Die Elixiere des Teufels / Эликсир дьявола. Книга для чтения на немецком языке. Эрнст Гофман

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in einer Vision neue Kraft und verjüngtes Leben von oben herab erhalten?“

      Ich fühlte mich vor Scham erglühen, denn in dem Augenblick kam mir meine Exaltation, durch einen Schluck alten Weins erzeugt, nichtswürdig und armselig vor. Mit niedergeschlagenen Augen und gesenktem Haupte stand ich da, Leonardus überließ mich meinen Betrachtungen. Nur zu sehr hatte ich gefürchtet, dass die Spannung, in die mich der genossene Wein versetzt, nicht lange anhalten, sondern vielleicht zu meinem Gram noch größere Ohnmacht nach sich ziehn würde; es war aber dem nicht so, vielmehr fühlte ich, wie mit der wiedererlangten Kraft auch jugendlicher Mut und jenes rastlose Streben nach dem höchsten Wirkungskreise, den mir das Kloster darbot, zurückkehrte. Ich bestand darauf, am nächsten heiligen Tage wieder zu predigen, und es wurde mir vergönnt. Kurz vorher, ehe ich die Kanzel bestieg, genoß ich von dem wunderbaren Weine; nie hatte ich darauf feuriger, salbungsreicher, eindringender gesprochen. Schnell verbreitete sich der Ruf meiner gänzlichen Wiederherstellung, und so wie sonst füllte sich wieder die Kirche, aber je mehr ich den Beifall der Menge erwarb, desto ernster und zurückhaltender wurde Leonardus, und ich fing an, ihn von ganzer Seele zu hassen, da ich ihn von kleinlichem Neide und mönchischem Stolz befangen glaubte.

      Der Bernardustag kam heran, und ich war voll brennender Begierde, vor der Fürstin recht mein Licht leuchten zu lassen, weshalb ich den Prior bat, es zu veranstalten, dass mir es vergönnt werde, an dem Tage im Zisterzienserkloster zu predigen.

      Den Leonardus schien meine Bitte auf besondere Weise zu überraschen, er gestand mir unverhohlen, dass er gerade dieses Mal im Sinn gehabt habe, selbst zu predigen und dass deshalb schon das Nötige angeordnet sei, desto leichter sei indessen die Erfüllung meiner Bitte, da er sich mit Krankheit entschuldigen und mich statt seiner herausschicken werde.

      Das geschah wirklich![66] Ich sah meine Mutter sowie die Fürstin den Abend vorher; mein Innres war aber so ganz von meiner Rede erfüllt, die den höchsten Gipfel der Beredsamkeit erreichen sollte, dass ihr Wiedersehen nur einen geringen Eindruck auf mich machte. Es war in der Stadt verbreitet, dass ich statt des erkrankten Leonardus predigen würde, und dies hatte vielleicht noch einen größeren Teil des gebildeten Publikums herbeigezogen. Ohne das mindeste aufzuschreiben, nur in Gedanken die Rede in ihren Teilen ordnend, rechnete ich auf die hohe Begeisterung, die das feierliche Hochamt, das versammelte andächtige Volk[67], ja selbst die herrliche hochgewölbte Kirche in mir erwecken würde, und hatte mich in der Tat nicht geirrt. Wie ein Feuerstrom flössen meine Worte, die mit der Erinnerung an den heiligen Bernhard die sinnreichsten Bilder, die frömmsten Betrachtungen enthielten, dahin, und in allen auf mich gerichteten Blicken las ich Staunen und Bewunderung. Wie war ich darauf gespannt, was die Fürstin wohl sagen werde, wie erwartete ich den höchsten Ausbruch ihres innigsten Wohlgefallens, ja es war mir, als müsse sie den, der sie schon als Kind in Erstaunen gesetzt, jetzt die ihm inwohnende höhere Macht deutlicher ahnend, mit unwillkürlicher Ehrfurcht empfangen. Als ich sie sprechen wollte, ließ sie mir sagen, dass sie, plötzlich von einer Kränklichkeit überfallen, niemanden, auch mich nicht sprechen könne. Dies war mir um so verdrießlicher, als nach meinem stolzen Wahn die Äbtissin in der höchsten Begeisterung das Bedürfnis hätte fühlen sollen, noch salbungsreiche Worte von mir zu vernehmen. Meine Mutter schien einen heimlichen Gram in sich zu tragen, nach dessen Ursache ich mich nicht unterstand zu forschen, weil ein geheimes Gefühl mir selbst die Schuld davon aufbürdete, ohne dass ich mir dies hätte deutlicher enträtseln können. Sie gab mir ein kleines Billett von der Fürstin, das ich erst im Kloster öffnen sollte; kaum war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem Erstaunen folgendes las:

      „Du hast mich, mein lieber Sohn (denn noch will ich Dich so nennen), durch die Rede, die Du in der Kirche unseres Klosters hieltest, in die tiefste Betrübnis gesetzt. Deine Worte kommen nicht aus dem andächtigen, ganz dem Himmlischen zugewandten Gemüte, Deine Begeisterung war nicht diejenige, welche den Frommen auf Seraphsfittichen emporträgt, dass er in heiliger Verzückung das himmlische Reich zu schauen vermag. Ach!.. Der stolze Prunk Deiner Rede, Deine sichtliche Anstrengung, nur recht viel Auffallendes, Glänzendes zu sagen, hat mir bewiesen, dass Du, statt die Gemeinde zu belehren und zu frommen Betrachtungen zu entzünden, nur nach dem Beifall, nach der wertlosen Bewunderung der weltlich gesinnten Menge trachtest. Du hast Gefühle geheuchelt, die nicht in Deinem Innern waren, ja Du hast selbst gewisse sichtlich studierte Mienen und Bewegungen erkünstelt, wie ein eitler Schauspieler, alles nur des schnöden Beifalls wegen. Der Geist des Truges ist in Dich gefahren und wird Dich verderben, wenn Du nicht in Dich gehst und der Sünde entsagest. Denn Sünde, große Sünde ist Dein Tun und Treiben, um so mehr, als Du Dich zum frömmsten Wandel, zur Entsagung aller irdischen Torheit im Kloster dem Himmel verpflichtet. Der heilige Bernardus, den Du durch Deine trügerische Rede so schnöde beleidigt, möge Dir nach seiner himmlischen Langmut verzeihen, ja Dich erleuchten, dass Du den rechten Pfad, von dem Du, durch den Bösen verlockt, abgewichen, wieder findest, und er fürbitten könne für das Heil Deiner Seele. Gehab Dich wohl!“

      Wie hundert Blitze durchfuhren mich die Worte der Äbtissin, und ich erglühte vor innerm Zorn, denn nichts war mir gewisser, als dass Leonardus, dessen mannigfache Andeutungen über meine Predigten ebendahin gewiesen hatten, die Andächtelei der Fürstin benutzt und sie gegen mich und mein Rednertalent aufgewiegelt habe. Kaum konnte ich ihn mehr anschauen, ohne vor innerlicher Wut zu erheben, ja es kamen mir oft Gedanken, ihn zu verderben, in den Sinn, vor denen ich selbst erschrak. Um so unerträglicher waren mir die Vorwürfe der Äbtissin und des Priors, als ich in der tiefsten Tiefe meiner Seele wohl die Wahrheit derselben fühlte; aber immer fester und fester beharrend in meinem Tun, mich stärkend durch Tropfen Weins aus der geheimnisvollen Flasche, fuhr ich fort, meine Predigten mit allen Künsten der Rhetorik auszuschmücken und mein Mienenspiel, meine Gestikulationen sorgfältig zu studieren, und so gewann ich des Beifalls, der Bewunderung immer mehr und mehr.

      Das Morgenlicht brach in farbichten Strahlen durch die bunten Fenster der Klosterkirche; einsam und in tiefe Gedanken versunken, saß ich im Beichtstuhl; nur die Tritte des dienenden Laienbruders[68], der die Kirche reinigte, hallten durch das Gewölbe. Da rauschte es in meiner Nähe, und ich erblickte ein großes schlankes Frauenzimmer, auf fremdartige Weise gekleidet, einen Schleier über das Gesicht gehängt, die, durch die Seitenpforte hereingetreten, sich mir nahte, um zu beichten. Sie bewegte sich mit unbeschreiblicher Anmut, sie kniete nieder, ein tiefer Seufzer entfloh ihrer Brust, ich fühlte ihren glühenden Atem, es war, als umstricke mich ein betäubender Zauber, noch ehe sie sprach!

      Wie vermag ich den ganz eignen, ins Innerste dringenden Ton ihrer Stimme zu beschreiben.

      Jedes ihrer Worte griff in meine Brust, als sie bekannte, wie sie eine verbotene Liebe hege, die sie schon seit langer Zeit vergebens bekämpfe, und dass diese Liebe um so sündlicher sei, als den Geliebten heilige Bande auf ewig fesselten; aber im Wahnsinn hoffnungsloser Verzweiflung habe sie diesen Banden schon geflucht.

      Sie stockte… mit einem Tränenstrom, der die Worte beinahe erstickte, brach sie los: „Du selbst… du selbst, Medardus, bist es, den ich so unaussprechlich liebe!“

      Wie im tötenden Krampf zuckten alle meine Nerven, ich war außer mir selbst, ein nie gekanntes Gefühl zerriß meine Brust, sie sehen, sie an mich drücken… vergehen vor Wonne und Qual, eine Minute dieser Seligkeit für ewige Marter der Hölle!.. Sie schwieg, aber ich hörte sie tief atmen.

      In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich mich gewaltsam zusammen, was ich gesprochen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm wahr, dass sie schweigend aufstand und sich entfernte, während ich das Tuch fest vor die Augen drückte und wie erstarrt, bewußtlos im Beichtstuhle sitzen blieb.

      Zum Glück kam niemand mehr in die Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine Zelle entweichen. Wie so ganz anders erschien mir jetzt alles, wie töricht, wie schal mein ganzes Streben.

      Ich hatte das Gesicht der Unbekannten nicht gesehen, und doch lebte sie in meinem Innern und blickte mich an mit holdseligen[69] dunkelblauen Augen, in denen Tränen perlten, die wie mit verzehrender Glut in meine Seele fielen und die Flamme entzündeten, die kein Gebet, keine Bußübung mehr dämpfte. Denn diese unternahm ich, mich züchtigend bis aufs Blut mit dem Knotenstrick,



<p>66</p>

Так и случилось!

<p>67</p>

das versammelte andächtige Volk – собравшийся здесь благоговейный народ

<p>68</p>

Laienbruder m (kath. Kirche) – (insbesondere praktisch arbeitender) Ordensbruder ohne geistliche Weihen

<p>69</p>

holdselig (veralt.) = liebreizend, anmutig