Название | Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band! |
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Автор произведения | Frank Rehfeld |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745212471 |
Keine Frage, dass das Dokument gefälscht war. Doch was passierte, wenn sich Palmer durch ein Telefonat rückversicherte? Auch für diesen Fall hatte der Mann auf dem Tonband seine Anweisungen.
„Sie werden jede Panne verhindern, Reiniger“, sagte er teilnahmslos. „Ich verlasse mich da ganz auf Ihre Geschicklichkeit. Und meine Geiseln tun das auch. Der Brief dient lediglich als Mittel, dass Palmer Sie überhaupt empfängt. Sie werden ihn dann zwingen, einen Wagen für die sechs Männer zur Verfügung zu stellen. Sie können ihm getrost die ganze Wahrheit verraten. Vergessen Sie aber nicht, ihm zu erklären, was passiert, wenn einer seiner Männer hinterher Alarm schlägt. Palmer wird mit Ihnen und den Gefangenen das Gefängnis unangefochten verlassen. Das ist alles. Fangen Sie an, Mister Dave Carlson!“
Auf diese Eröffnung hin zündete sich Bount erst einmal eine Pall Mall an. Er überlegte. Es war zum Verrücktwerden. Ein Unsichtbarer hatte sie völlig in der Hand. Das Leben von vier Geiseln stand auf dem Spiel. Das war der springende Punkt.
Die Gangster wurden früher oder später sicher wieder eingefangen. Sie würden sich hüten, in nächster Zeit ein Verbrechen zu begehen.
„Und was haben wir zu tun?“, wollte Strother Lynch wissen.
„Vermutlich sollen Sie gegenseitig aufeinander aufpassen, dass keiner mit dem Wagen abhaut“, meinte Bount Reiniger. Er fragte sich allerdings, ob der schmächtige Doc dazu in der Lage war.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie zu dritt zu dem Direktor hätten gehen können. Aber das wäre natürlich aufgefallen.
Bount verließ den Wagen und läutete an dem riesigen Tor. Nach einer Weile schnarrte eine Sprechanlage. Er wurde nach seinem Anliegen gefragt. Er konnte nur noch hoffen, dass nichts schiefging. Er nannte seinen falschen Namen und erklärte, dass er einen Brief für den Direktor habe.
Eine Klappe öffnete sich. Er musste sich ausweisen und den Brief zeigen. Dann dauerte es wieder eine Weile, bis er zum Leiter des Gefängnisses geführt wurde.
Palmer war ein hochaufgeschossener Mann, der kurz vor seiner Pensionierung stand. Er studierte den Brief und musterte Bount Reiniger mit wachsamen Augen. Dann griff er zum Telefonhörer.
„Was haben Sie vor?“, fragte Bount.
Palmer lächelte verbindlich.
„Ihr Besuch wurde mir nicht angekündigt, Mister Carlson. Wir müssen vorsichtig sein. Bei den sechs Gefangenen handelt es sich schließlich um keine Taschendiebe.“
Bount Reiniger legte die Karten auf den Tisch. Er erklärte Palmer, in welcher Zwangslage er sich befand. Er verschwieg vor allem nicht, dass es bereits drei Tote gegeben hatte und dass er für das Leben der vier Geiseln fürchtete, falls die Forderungen des Killers nicht exakt erfüllt wurden. Lediglich den Standort der Ranch verschwieg er. Er wusste noch nicht, wie sich der Direktor entscheiden würde.
Palmer sagte einige Zeit nichts. Dann seufzte er.
„Hätten Sie damit nicht noch ein halbes Jahr warten können, Mister Reiniger? Dann hätte sich mein Nachfolger daran die Zähne ausbeißen können. Aber dem Burschen werden wir die Suppe versalzen. Meine Männer boxen uns wieder heraus. Ich gebe sofort entsprechende Anweisungen.“
„Nichts werden Sie tun“, widersprach Bount Reiniger. „Nicht nur, dass die ganze Gegend wahrscheinlich vermint ist, ein Fremder wäre schon von weitem zu sehen. Wollen Sie schuld am Tode unschuldiger Menschen sein? Solange wir den Drahtzieher nicht mit absoluter Sicherheit kennen, sind uns die Hände gebunden. Der Killer meint, was er sagt.“
„Und was tun Sie, wenn ich mich trotzdem weigere?“
„Dann zwinge ich Sie. Die Gerichte sollen später entscheiden, ob ich anders hätte handeln können.“
„Sie sind ein erstaunlicher Mann, Mister Reiniger. Ich hoffe nur, dass wir beide einen einsichtigen Richter finden.“
Er ließ einen Wachhabenden kommen und erklärte diesem: „Der Gouverneur schickt mir ein Begnadigungsschreiben für sechs unserer Inhaftierten. Sie haben sich bereiterklärt, uns bei der Aufklärung eines brutalen Verbrechens zu helfen. Ich werde sie persönlich zum Gouverneur begleiten. Sorgen Sie für einen Wagen!“
„Um wen handelt es sich, Sir?“
Der Direktor las die Namen vor. Der Uniformierte rümpfte die Nase.
„Ausgerechnet die? Mit denen hatten wir die meisten Scherereien.“
„Dann wollen wir froh sein, dass wir sie los sind.“
„Wieviel Mann Begleitung, Sir?“
Palmer winkte lässig ab.
„Keinen, Crobb. Die Männer sind begnadigt. Wir müssen nicht mehr auf sie aufpassen.“
„Wie Sie meinen. Ich veranlasse alles Nötige.“
„Ich erwarte den Wagen unten im Hof. Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, dass wir den Fall nicht an die große Glocke hängen sollen. Sich dazu zu äußern, ist allein Sache des Gouverneurs. Verstanden?“
„Verstanden, Sir!“
Der Mann stand stramm und zog sich zurück. Der Direktor wandte sich an Bount.
„Zufrieden, Mister Reiniger?“
Der Detektiv schüttelte den Kopf.
„Zufrieden bin ich ganz und gar nicht. Aber ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir nicht noch mehr Schwierigkeiten bereiten.“
13
Es verlief alles nach Plan. Die Sträflinge wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Hurt, Bommerfield und Shatson stiegen in den Chrysler. Der Doc musste in den Gefängniswagen umsteigen. Er war von dem Killer als Fahrer benannt worden. Palmer setzte sich neben ihn. Die Anweisung lautete, dass sie mit den Gefangenen zur Ranch zurückzukehren hatten. Keiner durfte fehlen.
Erst jetzt erfuhren die Gangster, dass es sich keineswegs um eine Begnadigung handelte, sondern dass sie ihre unerwartete Freiheit einem Erzschurken zu verdanken hatten.
„Der Mann gefällt mir“, sagte Shatson. „Vielleicht können wir uns gelegentlich bei ihm revanchieren.“ Auch die anderen waren begeistert. Keiner konnte sich jedoch denken, wer diesen Plan ausgekocht hatte. Verschiedene Namen wurden gehandelt. Keinem der Träger war Bount Reiniger bisher begegnet. Er schärfte Doc Caan ein, dem Chrysler dicht zu folgen, und dieser versprach es.
Palmer sah ausgesprochen blass aus.
Das Tonband enthielt keine weiteren Anweisungen.
Sie fuhren auf dem schnellsten Weg zur Ranch und hofften, dass sich dort in der Zwischenzeit nichts Unangenehmes ereignet hatte.
14
Mabel Taylor war froh, dass ihre Mutter endlich eingeschlafen war. Ihr ständiges Gerede vom bevorstehenden Tod hatte sie schon ganz nervös gemacht.
Auch sie hatte Angst, das konnte sie nicht leugnen. Aber sie versuchte, nicht daran zu denken.
Bount Reiniger war ein Mann, dem man vertrauen konnte. Er würde schon einen Weg finden, dass es nicht zum Schlimmsten kam. Wenn alle Bedingungen des Killers erfüllt waren, musste er sie doch freilassen. Oder nicht? Waren sie nicht gefährliche Zeugen, die ihn verraten konnten?
Aber sie kannten ihn ja gar nicht. Keiner wusste, wer von ihnen der Mörder war.
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