Die Stunde der Wahrheit. Christian Macharski

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Название Die Stunde der Wahrheit
Автор произведения Christian Macharski
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783947365012



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Champagner in die Höhe. Die Männer taten es ihr nach und stießen gemeinsam in der Luft an. Sabrina trug ein elegantes Abendkleid und ein diesmal recht auffälliges Make-up. Vor allem die vollen roten Lippen stachen ins Auge. Sie war eingerahmt von zwei attraktiven Männern, ungefähr Mitte dreißig, von denen einer ständig ihren Arm tätschelte und sie mit einem besonders breiten und weißen Lächeln anhimmelte. Der Mann, der ihr gegenüber saß, war nicht zu erkennen, es schien sich aber um einen etwas älteren Herrn zu handeln, denn er hatte einen grauen Haarkranz.

      Verstohlen blickte Borowka sich um und zog dann sein Handy aus der Tasche. Heimlich machte er ein paar Fotos von der Szene, als der Kellner plötzlich wieder wie aus dem Nichts auftauchte.

      „Hier bitte, Ihr Eis.“ Borowka zuckte erneut heftig zusammen. Das lautlose Anschleichen von hinten gehörte hier offensichtlich zur Grundausbildung. Immerhin hatte der Mann bestimmt ein halbes Kilo zerstoßenes Eis in eine durchsichtige Tüte gepackt und fein säuberlich mit einem Clip verschlossen. Borowka bedankte sich und ging zurück zum Auto, wo sich Fredi voller Dankbarkeit sofort den ganzen Beutel vorn in die Sporthose stopfte und erleichtert aufatmete. „Das sollte jetzt bis zum Krankenhaus reichen“, sagte Borowka und ließ den Motor wieder aufheulen.

      Der Plan

      6

      Mittwoch, 26. Juli, 8.06 Uhr

      Peter Kleinheinz fuhr hoch. Er wirbelte herum und griff blitzschnell zu seiner Dienstwaffe, einer SIG Sauer P225, die neben ihm im Schulterholster an einem Stuhl hing. Während er sie im Anschlag hielt, suchte sein Blick den Raum ab. Der Kommissar schüttelte sich kurz und realisierte nach und nach, dass er einfach nur aus einem tiefen Schlaf hochgeschreckt war. Er saß senkrecht im Bett seines Gästezimmers auf dem Hof der Hastenraths. Von unten aus dem Flur drang höllischer Lärm nach oben. Jetzt, da er wieder bei Sinnen war, konnte er die Quelle des Getöses schnell zuordnen. Jemand hatte die schrille Haustürklingel etwas länger als nötig gedrückt, anschließend war Knuffi mit seinem nervigen Gekläffe dazugekommen und kurz danach hatte sich aus der Ferne auch noch Hofhund Attilas tiefes Bellen unter die Klangcollage gemischt. Alles zusammen erinnerte akustisch an einen unkoordinierten Indianerüberfall.

      Kleinheinz streckte sich und gähnte laut. Ein leichter Kopfschmerz pochte hinter seiner Stirn. Er war gestern entgegen seiner Planung erst sehr spät auf dem Hof eingetroffen, da er, nachdem er die letzten Formalitäten in Roermond erledigt hatte, noch seinen ehemaligen Kollegen bei der Heinsberger Polizei einen Besuch abgestattet hatte. Sein früherer Chef, Direktionsleiter Kriminalität August Pimpertz, hatte anschließend darauf bestanden, ihn zum Essen einzuladen. Und so war die Sonne schon untergegangen, als er in Saffelen eingetroffen war. Walter hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon auf sein Zimmer zurückgezogen, aber Will, der normalerweise kein Freund übertriebener Gastfreundlichkeit war, hatte noch auf einen Absacker bestanden. Natürlich war damit der gute alte „Saffelener Höllentropfen“ gemeint, jener berüchtigte, selbst aufgesetzte Rhabarberschnaps, den Schlömer Karl-Heinz illegal in seinem Gartenhäuschen brannte. Und natürlich war das nicht ohne Folgen geblieben. Sternhagelvoll waren beide gegen ein Uhr nachts auf ihre Zimmer gewankt. Immerhin hatte der Höllentropfen für einen sehr tiefen, traumlosen Schlaf gesorgt – jedenfalls so lange, bis Knuffi ins Spiel kam.

      Kleinheinz machte sich kurz frisch in dem kleinen Bad, das sich im Nebenraum befand. Er schlüpfte in seine Jeans, streifte sein T-Shirt über und ging beschwingt die Treppe hinunter. Im Flur lief ihm Will über den Weg, der gerade vier übereinandergestapelte Schuhkartons ins Wohnzimmer trug. Kleinheinz folgte ihm.

      Auf dem Dreiersofa in der Mitte des Raums saß ein gepflegter Mann mit akkuratem Kurzhaarschnitt und einem weißen Poloshirt von Lacoste. Vor sich auf dem Tisch hatte er jede Menge Ordner und Unterlagen ausgebreitet. Daneben stand ein aufgeklappter Laptop.

      Will stellte die Schuhkartons auf dem Boden ab und sagte zu dem Mann: „Das ist alles, was ich an Unterlagen hab.“

      Der Mann zog eine Augenbraue hoch. Dann wanderte sein Blick von den Kartons hinüber zu Kleinheinz. „Hmm. Ist das einer Ihrer Mitarbeiter? Dann hätte ich an den auch noch ein paar Fragen.“

      Will sah sich irritiert um und schien den Kommissar erst jetzt wahrzunehmen. „Was? Nein, das ist kein Mitarbeiter, das ist ein Hausgast.“

      Der Mann mit dem Poloshirt musterte Kleinheinz mit stechendem Blick und setzte nach. „Aha, ein Gast? Interessant. Das heißt, Sie vermieten hier Zimmer und erzielen Vermietungseinkünfte? Haben Sie nicht gestern noch behauptet, Ihre Pension sei nie eröffnet worden?“

      „Ich, äh, natürlich, also …“, stammelte Will.

      Kleinheinz sprang ihm zur Seite und reichte dem Mann auf der Couch die Hand. „Hauptkommissar Kleinheinz vom Landeskriminalamt. Guten Morgen. Ich bin weder ein Mitarbeiter noch ein Gast, sondern nur ein guter Freund der Familie. Ich sehe hier ab und zu nach dem Rechten. Und wer sind Sie?“

      Nun wirkte der Mann selbst ein wenig verunsichert und antwortete mit weit weniger schneidender Stimme als zuvor: „Äh, Steueroberinspektor Wilfried Nollmann vom Finanzamt Geilenkirchen. Ich führe hier in den Räumlichkeiten von Herrn Hastenrath eine Außenprüfung durch. Das hat alles seine Richtigkeit.“

      „Dann kann ich meine Waffe ja stecken lassen“, scherzte Kleinheinz und fügte, an Will gewandt, hinzu: „Ich bin dann mal nebenan.“

      Will nickte. „Ja, gute Idee. Ich komm gleich nach. Marlene ist Frühstück am machen.“

      Der Kommissar verließ das Wohnzimmer und ging in die Küche. Als Marlene, die gerade eine riesige Wurstplatte auf dem Tisch platzierte, ihn erblickte, schlug sie verzückt die Hände vors Gesicht.

      „Peter! Ich freu mich so, dass du da bist. Gestern Abend war ja leider alles nur so zwischen Tür und Angel. Mein Gott, toll siehst du aus.“ Ihr Blick blieb kurz an seinem athletischen Oberkörper mit dem Sixpack hängen, der sich unter dem hautengen T-Shirt abmalte, bevor sie ihm entgegenlief und ihn so heftig umarmte, dass er fürchtete, mehrere Wirbel könnten ihm herausspringen.

      Als sie wieder von ihm abließ, fragte sie neugierig: „Sag mal, was ist das für ein toller Auto, mit dem du da bist? Hast du im Lotto gewonnen?“

      Kleinheinz grinste. „Du meinst den Jaguar F-Type Coupé in Olympic Gold, der draußen auf dem Hof steht?“

      Marlene nickte mit offenem Mund und der Kommissar fuhr nonchalant fort: „Nein, leider bin ich nicht zu Reichtum gekommen. Ich habe nur letzte Woche bei einem etwas waghalsigen Manöver meinen Dienstwagen zerlegt. Und solange der in Reparatur ist, konnte ich mir diesen schicken Wagen aus unserem Asservatenraum aussuchen. Das ist ein sogenannter Einziehungsgegenstand. Der hat mal einem Großkriminellen gehört und ist vor ein paar Monaten sichergestellt worden. Fährt sich aber recht angenehm.“

      „Du bist mir einer“, rief Marlene fröhlich kopfschüttelnd und schob ihn dabei sanft in Richtung Eckbank, „aber jetzt setz dich erst mal hin und ess was. Du brauchst dringend was auf die Rippen.“

      Kleinheinz‘ Blick wanderte ans Ende der Bank, wo der Mann ohne Gedächtnis saß. Marlene schlug sich verlegen mit der flachen Hand auf die Stirn. „Ach, wie unhöflich von mir. Darf ich erst mal vorstellen? Peter, das ist Walter. Walter, das ist der Kommissar, von dem wir dir erzählt haben. Der Mann, der dir vielleicht helfen kann.“

      Walter erhob sich und reichte Kleinheinz seine Hand. „Sehr erfreut.“

      Kleinheinz setzte sich ihm gegenüber an den Tisch und sagte: „Herr Hastenrath hat mir gestern Abend schon von den Umständen erzählt, unter denen Sie sich kennengelernt haben. Ein wirklich interessanter Fall. Haben Sie sich mittlerweile an irgendwas erinnern können?“

      Walter schüttelte den Kopf. „Nein, leider an gar nichts. Jedenfalls an nichts vor der Mistgabel-Attacke.“

      Marlene, die sich ebenfalls dazugesetzt hatte, schaute beschämt zu Boden.

      Kleinheinz strich sich über sein leicht stoppeliges Kinn. „Wir hatten mal einen ähnlichen Fall bei uns in Frankfurt. Und gestern hab ich mich mit ein paar Kollegen von der Dienststelle Heinsberg unterhalten.