saßen mit ihren Söhnen am sonntäglich gedeckten Frühstückstisch. Nick bestrich sich soeben das dritte hausgebackene Brötchen mit Butter und Honig. Er befand sich mal wieder im Wachsen und hatte von früh bis abends Hunger.

      »Heute Nachmittag kommen Prof. Martell und seine Frau, um uns ihre Tocher zu bringen«, berichtete Denise. »Es ist dir doch recht, Alexander, wenn ich das Ehepaar zum Tee hierher nach Schoeneich bitte?«

      Der Gutsherr von Schoeneich lächelte seiner schönen dunkelhaarigen Frau zu. »Selbstverständlich, Isi. Auf diese Weise verbringst du wenigstens nicht den ganzen Sonntag drüben in Sophienlust.«

      »Wenn sie doch nur am Sonntag Zeit haben, Vati«, wandte Nick ein. Er fühlte sich stets verpflichtet, sein geliebtes Sophienlust in Schutz zu nehmen.

      »Wie alt ist die Neue?«, warf Henrik vorlaut ein. »Kommt sie in meine Klasse?«

      »Sie ist acht Jahre alt. Möglich, dass sie im gleichen Schuljahr ist wie du, Henrik.« Denise nickte ihrem Henrik zu. »Allzu lange wird sie aber nicht bleiben.«

      »Kein Ehekrach bei ihren alten Herrschaften? Meist steckt doch so etwas dahinter, wenn ein Kind bei uns abgegeben wird«, ließ sich der fünfzehnjährige Nick respektlos und altklug vernehmen, was ihm einen warnenden und vorwurfsvollen Blick seines Vaters eintrug.

      »Frau Martell war sehr krank. Deshalb hat sie eine Erholungsreise dringend nötig, mein Junge.«

      »Weißt du, wohin sie fahren wollen?«, lenkte Nick geschickt von seiner kleinen Entgleisung