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sie mit Tom und Tammy am Tisch saß. Tom Craddoc war ihr ein Begriff, aber sie wollte ihm eigentlich nicht gern begegnen, da sie bei seinem Vater sehr in Ungnade gefallen war.

      Immerhin war es bereits vier Jahre her, also konnte es vergessen sein. Sie sah das junge Paar auf der Terrasse und tat überrascht. Tom stieß einen hörbaren Seufzer aus, als Ramona auf den Tisch zugetänzelt kam, aber er war ein höflicher junger Mann.

      »Wie geht es der Familie?« erkundigte sich Ramona nach der lässigen Begrüßung.

      »Gut, denke ich, wir sind schon eine Woche unterwegs.«

      »Gehört die junge Dame zu euch, die abends bei euch sitzt?« erkundigte sich Ramona lauernd.

      »Wir haben sie kennengelernt, sie ist auch gern für sich«, erklärte Tom steif, das auch betonend, aber so was nahm Ramona nicht zur Kenntnis.

      »Sie kommt mir bekannt vor. Ist sie Schauspielerin oder Sängerin?«

      »Das wohl nicht. Wir haben uns darüber noch nicht unterhalten. Sie ist jedenfalls sehr gebildet, spricht mehrere Sprachen und ist Deutsche. Sonst noch Fragen?«

      Das klang schon sehr abweisend, aber Ramona ignorierte es. »Wir könnten uns doch mal zusammensetzen, ich würde euch gern einladen.«

      »So gut kennen wir Antonia nicht, und wir sind lieber allein«, erwiderte Tom. Deutlicher konnte er kaum werden, und endlich begriff Ramona.

      »Wenn es so ist, dann viel Spaß«, sagte sie und ließ die beiden endlich allein.

      »Höflich warst du nicht gerade«, meinte Tammy neckend.

      »Die wird man sonst doch nicht los. Ein schreckliches Weib. Dad muß blind gewesen sein.«

      »Sie wird schon Qualitäten haben, und anscheinend war sie doch gut im Geschäft.«

      »Na ja«, murmelte Tom, »aber jetzt wird sie uns wohl in Ruhe lassen. Man sollte Antonia warnen.«

      »Sie wird sich ihrer Haut selbst wehren«, meinte Tammy. »Sie ist heute schon sehr früh weg.«

      »Sie will eben allein sein, jedenfalls ist sie sehr angenehm.«

      »Gehen wir schwimmen«, meinte Tammy, »heute wird es sehr heiß.«

      *

      In München goß es in Strömen, und in Dr. Nordens Praxis wurde gehustet und geschnieft. Einer steckte den anderen an, und weder Dr. Norden noch Wendy kamen zu einer Verschnaufpause.

      Auch Lilian Möhl, Antonias Vermieterin, wurde von einer schweren Erkältung geplagt. Sie war fiebrig, als sie in die Praxis kam, und atmete schwer.

      Wendy stufte sie gleich als einen schwereren Fall ein und setzte sie in den Therapieraum. Dr. Norden kümmerte sich gleich um sie und verschaffte ihr mit einem Inhaliergerät Erleichterung.

      Aber es war nicht nur die Atemnot, die Lilian Möhl zu schaffen machte, sie hatte auch ein besonderes Anliegen.

      »Vielleicht können Sie mir einen Rat geben, Herr Doktor. Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte. Es ist nämlich wegen Antonia.« Man merkte, daß sie nicht wußte, wie sie sich ausdrücken sollte. Daniel Norden war schon besorgt, daß Antonia Ärger bekommen könnte.

      »Ich helfe gern, wenn ich kann, und ich kenne Antonia sehr gut«, erklärte er.

      »Das weiß ich. Es ist nämlich neulich, kaum daß sie weg war, ein Brief gekommen, ein amtliches Schreiben aus Kanada. Ich konnte ihn ja nicht annehmen, weil sie eigenhändig unterschreiben muß. Da habe ich gesagt, wo sie sich jetzt aufhält. Nun mache ich mir Gedanken, daß es was Unangenehmes sein könnte. Sie braucht doch den Urlaub so nötig, und es würde mir leid tun, wenn sie eine schlechte Nachricht bekommen würde, die ihren Urlaub stört.«

      »Es muß doch keine schlechte Nachricht sein«, sagte Dr. Norden beschwichtigend.

      »Aber sie hat nie Post aus Kanada bekommen, auch sonst nicht aus dem Ausland. Sie hätte es mir bestimmt erzählt, wenn sie Verwandte oder Bekannte dort gehabt hätte. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis.«

      »Das freut mich für Sie und für Antonia. Machen Sie sich keine Sorgen. Antonia wird sich nicht in ihrem Urlaub stören lassen, wenn diese Nachricht auch überraschend sein mag. Vielleicht wird der Brief hier auch aufbewahrt, bis sie zurück ist. Sie haben doch sicher angegeben, wann sie zurückerwartet wird.«

      »Ja, das habe ich getan. Jetzt rege ich mich auch nicht mehr so auf, weil ich mit Ihnen gesprochen habe. Aber Sie wissen schon, wenn man so allein ist, kommen einem oft dumme Gedanken. Wenn Antonia da ist, fühle ich mich sicherer. Sie ist so lieb.«

      »Das sagt sie auch von Ihnen.«

      Lilian Möhls gerötete Augen leuchteten auf, aber sie mußte gleich wieder niesen und husten, und Dr. Norden gab ihr schnell ein paar Arzneien aus seinem Schrank. Sie bedankte sich vielmals, und er mußte sich nun wieder den anderen Patienten zuwenden. Aber seine Gedanken wanderten doch zwischendurch immer wieder zu Antonia. Was mochte das für ein wichtiger Brief sein, der nur ihr ausgehändigt werden sollte? Er wußte auch nichts von Verwandten in fernen Ländern.

      Wann würde sie diesen Brief wohl bekommen? Wo war sie jetzt eigentlich, sie wollte doch nicht an einem Ort bleiben?

      Aber selbst in die fernsten Länder wurde die Post schnell und mit Flugzeugen befördert. So war wohl anzunehmen, daß sie diesen Brief bereits erhalten hatte, wenn er ihr nachgeschickt worden war. Wenn sie wieder daheim war, würden sie sicher erfahren, was es damit auf sich hatte.

      *

      Ahnungslos, warum so intensiv an sie gedacht wurde, genoß Antonia in Niklas’ Wagen und an seiner Seite die Fahrt landeinwärts nach Silves, der mittelalterlichen Stadt. Hier war es auch etwas kühler, ein leichter Wind wehte und die Sonne war nicht so sengend. Niklas erklärte ihr alles mit seinen Worten. Er kannte Land und Leute, und auch in Silves wurde er wie ein Freund begrüßt, wenn auch fast ehrerbietig. Der blonden Antonia galten bewundernde Blicke. Am Essen spürten sie, daß man sich auch hier auf Touristen einstellte, aber die Spezialitäten des Landes wurden ihnen um so lieber serviert. Antonia war begeistert, wie gut sie mundeten. Fisch aß sie ohnehin am liebsten, aber hier war er einfach köstlich zubereitet und die Salate knackfrisch.

      Antonias Befangenheit Niklas gegenüber hatte sich längst gelegt. Sie hörte ihm gern zu, es nahm sie ganz gefangen, wie er sprach. Seine Schilderungen waren so lebendig, daß sie sich jeweils in die Situation hineinversetzt fühlte. Die Zeit verging viel zu schnell, aber ihr war es auch egal, ob sie zum Abendessen im Hotel war oder nicht.

      Sie hatte noch keinen Mann kennengelernt, der einem Vergleich mit Niklas standgehalten hätte, aber plötzlich hatte sie Angst, daß sie sich ganz an ihn verlieren könnte.

      Konnte er Gedanken lesen?

      »Was haben Sie gerade gedacht, Antonia?« fragte er.

      Sie errötete. »Mir kam es in den Sinn, daß wir uns noch gar nicht lange kennen und doch schon so vertraut miteinander sind.«

      »Es ist die gleiche Wellenlänge, ich habe es sofort gewußt. Glauben Sie nicht auch, daß es eine magische Anziehungskraft zwischen bestimmten Menschen gibt?«

      »Das muß ich jetzt wohl glauben«, erwiderte sie leise. »Es ist nicht wichtig, daß wir viel voneinander wissen, ich fühle mich sicher in Ihrer Nähe.«

      »Und ich bin dankbar, daß Sie das sagen. Sie sind für mich sehr wichtig geworden und haben mit Ihrem Erscheinen einen Schleier zerrissen, es war wie eine Offenbarung.«

      Ihr Herz begann zu hämmern. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, aber sein Blick zwang sie förmlich dazu.

      »Sie dürfen nie wieder aus meinem Leben verschwinden, Antonia. Ich sehe endlich wieder eine Zukunft vor mir.«

      »Was bedrückt Sie, Niklas?« fragte Antonia bebend.

      »Vergangenes, das aber endlich vergessen sein soll. Später einmal können wir darüber sprechen, jetzt möchte ich nur die Zeit mit Ihnen dankbar