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sah Volpe ins Gesicht. Er hatte den fuchsigen Ausdruck des Spielers angenommen, der den entscheidenden Schachzug tut, um den Gegner matt zu setzen. Auch die beiden Frauen starrten wie gebannt auf ihn:

      »…und dann hat sich eine von euch beiden eingebildet, es könne ihr mit einem vergleichbaren Mord gelingen, den Untertan aus dem Gefängnis loszueisen, um ihn diesmal ganz allein in ihre persönliche Gewalt zu bekommen. Sie hat ihn entweder dergestalt geliebt oder war in ihrem Besitzerstolz so unermesslich verletzt, dass sie sogar zum Mord bereit war.«

      Ich sah, wie Maria der Schwiegertochter einen tödlichen Blick zuschleuderte. Noch nie hatte ich in einem menschlichen Antlitz solchen Hass lodern sehen. Cornelia hingegen war noch ein Wenig mehr in sich zusammen gesunken und ließ die Unterschenkel jetzt vor dem Korbstuhl herab baumeln. Die Augen richtete sie starr, wie in Hypnose, auf Volpe. Der Mund war leicht geöffnet. Die Oberschenkel verwuchsen waagerecht mit dem Polster und klebten fest aneinander. Ihre Arme ruhten auf der Lehne. Volpe schüttelte die rote Löwenmähne und brüllte:

      »Graf Raimondo ist tot. Er hat sich selbst gerichtet. Jetzt aber ist der fünfte Mord geschehen, und eine von euch beiden war es, das könnt ihr vor einem Volpe nicht leugnen. Wenn ich den Fall aus den Händen gebe und die Sache Marcello überlasse, dann weiß die Mörderin, was auf sie zukommt.

      Diesmal wird man sie, aus Raimondos Suizid klug geworden, ununterbrochen bewachen, Tag und Nacht, damit sie sich nichts antun kann, denn der lüsterne Pöbel dürstet nach Rache und will sie auf immer und ewig hinter Gittern sehen. Und das alles hat sie nur getan, um einem Verbrecher und Mörder, den sie für ihr Eigentum hielt, Leben und, äh, Freiheit zu retten.«

      Volpe schwieg und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Welche von beiden würde sich zur Tat bekennen?

      »Es macht mir nicht das Geringste aus, für meinen Sohn ins Zuchthaus zu gehen«, flüsterte jetzt Maria Augusta, »er war mein Kind, mein einziges, mein Ein und Alles. Ich stand zu ihm, ganz gleich, was er tat, und um die dreckigen Huren, die er umbrachte, ist es nicht schade.«

      »Du allmächtiger Gott!«, rief ich, »du also hast die ‚Formica‘, diese stadtbekannte Prostituierte erdolcht?!«

      »Ich denke, ja, aber ihren Namen höre ich zum ersten Mal.«

      »Aha«, sagte Volpe trocken, »du warst also die Bestie, die unmittelbar vor der Einmündung der ‚Calle Forno‘ das abscheuliche Blutbad veranstaltete, oder?«

      »Ja, ich war‘s«, sagte sie zögerlich.

      »Dann wirst du ja auch wissen, welche Farbe das Kleid der grausig Hingeschlachteten hatte, nicht wahr?«

      »Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen.«

      »Hihihi«, kicherte Volpe böse, »von wegen zu dunkel! Wir hatten nachweislich Vollmond. Außerdem war die Gasse an besagter Stelle durch eine Laterne beleuchtet. Jaja, wie heißt es doch im alten Song? ‚Dunkel war’s, der Mond schien helle‘, hihihi.«

      Stille, gespenstische Stille begleitete das unaufhörliche unheimliche sardonische Kichern meines Freundes. Da erhob sich Cornelia. Langsam und leise und wie gelähmt glitt sie vom Korbsessel herunter, ließ ihre Füße in die Flipflops gleiten, zog das erneut hochgerutschte Gewand, feuerrot anlaufend, weiter nach unten, strich sie über den Oberschenkeln glatt, schwankte wie ein Schilfrohr im Wind, seufzte kurz und lächelte dann so versonnen, als wäre sie von einer anderen Welt. Schließlich flüsterte oder murmelte sie mit ersterbender Stimme:

      »Es war giftgrün; ein mehr als tief ausgeschnittenes Minikleid mit weißem Ledergürtel. Dazu trug sie schwarze Schaftstiefel, die bis in die Kniekehle hinauf geschnürt waren.«

      Nach diesen Worten warf sie den Kopf in den Nacken, bleckte die Zähne und sah herausfordernd, ja sogar triumphierend zur vor ohnmächtiger Wut zitternden Schwiegermutter hinüber, ganz so, als wollte sie ihr sagen:

      »Gib dich geschlagen! Ich habe das Spiel gewonnen.«

      »Ja«, stöhnte Volpe, »es war giftgrün und frivol. Die Nachrichten hielten solche Dinge nicht für erwähnenswert.«

      Maria war mittlerweile in sich zusammen gesunken, schlug sich die Hände vor das Gesicht und sah plötzlich wie eine alte Frau aus, der man den Sinn des Lebens geraubt hat. Dann begann sie, hemmungslos zu schluchzen.

      Volpe lächelte jetzt seltsam schief, legte die Fingerspitzen fest aufeinander und sagte:

      »So, das war’s dann, Kinderchen, der Fall ist gelöst, endgültig. Es gibt nichts mehr zu ergänzen.«

      »Und was soll nun geschehen?«, fragte ich.

      »Was soll schon geschehen?«, sagte Volpe leichthin, »die Sache ist abgeschlossen. Ich werde mich ab morgen mit interessanteren Dingen zu befassen haben. Es war im Grunde eine simple Angelegenheit, nichts Besonderes.«

      »A-aber«, stotterte ich, »wirst du nicht, äh, musst du nicht alles Ambrosio … damit die Carabinieri …?«

      »Wozu sollte ich mich in Ambrosios Sachen einmischen?«, fragte Volpe und tat erstaunt, »er hat bekanntlich andere Methoden als wir. Habe ich ihm nicht gesagt, dass es von nun an keinen dieser Morde mehr geben wird? Nicht wahr, signore bellissime, es wird keine mehr geben? Tenente di Fusco wird den Fall in einem Monat zu den Akten legen. Ohne meine Hilfe wäre er ja nicht einmal Raimondo auf die Schliche gekommen; ach übrigens:

      Die ‚Formica‘ war ein übles Luder und verstand es, ihre Kunden mit gewissen Essenzen einzunebeln und auszuplündern. Ich war schon einmal auf sie angesetzt, aber man konnte ihr seinerzeit nichts nachweisen. Jahrelang hat sie ihr fieses Geschäft unter der Nase der Stadtwache dieses betrieben, bis sich ein lobenswerter Mörder der Sache angenommen hat.«

      »Und was sollen wir jetzt noch tun? Soll der Mord an ihr etwa unaufgeklärt bleiben?«, fragte ich verblüfft.

      »Wir müssen die beiden Hübschen jetzt nach Hause bringen, denn es ist Nacht geworden und in den Schluchten Venedigs ist es zurzeit nicht recht geheuer«, sagte Volpe süffisant und verweigerte mir eine unmittelbare Antwort auf die heikle Frage, »denn Frauen ohne Begleitung sollen hier im Weichbild der Stadt ihres Lebens nicht mehr sicher sein. Ich denke, ich übernehme Maria Augusta und du, Dottore, kümmerst dich um Cornelia. Nicht wahr, mein Freund, das ist dir doch lieber als umgekehrt?!«

      So geschah es denn auch, und gegen Mitternacht waren Volpe und ich endlich wieder zu Hause, um uns in Morpheus‘ Arme zu werfen. Wir hatten es bitter nötig und schliefen wie die Murmeltiere. Mein Kumpel hatte mir eben noch prophezeit, dass sich Ambrosio uneingeladen zum Frühstück einfinden werde, um uns mit Fragen zu löchern. Ich war fest davon überzeugt, dass er damit Recht haben werde. Giovanni war schon im Bilde, dass es wieder einmal eine Colazione für drei gegen werde.

      Ach übrigens: Dem Leser sei hier noch eben verraten, dass ich die Mörderin auf der finsteren Gasse vor ihrem Haus gründlich abküsste, ihre wulstigen Lippen samt unruhiger Zunge genießend. Dabei hatte es keineswegs sein Bewenden, denn das Minikleid leistete meinen von den Knien aufwärts an ihrem Leib sich empor tastenden Händen nur geringen Widerstand. Die Entzückende freudigen Herzens abtastend, hatte ich freilich das Gefühl, eher eine muskelstrotzende Riesenschlange denn ein goldiges Mädchen in Armen zu halten. Während wir schmusten, fiel mir ein, dass sich ihr Mann ja letzte Nacht erhängt hatte.

      »Hast du Raimondo denn gar nicht geliebt?«

      Sie antwortete zögerlich:

      »Äh, nur zu Beginn. Da ahnte ich noch nicht, welcher Charakter sich hinter der Fassade des feinen Herrn verberge. Danach sah ich mich gezwungen, den Kampf gegen die Schwiegermutter aufzunehmen. Ich hatte keine andere Wahl, und eines kannst du mir unbesehen glauben: Er hätte nicht mehr lange zu leben gehabt. Meine Pläne, ihn und seine Mutter umzubringen, hatten bereits Gestalt angenommen, als er plötzlich ausflippte und mordend durch die Gassen zog.«

      »Du bist eine außergewöhnliche Frau, cara Cornelia«, sagte ich, küsste sie erneut auf den Mund und schob ihr das Kleid bis in die Achselhöhlen empor, »und ich liebe