Название | Das Zeitalter der Extreme |
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Автор произведения | Eric Hobsbawm |
Жанр | Историческая литература |
Серия | |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783806239669 |
Was nun die »monopolkapitalistische« These betrifft, so kann man nur sagen, daß das wirkliche Großunternehmertum mit jeder Art von Regime zurechtkommt, das nicht zu Enteignungsmaßnahmen greift, und daß jedes Regime mit dem Großunternehmertum zurechtkommen muß. Der Faschismus war kein stärkerer »Ausdruck der Interessen des Monopolkapitals« als der amerikanische New Deal, die britischen Labour-Regierungen oder die Weimarer Republik. Das Großunternehmertum der dreißiger Jahre hat Hitler nicht ausdrücklich herbeigewünscht und hätte wohl auch einen orthodoxeren Konservatismus vorgezogen. Daher erhielt Hitler bis zur Weltwirtschaftskrise aus seinen eigenen Reihen auch nur geringe Unterstützung; und selbst in der ersten Zeit danach lief diese Unterstützung nur zögernd an und blieb relativ uneinheitlich. Aber als Hitler an die Macht kam, da kollaborierte das Großunternehmertum aus vollem Herzen und ging während des Zweiten Weltkriegs sogar so weit, Sklavenarbeiter und Häftlinge in den Konzentrationslagern für seine Geschäfte zu nutzen. Und das Großunternehmertum profitierte genauso wie die kleinen Geschäftsleute von der Enteignung der Juden.
Dennoch muß ausgesprochen werden, daß der Faschismus für das Unternehmertum durchaus auch bedeutende Vorteile gegenüber anderen Regimen hatte. Zuerst einmal eliminierte oder besiegte er die soziale Revolution von links und schien in der Tat das beste Bollwerk gegen sie zu sein. Zweitens eliminierte er Gewerkschaften und beseitigte Beschränkungen der Arbeitgeberrechte gegenüber der Arbeiterschaft. In der Tat hatten die meisten Chefs und Arbeitgeber in ihren eigenen Geschäftsbereichen schon längst das »Führerprinzip« des Faschismus gegenüber ihren Untergebenen angewandt, und nun bot ihnen der Faschismus die autoritative Rechtfertigung dafür. Drittens verhalf die Zerstörung der Arbeiterbewegungen dem Unternehmertum zu einer völlig ungerechtfertigt günstigen Lösung der aus der Depression entstandenen Probleme. Während der Anteil der oberen 5 Prozent der Verbraucher in den USA zwischen 1929 und 1941 am (nationalen) Gesamteinkommen um 20 Prozent sank (einen ähnlichen, aber bescheideneren egalitären Trend gab es in Großbritannien und Schweden), konnten die oberen 5 Prozent in Deutschland in ebendieser Periode einen 15 prozentigen Zuwachs erleben.16 Und schließlich funktionierte der Faschismus, wie schon erwähnt, gut bei der Dynamisierung und Modernisierung von Industriewirtschaften, allerdings weit weniger gut als westliche Demokratien in bezug auf risikoreiche, langfristige techno-wissenschaftliche Planungen.
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Hätte der Faschismus großen Einfluß auf die Weltgeschichte gehabt, wenn es die Weltwirtschaftskrise nicht gegeben hätte? Wahrscheinlich nicht. Italien allein war keine vielversprechende Basis für eine Erschütterung der Welt. Und in den zwanziger Jahren sah es nicht so aus, als gäbe es noch eine andere radikale, konterrevolutionäre und zukunftsweisende Bewegung in Europa. Die Gründe dafür waren mehr oder weniger dieselben, die auch die Versuche der Kommunisten scheitern ließen, eine soziale Revolution in Gang zu setzen: Die revolutionäre Welle der Zeit nach 1917 war verebbt, und die Wirtschaft schien sich zu erholen. In Deutschland hatten die gesellschaftlichen Stützen des Kaiserreichs – Generäle, Beamtenschaft usw. – nach der Novemberrevolution den ungebundenen paramilitärischen Gruppen oder anderen Abenteurern der Rechten zwar einiges an Unterstützung gewährt; doch ihre eigentlichen Bemühungen galten (verständlicherweise) solchen Aktivitäten, die die neue Republik konservativ und antirevolutionär prägen und vor allem in einer Lage halten sollten, die ihr internationalen Spielraum bewahren würde. Aber als diese Leute dann 1920 beim Rechtsputsch unter Kapp und 1923 beim Münchener Putsch (als sich Hitler zum erstenmal in den Schlagzeilen wiederfand) Farbe bekennen mußten, wählten sie, ohne zu zögern, den Status quo. Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung seit 1924 und bei den Wahlen von 1928 sanken die Wählerstimmen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei auf kümmerliche 2,5–3 Prozent, d.h. nur halb soviel wie die kleine, zivilisierte Deutsche Demokratische Partei, ein Fünftel der kommunistischen und weit unter einem Zehntel der sozialdemokratischen Stimmen. Doch schon zwei Jahre später war ihr Stimmenanteil auf über 18 Prozent gestiegen und machte sie zur zweitstärksten Partei in der deutschen Politik. Vier Jahre später war sie mit über 37 Prozent Anteil an den Gesamtstimmen zur bei weitem stärksten Partei geworden. Es war offensichtlich die Weltwirtschaftskrise, die aus dem politischen Randphänomen Hitler den potentiellen und schließlich tatsächlichen Herrscher des Landes gemacht hatte.
Doch auch die Weltwirtschaftskrise hätte dem Faschismus an sich weder zur Macht noch zum Einfluß verholfen, die er in den dreißiger Jahren dann ganz eindeutig gewann, wenn sie nicht dazu beigetragen hätte, eine faschistische Bewegung gerade in Deutschland an die Macht zu bringen. Ein Staat von dieser Größe und mit diesem wirtschaftlichen und militärischen Potential und nicht zuletzt in dieser geographischen Lage mußte unter jedweder Regierungsform eine einflußreiche politische Rolle in Europa spielen. Die totalen Niederlagen in zwei Weltkriegen haben Deutschland schließlich auch nicht daran hindern können, das 20. Jahrhundert als der dominierende Staat dieses Kontinents zu beenden. Am linken Spektrum hatte der Sieg von Marx im größten Staat der Welt (»auf einem Sechstel der Landmasse dieser Erde«, wie die Kommunisten zwischen den Kriegen gerne stolz betonten) dem Kommunismus zu starker internationaler Präsenz verholfen – sogar dann noch, als er außerhalb der Sowjetunion nur noch eine geringe politische Rolle spielte; am rechten Spektrum schien Hitlers Eroberung von Deutschland den Erfolg von Mussolinis Italien zu bestätigen und den Faschismus in einen machtvollen weltpolitischen Trend zu verwandeln. Der Siegeszug einer aggressiven, militaristischen Expansionspolitik in diesen beiden Staaten (siehe Fünftes Kapitel), verstärkt noch durch Japan, hat die internationale Politik dieses Jahrzehnts geprägt. Es war daher nur natürlich, daß nacheifernde Staaten oder Bewegungen von diesem Faschismus angezogen und beeinflußt wurden und daß sie die Unterstützung von Deutschland und Italien suchen sollten und, eingedenk des Expansionismus dieser Länder, auch meistens bekamen.
In Europa gehörten derartige Bewegungen deutlich und in überwältigendem Ausmaß der Rechten an. In der zionistischen Bewegung (die zu dieser Zeit hauptsächlich von aschkenasischen, in Europa lebenden Juden getragen wurde) zählte sich der Flügel, der sich am italienischen Faschismus orientierte – Vladimir Jabotinskys »Revisionisten« –, eindeutig zur Rechten, im Gegensatz zu den (vorherrschenden) sozialistischen und liberalen zionistischen Tendenzen. Weil der Faschismus mit zwei dynamischen und höchst aktiven Mächten gleichgesetzt wurde, mußte er in den dreißiger Jahren auch in gewissem Maße weltweit an Einfluß gewinnen. Allerdings, die Bedingungen, die dem Faschismus auf dem Heimatkontinent zugute gekommen waren, haben außerhalb Europas kaum existiert. Deshalb ist die Analyse der politischen Standortbestimmung und der Funktionen von faschistischen oder eindeutig vom Faschismus beeinflußten Bewegungen außerhalb Europas, wenn sie überhaupt existiert haben, auch weitaus problematischer.
Natürlich