»Ist das auch wahr, Ulla?« Nina konnte noch nicht so recht an ihr Glück glauben. »Nicht wahr, ich träume nicht?«, fragte sie unsicher und kniff sich ganz fest in den Arm. »Nein, ich träume nicht, weil es weh tut.«
Ulla lächelte das Mädchen an.
»Siehst du, nun ist doch alles gut geworden«, meinte sie leise.
Nina lief in ihr Zimmer zurück. Glücklich küsste sie ihren Stoffaffen Fips und die Puppe Claudia. »Wir fahren heute wieder nach Hause. Und ihr kommt natürlich mit. Bei uns ist es wunderschön. Viel schöner als hier, weil es doch unser Zuhause ist«, vertraute sie ihren Lieblingen an.
Linda erschien. »Guten Morgen, mein Liebling. Du musst dich beeilen«, sagte sie, nachdem sie Nina einen Guten-Morgen-Kuss gegeben hatte. »Vati muss zurück nach Frankfurt. Er will durchaus nicht vorausfahren.«
»Aber ich fahre in deinem Wagen, Mutti«, bestimmte Nina.
»Ja, Nina, das darfst du.« Linda half ihrer Tochter beim Ankleiden. Schwester Regine packte indessen die Koffer.
Nina blickte sich im Zimmer um, dann rief sie: »Mutti, ich muss mich noch von den Kindern verabschieden. Sie kommen aber erst gegen Mittag aus der Schule.«
»Das sehe ich ein. Ich werde Vati fragen, ob er noch so lange warten will.«
»Ja, Mutti.« Nina blickte sie bittend an
Linda verließ das Zimmer, um kurz darauf mit dem Bescheid zurückzukommen, dass ihr Mann nun doch vorausfahren würde. »Wir bleiben noch zum Mittagessen hier«, fügte sie hinzu. »Und heute Abend sind wir dann daheim. Vati hat versprochen, pünktlich zum Abendessen daheim zu sein.«
»Ich finde es eigentlich wunderschön, dass wir beide noch hierbleiben, Mutti. Alle waren so lieb zu mir.« Nina umarmte ihre Mutter. »Ist Vati schon fort?«
»Ja, er ist schon fort.«
In den Stunden bis zur Rückkehr der Schulkinder zeigte Nina ihrer Mutter alle Sehenswürdigkeiten von Sophienlust. Endlich kamen die beiden Schulbusse.
Aufgeregt kam Pünktchen angelaufen. »Wie schön, dass du noch da bist, Nina!«, rief sie erleichtert. »Ich hatte schon Angst, du würdest fortfahren, ohne dich von uns zu verabschieden.«
Auch die anderen Kinder waren glücklich, dass Nina noch da war. Und Magda hatte zum Abschied Ninas Lieblingsgericht gekocht.
Im Kreis der fröhlichen Kinder fühlte sich Linda sehr wohl. Ihr helles Lachen, ihr munteres Geplauder wirkte auf sie ansteckend.
Als sie dann mit Nina Sophienlust verließ, waren alle auf der Freitreppe versammelt und winkten ihnen nach. Nina winkte fröhlich zurück.
Nick runzelte die Brauen. »Dabei waren wir doch alle sehr lieb zu Nina«, sagte er gekränkt. »Sie war überhaupt nicht traurig, als sie losfuhren.«
Denise lachte. »Unverbesserlicher Nick. Immer ist es das Gleiche. Stets fühlst du dich gekränkt, wenn ein Kind Sophienlust mit glücklichem Gesicht verlässt.«
»Ist doch wahr«, meinte er. »Da gibt man sich die größte Mühe, ihnen zu helfen. Und was ist der Dank?« Er zuckte mit den Achseln. Dann fuhr er Barri über den dicken Kopf. »Komm, Barri, machen wir einen Spaziergang. Undank ist der Welt Lohn.«
Lachend blickte Denise ihrem Sohn nach.
*
Linda erreichte Frankfurt gegen fünf. Um diese Zeit ist Peter bestimmt noch nicht zu Hause, sagte sie sich. »Nina, wir fahren zuerst zu der Wohnung, in der ich in den letzten Wochen gewohnt habe. Ich möchte meine Sachen holen«, wandte sie sich an ihre Tochter.
»Ja, Mutti.« Nina war mit allem einverstanden. Mit Mutti zusammen wäre sie sogar durch die Hölle gegangen, ohne Angst zu haben.
Als sie die Straße erreichten, in der auch Tonio wohnte, wurden Ninas Augen ganz groß. »Fährst du denn zu Onkel Tonio?«, fragte sie erschrocken.
»Aber nein, Nina.« Linda wich dem klaren Kinderblick aus.
»Ich habe Onkel Tonio sehr liebgehabt. Nun bin ich ihm aber böse.«
»Ich weiß, Nina.«
»Eigentlich brauche ich ihm aber nun doch nicht mehr böse zu sein Mutti? Kommt er denn wieder zu uns in die Villa?«
»Nein, Nina, das ist vorbei.«
»Ich verstehe, Mutti. Da ist ja sein Haus. Schau, und dort sind Onkel Tonio und Lucy!«, rief sie aufgeregt und richtete sich ein wenig auf.
Linda zuckte wie unter einem heftigen Schlag zusammen, als sie das Paar erblickte, das Arm in Arm die Straße hinunterschlenderte. Sie horchte in sich hinein und stellte erleichtert fest, dass der Schlag ihres Herzens nicht schneller geworden war.
»So, da sind wir!«, rief sie mit einem glücklichen Lachen. »Steig aus, mein Schatz.«
»Ja, Mutti.« Nina blickte an der Hausfront hoch. »Ist das aber ein hohes Haus.«
»Das ist es.« Linda fasste Nina bei der Hand und schloss dann die Haustür auf. Mit dem Lift fuhren sie nach oben. Dann betraten sie das Appartement.
Linda sah sich um. Auf einmal fühlte sie sich in der kleinen Wohnung wohl. Beinahe tat es ihr jetzt leid, dass sie nun nicht mehr hier wohnen würde.
Nina lief neugierig umher. Dann trat sie auf den Balkon. »Sieh doch, Mutti, von hier oben sehen die Menschen und die Autos ganz winzig aus.«
»Bitte, Nina, beuge dich nicht so weit vor.« Mit Schaudern dachte Linda an die Minuten, in denen sie nahe daran gewesen war, sich vom Balkon hinunterzustürzen. Auf einmal hatte sie es sehr eilig, die Wohnung zu verlassen. Sie packte nur das Nötigste ein. »Ich werde noch einmal mit Wally hierher zurückkommen, um die restlichen Sachen abzuholen«, wandte sie sich an Nina. »Komm schon!«, rief sie.
»Schade, Mutti. Schau, dort ist eine Krawatte. Gehört sie Onkel Tonio?«
»Ich weiß nicht«, murmelte Linda beschämt. »So komm doch, Ninalein.« Flehend richtete sie ihre Augen auf die Kleine.
»Ja, Mutti.« Das Kind sah sie aus großen wissenden Augen an.
Linda war froh, als sie das Stadtviertel hinter sich gelassen hatten. Eine halbe Stunde später fuhr sie durch das weit geöffnete Tor und hielt kurz darauf vor der Villa.
Zu ihrer Überraschung kam Peter aus dem Haus.
»Vati ist schon da!«, rief Nina glücklich. »Vati! Vati! Ich bin zu Hause!«
Peter hob seine Tochter mit strahlenden Augen hoch und gab ihr einen herzhaften Kuss. »Ja, du bist zu Hause, Nina.«
Linda stand noch immer am Wagen, so, als habe sie Angst, das Haus zu betreten.
Peter kam ihr entgegen und ergriff ihre Hand. »Endlich bist du wieder daheim, Linda«, sagte er ernst.
»Ja, Peter, endlich.« Sie betrat neben ihm die Wohnhalle.
Nina war schon vorausgelaufen. Sie stürmte die Treppe hinauf und riss die Tür ihres Zimmers auf. Auf ihrem Bett saß ein junger Hund, der sie aus großen Augen erstaunt anblickte. »Wer bist du denn?«, fragte Nina glücklich. »Du bist aber niedlich.«
»Gefällt er dir? Es ist ein junger Collie«, erklärte ihr Vater von der Tür her. Er hatte den Arm um die Taille seiner Frau gelegt. »Du hast dir doch immer einen Collie gewünscht, Nina. Ich habe ihn heute Vormittag gekauft.«
»Vati, lieber, lieber Vati.« Nina sah ihn strahlend an.
»Endlich bist du wieder mein kleiner Sonnenschein«, erwiderte Peter lächelnd.
»Unser kleiner Sonnenschein«, verbesserte Linda ihn.
»Ich werde von nun an immer lachen. Mutti, Vati, wie heißt denn der Collie?«
»Ich weiß es nicht, Nina. Den Stammbaum bekommen wir erst später. Denke dir einen Namen aus.«
»Ja,