Die Geliebte des Mörders. Christian Macharski

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Название Die Geliebte des Mörders
Автор произведения Christian Macharski
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783981663877



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sind auch alle da.“

      Borowka setzte mit dem Auspuff auf, als er über den Bürgersteig auf die Straße fuhr. Dann drückte er das Gaspedal voll durch, ließ die Reifen quietschen und jagte durch das abendliche Saffelen. Nachdem sie das Ortsschild passiert hatten, musste er wegen der dahinterliegenden Schikanen noch mal kurz abbremsen. Er umkurvte sie mit schlafwandlerischer Sicherheit und beschleunigte sofort wieder. Nach der nächsten Kurve musste er allerdings schon wieder vom Gas gehen, weil ihm in einiger Entfernung auf der Gegenfahrbahn ein dunkler Mercedes C-Klasse entgegenkam. „Oh, Mann“, entfuhr es Borowka, „was für eine piefige Karre. Kackbraun und dann allen Ernstes Stahlräder. Von Kronprinz. Ich kack ab. Das ist garantiert kein Saffelener. Wer so ein Hausfrauenpanzer käuft, müsste erschlagen werden.“

      „Ich find der Auto gar nicht so schlecht“, widersprach Fredi, der sich wieder beruhigt hatte und sich insgeheim auch schon auf Himmerich freute. „Der hat ein Kompressor-Vierzylinder. Der macht richtig Druck im sechsten Gang. Und trotzdem ist der sparsam. Tolle Schaltung, super Sitze, 1A Federkomfort. Das ist, wie wenns du zu Hause auf dem Sofa sitzt. Ich würde sagen, der ist bequem und sportlich.“

      Borowka blickte zweifelnd zu seinem Kumpel hinüber. „Sag mal, hast du Schmieröl gesoffen oder was? Ich glaub, du hast zu oft danebengestanden, wenn der alte Oellers wieder ahnungslose Kunden Schrottkarren angedreht hat. Kein normaler Mensch setzt sich in so eine Oppa-Karre … außer Oppas.“

      „Ist ja gut“, lenkte Fredi ein. „In eins geb ich dir recht: Das kann kein Saffelener sein.“

      Neugierig geworden, drosselte Borowka sein Tempo, um den Mercedes langsam zu passieren. Als die beiden Autos auf gleicher Höhe waren, reckte er den Kopf, um einen Blick in den Innenraum zu werfen. Er erspähte zwei Personen. Der Beifahrer war zwar von einem Schatten verdeckt, aber dafür erkannte er den Fahrer umso deutlicher. Es handelte sich um ein vertrautes Gesicht aus alten, aber nicht unbedingt besseren Zeiten.

      Fredi, der von seinem Platz aus nichts hatte sehen können, fragte neugierig: „Und? Konntest du der Typ erkennen?“

      „Allerdings“, antwortete Borowka mit tonloser Stimme, „und dass der nach Saffelen kommt, bedeutet nix Gutes.“

       4

      Freitag, 5. Juni, 21.40 Uhr

      Der wohltemperierte Weinbrand rann Wills Kehle hinunter. „Es geht doch nix über ein Glas Dujardeng nach ein getanes Tagwerk“, sprach der Landwirt zu sich selbst, während er seine Beine auf dem Hocker vor seinem Ohrensessel lang ausstreckte. Heute hatte er die Arbeiten an den Gästezimmern offiziell beendet. Die Betten waren aufgebaut, die Fernseher installiert und der Wasserschaden behoben. Zur Belohnung hatte sich Will diesmal sogar einen „Dujardin Fine Cognac“ aufgemacht, die edle Cognac-Ausführung seines Lieblingsweinbrands Dujardin Imperial. Er strich mit dem Daumen über das „V.S.O.P.“-Siegel am Flaschenhals. Wofür die Abkürzung genau stand, wusste Will nicht. Schlömer Karl-Heinz behauptete immer, das hieße „very super old Plörre“, aber das glaubte der Landwirt nicht. Denn Plörre war sein Lieblingsgetränk nun wahrlich nicht. Im Gegenteil, Dujardin Fine wurde aus französischen Weinen aus der Charente gebrannt. Und nur ein Weinbrand, der aus dieser Region stammt, durfte sich auch Cognac nennen. Will nahm einen weiteren Schluck aus seinem Schwenker, der erst durch das korrekte, leichte Anwärmen in der Handfläche seinen ganz speziellen rund-milden Geschmack entfaltete. Nicht so wie Anfänger-Weinbrände, die vor allem durch ihr süßlich-seifiges Nachbrennen unangenehm auffielen. Eine leichte Schärfe fand man beim Dujardin allenfalls vorn an der Zungenspitze, aber nicht wie bei anderen Vergleichs-Spirituosen lange nachbrennend im Abgang. Will verstand gar nicht, dass dieser edle Feierabendtropfen ein bisschen aus der Mode gekommen war und teilweise sogar als Altherrengetränk verspottet wurde – oft sogar von selbst ernannten Hipstern, die sich für die Coolsten hielten, um sich dann am Wochenende mit Jägermeister zuzuschütten. Ausgerechnet Jägermeister! Das Gesöff, mit dem die Omma früher nach dem üppigen Weihnachtsessen immer ihre Verdauung angeregt hatte und mit dem alte Männer am Kiosk ihr verpfuschtes Leben zu ertränken versuchten. Nein, Will ließ sich sein Lieblingsgetränk nicht schlechtreden. Das flüssige Gold schlängelte sich wie ein kleiner, ruhiger Fluss durch seinen Hals, als er noch einen Schluck nahm. Es war so bekömmlich, dass man es auch in großen Schlucken wie ein Bier oder einen Kaffee nebenher trinken konnte, wenn man denn ein unkultivierter Bauer wäre. Will stellte das Glas auf seinem Wohnzimmer-Kacheltisch ab und grunzte vor Vergnügen. Die Fernbedienung zappelte erwartungsfroh in seiner Hand, seine Frau machte im Keller die Wäsche und die Flasche Dujardin war noch drei viertel voll. Nichts würde jetzt noch seine Entspannung stören können. Dachte er! Doch plötzlich bimmelte es an der Haustür, wobei diese Formulierung nicht annähernd das ohrenbetäubende Lärmgewitter beschreiben konnte, das regelmäßig durch die Betätigung der Türklingel ausgelöst wurde. Die Lautstärke war so eingestellt, dass man sie bis auf den Hof und in die entlegenen Stallungen hören konnte. Der Nachteil daran war, dass man in unmittelbarer Nähe der Türglocke, und das Wohnzimmer lag direkt neben der Haustür, Gefahr lief, einem Herzinfarkt zu erliegen. Erschrocken fuhr Will aus seinem Sessel hoch. Nachdem er sich gesammelt und die Weinbrandspritzer aus seinem Hemd gerieben hatte, lief er auf seinen löchrigen Socken zur Tür.

      „Wer zum Teufel …?“ Der Satz, den Will immer brüllte, wenn er die Haustür aufriss, sollte ungebetenen Gästen signalisieren, dass sie nicht auf allzu große Gastfreundschaft hoffen durften. Denjenigen allerdings, die dem knorrigen Landwirt nahestanden, war dieser Empfang längst zu einer Art lieb gewonnenem Begrüßungsritual geworden. So wie dem Mann, der vor der Tür stand: Peter Kleinheinz. Die Gesichtszüge des Hauptkommissars waren härter geworden, das Haar an den Schläfen grauer. Doch der entschlossene Gesichtsausdruck und der stechende Blick machten deutlich, dass er sich trotz der schlimmen Schicksalsschläge, die ihn ereilt hatten, nicht vom Leben hatte unterkriegen lassen.

      In Wills Magengegend rumorte es. Zwei Seelen kämpften in seiner Brust. Einerseits freute er sich, einen Menschen wiederzusehen, mit dem er so viel durchgemacht hatte, der ihm das Leben gerettet hatte und dem er am Ende sogar das Du angeboten hatte. Auf der anderen Seite war er maßlos wütend auf Kleinheinz, weil der nach den furchtbaren Ereignissen vor drei Jahren spurlos verschwunden war, ohne ein Wort, ohne einen letzten Gruß. Einfach so. Auch wenn Will nicht viel von Freundschaften hielt, eine Art Erklärung zum „Warum“ hatte er doch erwartet nach dieser intensiven und schweren Zeit. Zumindest auf ein Lebenszeichen hatte er gehofft. Aber das bekam er ja gerade, und zwar in voller Größe. „Peter?!“ fragte er ungläubig.

      „Will!“ Kleinheinz öffnete die Arme und obwohl Will sich innerlich zunächst dagegen sträubte, erwiderte er die Umarmung. Sie fiel unerwartet lang und herzlich aus. Will spürte, dass er seinen Freund vermisst hatte. Das merkte er vor allem daran, dass er sogar bereit war, ihm zu verzeihen, was normalerweise nicht zu seinen herausragenden Charaktereigenschaften gehörte. Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten und nach den richtigen Einstiegsworten suchten, war Will noch so überwältigt, dass er erst jetzt bemerkte, dass Kleinheinz nicht allein gekommen war. Neben ihm stand eine verängstigt wirkende junge Frau, die eine Sonnenbrille trug, und das, obwohl die Sonne gerade untergegangen war. Sie war in einen langen Mantel gehüllt, auch das ungewöhnlich für diese Jahreszeit, und ihr Haar war unter einem Seidentuch versteckt, sodass Will beim besten Willen nicht erkennen konnte, um wen es sich handelte.

      „Ach so ja“, sagte Kleinheinz, als er Wills fragenden Blick bemerkte, „das ist Lilly Dinglmaier. Dürfen wir reinkommen?“

      „Ja, ja natürlich“, antwortete Will hastig und öffnete die Tür ganz. „Ihr habt Glück. Ich habe mir gerade eine Flasche Dujardeng aufgemacht. Und zwar den Guten.“

      Kleinheinz und die Frau folgten dem Landwirt ins Wohnzimmer. Nachdem Kleinheinz sich für sein plötzliches Abtauchen wortreich entschuldigt hatte und Will ihm großmütig vergeben hatte, berichtete der Kommissar, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen war. Kurz nach den Vorfällen vor drei Jahren hatte er aus nahe liegenden Gründen den Dienst bei der Kreispolizeibehörde Heinsberg quittiert. Er hatte nur noch weggewollt und hatte die erstbeste Stelle angenommen, die sich