Harter Ort. Tim Herden

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Название Harter Ort
Автор произведения Tim Herden
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783954626922



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dass sie nicht bemerkt hätten, wie Ulrike mal kurz während der Grillparty verschwunden war, um ihrem Ex, dem lieben Peter, das Licht auszuknipsen. Sie hätten gedacht, sie wäre mit ihrem Lover, diesem Russen, im Bootshaus für ein Schäferstündchen abgeblieben. Damit sind sie schön raus. Außerdem kann man als Mörderin auch weiter Hausbesitzerin sein. Jan allerdings will wohl klagen, um wenigstens die Firma ‚Inselbau‘ zu bekommen. Aber der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden.“

      Damp stöhnte auf. „Ich dachte, all das läge hinter mir.“

      „Tja, falsch gedacht.“

      „Und was ist sonst mit dem Dehne?“

      „Hat jetzt ein Hotel in Kloster, oben am Dornbusch. Ist aber wohl noch nicht in Betrieb. Die alte Vogelwarte. Mehr wissen die Vitter auch nicht. Ist ja in Kloster.“ Kloster war der nördliche Inselort und gerade mal drei Kilometer von Vitte entfernt. Aber die Hiddenseer blieben in ihren Orten meistens sehr unter sich.

      „Soll wohl ziemlich schick sein“, erzählte Malte weiter. „Hat übrigens alles Peter Stein mit seiner ‚Inselbau‘ noch gebaut. Davor war Dehne Biolehrer an der Inselschule. Aber wenigstens das wusstest du ja schon.“

      Das Telefon klingelte. Damp ging ran. Seine Miene verfinsterte sich immer mehr mit der Dauer des Gesprächs. Er warf den Hörer auf die Gabel. „Nicht mein Tag“, raunte er mehr zu sich selbst.

      „Was?“, fragte Malte.

      Damp winkte ab. „Sie schicken mir die Blohm als Verstärkung. Kommt mit Behm von der Spurensicherung. Außerdem fliegt der Pathologe aus Greifswald, dieser Krüger, mit einem Rettungshubschrauber ein, um die Leiche zu holen.“

      „Wird auch Zeit“, bemerkte Malte. „Lange könnt ihr das den Feuerwehrmännern nicht mehr zumuten, an dem alten Kahn die Totenwache zu halten.“

      Damp rieb sich das Kinn. „Wo bringe ich nur die Blohm unter?“ Er sah Malte an. „Kann sie wieder in Rieders Haus im Wiesenweg?“

      „Wenn du sie morgen auch auftauen möchtest?“, gab Malte trocken zurück. „Du kriegst die Bude nicht warm. Das ist ein Sommerhaus mit dünnen Wänden. Außerdem habe ich das Wasser abgedreht. Ich grabe mich jedenfalls nicht durch den Schnee, um den Schieber wieder zu öffnen.“

      „Kannst du die Blohm nicht bei dir unterbringen?“

      „Ich vermiete nicht im Winter.“

      „Aber die Hotels sind zu teuer. Es soll nicht mehr als vierzig Euro kosten. Außerdem sind ‚Godewind‘ und ‚Hitthim‘ ausgebucht, so lang die Touris nicht von der Insel runter sind.“

      „Da gibt’s doch noch ’ne Menge anderer Vermieter.“

      „Erstens haben die alle auch noch die Buden voll und zweitens machen die meisten gleich zu, wenn die Urlauber weg sind.“

      Malte überlegte. „Gut, für die vierzig kann sie bei mir übernachten.“ Das wäre für ihn ein gutes Geschäft. Sonst vermietete er ein Bett für nicht mehr als dreizehn Euro.

      „Aber mit Frühstück“, setzte Damp hinzu.

      „Vergiss es. Bei mir gibt’s kein Frühstück. Müssen sich die Gäste selbst machen. Da mach ich keine Ausnahme. Wenn sich das rumspricht.“

      „Wo soll sie sich hier was kaufen? Warst du mal im Supermarkt? Die Regale sind leer.“

      „Tütensuppen und Konserven gibt’s noch jede Menge.“

      „Ich könnte noch was drauflegen.“

      „Für wie lang soll es denn sein?“

      „Wenn der Dehne nur erfroren ist, biste sie morgen wieder los. Wenn nicht, kann es dauern. Mindestens ’ne Woche, denke ich. Vielleicht sogar länger.“

      Malte überschlug im Kopf, was ihm die Übernachtung bringen würde. Jetzt waren seine Zimmer nur totes Kapital. Außerdem schien er hier noch was rausholen zu können. „Gut. Dann aber fünfundvierzig pro Nacht.“

      Er reichte Damp die Hand über den Tisch. Der schlug ein. „Abgemacht.“

      Damp grinste. „Ich hätte auch fünfzig zahlen können.“

      Malte wollte etwas Gemeines entgegnen, da flog die Tür auf und Bürgermeister Thomas Förster stürmte herein.

      „Hallo, Damp.“

      Malte nickte er nur kurz zu.

      „Haben Sie mal aus dem Fenster gesehen. Da stehen schon wieder mindestens fünfzig Leute mit Kindern, Sack und Pack.“

      Damp drehte sich mit seinem Drehstuhl kurz um. Seit Neujahr wiederholte sich jeden Morgen das gleiche Schauspiel. Touristen marschierten vor dem Rathaus auf und warteten auf eine Möglichkeit, von der Insel zu kommen. Stumm standen sie dort im Schnee und forderten mit ihrem stillen Protest von der Inselverwaltung Hilfe.

      „Wir müssen da raus, Damp, und mit den Menschen reden.“

      Doch der Polizist hob abwehrend die Hände. Er zeigte auf Malte. „Zeugenvernehmung. Ich muss Herrn Fittkau über das Auffinden des toten Herrn Dehne befragen. Stralsund will so schnell wie möglich einen Bericht.“

      „Kann das nicht warten?“

      „Tut mir leid. Polizeichef Bökemüller hat schon angerufen und Druck gemacht.“

      „Gibt es denn schon neue Erkenntnisse, wie der Mann zu Tode gekommen ist?“

      Damp schüttelte mit einem bedauernden Gesichtsausdruck den Kopf. „Deshalb sitze ich hier mit Herrn Fittkau. Er war der Erste an der „Caprivi“ und er wohnt ja auch dicht dran am möglichen Tatort.“

      „Dann machen Sie mal ihre Arbeit“, sagte Förster enttäuscht.

      „Kommt denn nun mal irgendwann ein Hubschrauber von der Bundeswehr?“, mischte sich Fittkau ein. „Die können uns doch hier nicht verhungern lassen.“

      „Ich habe gerade heute Morgen mit dem Krisenstab in Stralsund telefoniert“, berichtete der Bürgermeister. „Sie haben mir kaum Hoffnung gemacht. Die Bundeswehr hat das Hilfeersuchen abgelehnt. Die meisten Kapazitäten seien in Afghanistan. Hier in Deutschland gebe es kaum noch Reserven. Und die wären auch nicht alle einsatzfähig, weil Ersatzteile fehlen.“

      „Tja, siehste, Malte“, meinte Damp, „die Freiheit wird am Hindukusch verteidigt und nicht auf Hiddensee.“

      Ein eisiger Wind wehte von der Ostsee herüber. Es schneite nicht mehr wie an den vergangenen Tagen. Nur noch ein leichter Schneegriesel fiel aus den Wolken. Es waren mindestens zehn Grad unter null.

      Thomas Förster versuchte, die aufgebrachten Menschen zu beruhigen. „Wir wollen endlich weg“, rief einer aus der Menge. „Wer bezahlt uns denn den Arbeitsausfall?“

      „Machen Sie endlich Ihre Arbeit!“

      „Wir tun, was wir können“, beteuerte der Bürgermeister. „Aber uns sind hier die Hände gebunden. Der Krisenstab in Stralsund bemüht sich, Hilfe von der Bundeswehr zu bekommen, um Sie auszufliegen. Aber so schnell geht es leider nicht.“

      „Schieben Sie doch nicht die Verantwortung auf andere. Wir wollen weg!“, schrie ihm ein Mann wütend entgegen, der direkt vor ihm stand. Dann begannen alle zu skandieren: „Wir wollen weg! Wir wollen weg!“

      Förster wusste sich nicht zu helfen. Er wedelte mit den Armen, schaute sich Hilfe suchend nach den paar Hiddenseern um, die von der Straße vor dem Sportplatz interessiert zuschauten, wie ihr Bürgermeister versuchte, die Leute zu besänftigen. Da rief einer: „Seid doch mal still. Hört doch mal.“

      In der Luft war plötzlich ein Brummen zu hören. Auf einen Schlag verstummten die Menschen. Alle schauten in den Himmel. Beifall und Jubelrufe waren nun zu hören, obwohl noch nichts zu sehen war. Kaum einer beachtete, dass Damp mit seinem Polizeiwagen auf das Vorfeld des