Dør. Daniel Decker

Читать онлайн.
Название Dør
Автор произведения Daniel Decker
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783947720378



Скачать книгу

ist ein Korybant?«

      »Wir sind es, w-w-wir sind sie … wir waren es. Doch wir sind nicht die, d-die wir scheinen.«

      Das führte zu nichts. Svendson brachte den Namenlosen in eine Zelle.

      »Zu Deiner eigenen Sicherheit«, sagte er noch, als er abschloss und dann nach Hause ging.

      Nordraak empfing seinen Kollegen breit grinsend am nächsten Morgen. Svendson gefiel das gar nicht.

      »Was ist los?«

      Eigentlich wollte er es gar nicht wissen.

      »Der scheiß Durchgeknallte«, begann Nordraak, »ich hab was rausbekommen. Der war sowas wie das Mädchen für alles von den Satanisten. Er nahm ihre Platten auf und organisierte ihre Auftritte. Grieg heißt er, Ole Grieg.«

      »Wie hast Du das erfahren?«

      Svendson bereute die Frage, als er über die Schulter von Nordraak sah, wie der nun auf Ole Grieg getaufte Namenlose aus seiner Zelle geschleppt wurde. Sein Gesicht war ein blutiger Klumpen Fleisch. Svendson hasste seinen Job. Nur seine Kollegen hasste er noch viel mehr.

      »Du kannst doch nicht unseren einzigen mutmaßlichen Augenzeugen verprügeln, verdammtes Arschloch!«

      Nordraak grinste, als ob ihm Svendsons Reaktion gefallen würde.

      »Als ich dem Arsch das bisschen Verstand in seinen behämmerten Schädel schlug, begann er zu singen. Ohne all das wären wir noch am Anfang. Jetzt haben wir unseren Mörder, und der Fall ist schon so gut wie gelöst.«

      »Hat er etwa gestanden? Unter Folter? Was für ein scheiß Beweis soll das sein?«

      »Svendson, das waren verkackte Teufelsanbeter und er ist einer davon. Dazu noch nicht ganz dicht im Oberstübchen. Wen kümmert das, wie sie verreckt sind? Willst Du, dass so ein Irrer wie der frei rumläuft? Wen interessiert da schon, wie es wirklich war?«

      Svendson dachte an Mütter und Väter, Freunde und Verwandte. Sie würden wissen wollen, was passiert war, oder eher warum es passiert war. Und er wusste, dass Grieg nicht gefährlich war, nicht für sich und auch nicht für andere. »Mich interessiert’s!«, sagte er, nahm seinen Mantel und verließ das Präsidium.

      II

      Seinen alten Job hatte Svenson gehasst. Sein neuer Job war ihm einfach nur egal. Seit einem Jahr arbeitete er nun als Wachmann in einer Konservenfabrik. Hier war er wenigstens nicht von Arschlöchern umgeben. Genau genommen hatte er während seines Dienstes kaum Kontakt zu anderen Menschen. Svendson gefiel das. Meist saß er in dem kargen Wachhäuschen auf dem unbequemen Holzstuhl und las. Jede Stunde drehte er seine Runde auf dem Firmengelände und trug dies dann in eine Liste ein.

      Seit einem Jahr hatte ihn der Brand bei der Sekte nicht mehr losgelassen. Zwar kam Grieg vor Gericht, wurde aber unzurechnungsfähig erklärt und in ein Sanatorium eingewiesen. Ob er die anderen angezündet hatte, konnte nie nachgewiesen werden, und was er angeblich in Sicherheit gebracht hatte, war allen außer Svendson egal. Der Fall schien geklärt. Also stellte er selbst Nachforschungen an. Mittlerweile wusste er, was Korybanten waren und verstand, wen Grieg mit Korybant der Korybanten meinte: Niklas Andersen, den als Anführer der Dørianer. Andersen musste seiner Biographie nach weit über achtzig sein, doch er versteckte dies wie fast alle seiner Anhängerinnen und Anhänger unter dicker weißer Schminke. Svendson hatte Pantomimen noch nie gemocht, er mochte auch keine Clowns und die Fotos, die er von Andersen kannte, erinnerten ihn an sie. Nur, dass ein Clown, der niemanden zum Lachen bringen will, womöglich noch furchteinflößender war als einer, der es vergeblich versuchte. Svendson war sich sicher, dass es Andersen war, der seine Leute angezündet hatte. Vielleicht in irgendeinem vermeintlichen Ritual, und Grieg war nur sein Bauernopfer. Eine Figur in Andersens Spiel. Worin das Ziel des Spieles bestand oder ob Andersen überhaupt noch lebte, konnte er nicht klären. Unter den zwölf Toten im Haus der Sekte hatten sich auch die Überreste mehrerer älterer Männer befunden, aber es fand sich niemand, der sie eindeutig identifizieren konnte. Svendson ging davon aus, dass Andersen selbst bei dem Brand ums Leben gekommen war. Wenn auch unabsichtlich. Denn nahe dem Ausgang des Hauses fand sich die Leiche eines Greises neben der ein Kanister sowie ein silbernes Benzinfeuerzeug mit den Initialen N.A. lag. Der Korybantenführer hatte es wohl nicht rechtzeitig geschafft zu fliehen, und ihn hatte das gleiche Schicksal wie seine Jünger ereilt. Nur Grieg war übrig geblieben. Welch grausame Gerechtigkeit.

      Svendson sah auf den Abreisskalender der an der Wand hing. Donnerstag. Er sah auf seine Uhr und riss ein weiteres Kalenderblatt ab und schmiss es in den kleinen Mülleimer in seinem Wachhäuschen in dem sich neben den Kalenderblättern der vergangenen Tage nichts anderes fand. Freitags war besuchte er immer Grieg in der Klinik. Um sechs Uhr morgens würde er seine Schicht beenden.

      Pünktlich packte Svendson seinen Mantel und machte sich auf den Weg. Er stieg in seinen weißen Volvo und schob mit dem Unterarm den Müll vom Beifahrersitz. Leere Kaffebecher, Reste von hastigen Mahlzeiten der letzten Wochen. Mahlzeiten die für ihn Frühstück waren, für andere aber Abendessen.

      Grieg war in der psychiatrischen Klinik des Neevengården Krankenhaus in Sandviken untergebracht. Svendson musste durch halb Bergen fahren um von seinem Arbeitsplatz zur Klinik zu kommen. Ihm machte das nichts. So früh am morgen war meist nichts los und der lange Weg verkürzte ihm die Wartezeit bis zur Öffnung der Klinik. Einige Straßen vor seinem Ziel hielt er und stieg aus. Svendson blinzelte der aufgehenden Sonne entgegen, die ihre Strahlen auf den Byfojrd legte. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Kurz vor Sieben. Gähnend schloss er den Wagen ab und schlenderte in eine kleine Gasse. Magnild Nilsen öffnete gerade die Tür zu ihrem Cafe als Svendson um die Ecke bog. Freundlich hielt sie ihrem Stammgast die Türe auf.

      »Morgen Ingvar«, lächelte sie ihn an und strich ihm sanft über den Arm.

      »Guten Morgen Magnild«, erwiderte er müder als er wollte und musste aufpassen nicht wieder zu gähnen. Es roch nach frischen Brötchen und gemahlenen Kaffeebohnen. Svendson fühlte sich wohl und streckte sich. Magnild ging hinter den Tresen und kochte Kaffee. Es war bereits eine Routine geworden und es war gar nicht notwendig, dass Ingvar eine Bestellung aufgab. Kaffee, sehr stark, sehr schwarz.

      »Besuchst Du wieder Deinen Freund?«, wollte Magnild wissen.

      »Er ist nicht mein Freund, er ist…«, nun was war Grieg eigentlich? Er wusste es selbst nicht genau. Er wusste auch nicht genau warum er ihn immer wieder besuchte.

      »Er ist einsam«, schloss Svendson den Satz ab ohne zu wissen, ob Grieg tatsächlich so fühlte oder ob er nicht doch der Einsame von beiden war.

      Magnild goss den dampfenden Kaffee in eine große Tasse. »Hat er denn keine Familie?«

      »Doch, er hat eine Frau und auch eine Tochter, aber die kommen nie zu Besuch. Sie haben schon lange keinen Kontakt mehr.«

      »Das ist traurig«, sagte Magnild und reichte die heiße Tasse an Svendson. Mit einer nicht ganz unabsichtlichen Berührung strichen ihre Finger kurz über seine Hand. Svendson lächelte verlegen.

      »Was gibt es denn mit Deinem Freund…«, Magnild verbesserte sich, »Deinem Nicht-Freund jede Woche so wichtiges zu bereden?«

      »Nichts. Eigentlich nichts«, erwiderte Svendson, »Wir drehen uns im Kreis. Er redet überhaupt wenig. Meist reagiert er kaum auf das was ich sage. Nur wenn ich Wörter aus seinen eigenen Sätzen aufgreife, fängt er manchmal an zu erzählen. Das schränkt die Kommunikation doch arg ein.«

      Svendson dachte kurz daran, dass Grieg selten klar wirkte und in diesen Momenten meist niedergeschlagen, deprimiert und noch schweigsamer als sonst war. Grieg reagierte immer seltener auf ihn. Er sah geradewegs durch ihn hindurch, als wäre er gar nicht da. Oft saßen die beiden sich stumm gegenüber, doch manchmal nickte Grieg als ob er Zustimmung ausdrücken wollte, obwohl niemand etwas gesagt hatte, und manchmal schüttelte er mit dem Kopf oder wurde durch etwas aus seiner Lethargie gerissen und schien aufmerksam und wach zu sein, wo er zuvor doch träge auf den Boden starrte. Svendson kam dennoch.

      »Es ist eher