Baltrumer Kaninchenkrieg. Ulrike Barow

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Название Baltrumer Kaninchenkrieg
Автор произведения Ulrike Barow
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839265062



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der diese Munition benutzt.«

      Michael Röder stand auf und ging in den Flur, der die Wache mit seiner Dienstwohnung verband. Hier war es ruhiger. Nur Amir, sein Heidewachtel, bellte einmal kurz und strich ihm um die Beine. Sandra war offenbar nicht da. Er überlegte. Richtig. Sie wollte sich mit ein paar Frauen treffen, um Osterschmuck für das Fest vom Heimatverein am Ostersonntag zu basteln. Das hatte sie beim Frühstück erwähnt.

      Gerade, als er das Telefon aus der Tasche zog, klingelte es. Marlene. Er wunderte sich. Seitdem er Schluss gemacht hatte, hatte er nichts mehr von ihr gehört. »Röder.«

      »Hallo, Michael«, hörte er ihre vertraute Stimme.

      Er schluckte. Konnte fast nicht antworten. Es reichte nur zu einem knappen: »Ja?«

      »Ich habe gehört, dass ihr wieder einen Mord auf der Insel hattet?«

      Was sollte das? Warum interessierte sie sich jetzt plötzlich für das Inselleben? »Stimmt. Warum?«

      »Es ist nur – Gero ist da, oder?«Er wusste immer weniger, was er von dem Gespräch halten sollte. Ja, Gero war da, aber was hatte das mit Marlene …?

      »Es ist so. Gero und ich – wir sind zusammen«, klang es wie durch einen dichten Nebel. »Er weiß nichts von dir und mir. Es ist erst ganz frisch. Ich möchte es ihm lieber selber sagen, verstehst du. Nicht, dass du beim Feierabendbier aus Versehen, du verstehst …« Jetzt sprudelte es fast aus ihr heraus. »Nicht, dass es mir leid täte. Das mit dir. Aber es hat ja nun mal …«

      »Michael? Du solltest Weber nur anrufen und ihn nicht persönlich aufsuchen«, hörte er Arndts Stimme.

      »Ich … Ich muss Schluss machen. Du kannst dich auf mich … verlassen.« Er drückte die Taste, dann atmete er tief durch. Gero. Der nette Gero aus Aurich. Der, den er bis gerade für einen klasse Kollegen gehalten hatte. Und den er jetzt am liebsten ungebremst ins Hafenbecken schleudern würde. Er umklammerte das Handy. Nimm dich zusammen, Alter. Den Jäger anrufen. Los jetzt. Röder wählte. Was hatte er eigentlich fragen wollen?

      »Weber?«

      »Hallo, Jörg. Hier ist Michael. Ich brauche … Ich brauche die Liste, weißt du …«, stammelte er.

      »Welche Liste?«, fragte Jörg Weber ratlos.

      »Die Liste der auswärtigen Jäger.« Er erklärte nicht, warum er sie brauchte, nur was er brauchte. Dann ging er zurück zu seinen Kollegen. »Er bringt alles vorbei«, krächzte er.

      »Na, hast du dich erst einmal zu deiner Frau in die Küche zurückgezogen?« Gero Schonebeck lachte. »Schäferstündchen während der Dienstzeit? Kann eben doch Vorteile haben, wenn man direkt neben dem Dienstzimmer wohnt, oder?«

      Arschloch. Michael Röder setzte sich wieder auf seinen hölzernen Bürostuhl. Er konnte kein Wort sagen. Es war, als würde ein tennisballgroßer Klumpen seinen Hals verstopfen. Er bemerkte die Verwunderung in Arndts Blick, bevor der Eilert Thedinga aufforderte, den gestrigen Abend noch einmal zusammenzufassen.

      »Ist dir über Nacht noch etwas eingefallen?«

      Eilert schüttelte den Kopf. »Nicht mehr als das, was wir bereits berichtet haben. Ich kam bei den Opitz rein und hatte sofort Funkstille, weil Ingeborg Opitz laut und ohne Unterlass geredet hat. Ich weiß jetzt fast alles über andere Leute. Sicher sehr hilfreich für meine Zeit hier. Am schlimmsten hat sie über ihre Nachbarin hergezogen. Melissa Harms. Vielleicht sollten wir bei der gleich vorbeischauen. Sie soll nicht dagewesen sein, als die Opitz sie zusammenfalten wollte.«

      »Ich hätte an ihrer Stelle auch die Tür nicht aufgemacht, wenn ich gesehen hätte, welche Furie sich da auf mein Grundstück zubewegt«, sagte Arndt Kleemann.

      »Wir befragen sie auf jeden Fall. Immerhin hat uns Frau Hasekamp erzählt, dass die auch zu den Proniggels gehört hat«, stimmte Gero Schonebeck zu. »Außerdem sollten wir uns Enno Seeberg ein weiteres Mal vornehmen. Das war echt filmreif, wie der versucht hat, sich unserem Zugriff zu entziehen, als er nach Hause kam.«

      »Aber genützt hat es nichts«, lächelte Arndt Kleemann. »So fit wie Gero ist, kriegt der jeden.«

      Klar. Egal ob sie Enno Seeberg oder Marlene Jelden heißen. Der kriegt jeden. Oder jede. Michael Röder hatte das Gefühl, dass ihm seine Stimme immer noch nicht gehorchte. Also schwieg er und ließ die anderen reden.

      »Außerdem haben wir Oliver Abels auf der Liste. Der hat sich unter Rettet unsere Pflanzenwelt mit den Opitz zusammengetan«, berichtete Eilert Thedinga. »Sie wollen übrigens heute Mittag vor dem Rathaus Unterschriften sammeln. Das hat mir Hartmut Opitz erzählt. Oliver Abels soll die heute bei der Ratssitzung vorlegen. Als Entscheidungshilfe.«

      »Ich bin gespannt, wer alles unterschreibt«, überlegte Gero Schonebeck. »Rettet unsere Pflanzenwelt ….« Er dachte kurz nach, dann brach es aus ihm heraus: »Rettet unsere Pflanzenwelt – kurz ›Rupf‹! Ist das nicht … – Das ist einfach genial!« Er lachte, bis ihm die Tränen kamen. »Echt cool, diese Ermittlungsarbeiten – Proniggels gegen Rupf. Einfach köstlich!«

      »Gero, du solltest zur Zeitung gehen. Tolle Schlagzeile. Doch jetzt mal zurück zum Wesentlichen. Was liegt also noch an?«, fragte Arndt Kleemann in die Runde.

      Röder wusste, jetzt war er dran. Er schluckte, merkte, wie der Druck langsam nachließ. »Ich habe alles berichtet. Die Jäger waren kooperativ. Auf meine Frage, ob auf der Insel schon mal gewildert wird, erklärte Weber, dass er nichts Konkretes wisse. Es tauchte wohl hin und wieder der eine oder andere Name auf, aber das sei oft nur Gerede. Ich spreche ihn aber noch einmal darauf an. Die Liste der auswärtigen Jäger bringe ich gleich mit. Zumindest die Daten, die er schon hat.«

      Arndt Kleemann nickte. »Alles klar. So gehen wir vor. Gero, du nimmst Kontakt mit den Pflanzenrettern auf. Beobachte mal, wie sich die Unterschriftensammlung macht. Ich besuche Melissa Harms und du, Eilert, wartest auf Enno Seeberg und auf neue Erkenntnisse aus Aurich.«

      »Es wäre sicher ganz interessant, zu erleben, was heute auf der Ratssitzung passiert«, sagte Gero Schone­beck. »Dort sollten wir ebenfalls eine Abordnung hinschicken. Da knallen Welten aufeinander. Mit Sicher­heit werden dort Abordnungen von den Proniggels und den Rupfs unter den Zuschauern sein.«

      »Gute Idee«, stimmte Arndt Kleemann ihm zu. »Wir werden sehen, auf wen von uns das Los fällt.«

      »Ich geh dann mal.« Michael Röder konnte es kaum erwarten, aus der kleinen Wache herauszukommen. Allein zu sein. Zumindest auf dem kurzen Weg zu Jörg Weber. Er würde sein Fahrrad zu Hause lassen. Auch wenn die anderen sich wunderten.

      Musste es ausgerechnet Gero sein? Die beiden waren sich bestimmt dienstlich über den Weg gelaufen und dann hatte es gefunkt. Warum auch nicht? Schließlich hatte er, Michael, Schluss gemacht. Es gab keinen Grund, warum sie sich nicht anderweitig vergnügen sollte. Wirklich überhaupt keinen.

      Er stolperte beinahe über die Steinkante, die das kleine Rasenstück rechts von Feinkost Janssen einrahmte, als er von einer schrillen Stimme aus seinen Gedanken geholt wurde. »Hallo, Michael. Nun warte doch mal. Ich kann nicht so schnell.«

      Verwirrt schaute er sich um. Eine kleine, schmale Gestalt mit einem dicken Wintermantel und Ohrenschützern aus braunem Fell schob mühsam einen Rollator vor sich her. Im Korb lag ein halb gefüllter Müllsack. Daneben klemmte ein Müllgreifer. »Du solltest dir mal das Osterfeuer anschauen, da hat wieder jemand einen Jägerzaun entsorgt.«

      Er blieb stehen. Petine Abels. Bei den Insulanern hieß sie nur Oma Blau. Wegen des blauen Müllsacks, ohne den sie nie unterwegs war. Weit über achtzig. Mutter von Oliver Abels und unkaputtbar.

      »Ich habe gerade ein paar Zweige zum Osterfeuer gebracht. Da habe ich es gesehen. Unverschämtheit«, sagte sie aufgebracht.

      Er musste ihr zustimmen. Nur Zweige und kleingeschnittene Äste gehörten darauf. »Du bist wirklich den ganzen Weg zum Ostdorf gelaufen?«, fragte er erstaunt.

      »Natürlich. Warum nicht?« Sie wischte mit dem Handschuh über die obere Ablage ihres Rollators. »Ich mache das, was