Eine Liebe - ein ganzes Leben lang: Roman um ein Nachkriegs-Schicksal. Glenn Stirling

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Название Eine Liebe - ein ganzes Leben lang: Roman um ein Nachkriegs-Schicksal
Автор произведения Glenn Stirling
Жанр Исторические любовные романы
Серия
Издательство Исторические любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783745203288



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Irgendwo schien eine Tür offen zu stehen. Es zog. Fröstelnd verschränkte Renate die Arme und ging schneller.

      Der beißende Geruch einer Desinfektionsflüssigkeit drang ihr in die Nase. Heller Lichtschein fiel aus einer geöffneten Tür. Als Renate einen Blick in den Raum warf, sah sie zwei Männer in weißen Kitteln, die mit Bürsten die Wände und den Fußboden mit der übelriechenden Brühe bestrichen.

      Angewidert ging Renate weiter. Vor dem Lift blieb sie stehen. Zweimal kam der Fahrstuhl vorbei, doch jedes Mal war er mit Verletzten und Krankenträgern besetzt und hielt nicht an.

      Sie beschloss, die Treppe hinunterzugehen. Laut hallten ihre Tritte von den hohen Wänden des Gewölbes wider. Warmer Dunst von der Küche drang durch den Treppenschacht.

      Schon wieder Erbsen, dachte Renate und schüttelte sich. Sie war froh, als sie im ersten Stockwerk anlangte und auf den langen Gang trat. Hier herrschte reger Betrieb. Ein neuer Krankentransport schien angekommen zu sein. Sanitäter schoben Krankentragen zum Operationssaal und den Untersuchungsräumen. Stöhnende Männer, oft bis zur Unkenntlichkeit verbunden, lagen auf diesen Tragen. Junge Männer.

      Ein bärtiger Mann mit Arztkittel kam Renate entgegen. Er erkannte sie und lächelte. „Immer pünktlich, so etwas schätze ich. Die beiden Zimmer sind bis zum Rand voll. Sie werden genug Arbeit haben.“

      „Ich bin es inzwischen gewohnt“, erwiderte sie leise.

      Er nickte und maß sie mit abschätzendem Blick. „Schade um Sie junges Füllen. Aber so ist die Zeit. Übrigens sind auf 281 nur Amerikaner. Einer davon ist’n interessanter Fall. Armer Teufel, vielleicht kann ich ihm auch nicht mehr helfen.“

      „Sie haben so vielen helfen können, Herr Professor“, sagte sie bewundernd.

      Er legte seine Hand auf ihre Schulter. „Pst! Der 'Professor' ist hier verpönt, Füllen. Oberstabsarzt nennt man mich jetzt. Vielleicht gewöhnen Sie sich noch daran.“ Er lachte und ging weiter.

      Sie seufzte. Nachdenklich sah sie ihm nach, wie er schwergewichtig den Gang entlangstapfte. Sie wusste, dass er ein genialer Mann in seinem Beruf war. Und wenn sie noch nicht im Sud ihrer Umgebung untergegangen war, dann dankte sie es ihm, der schützend seine Hände über sie hielt wie ein treusorgender Vater.

      Viele Türen gingen von diesem langen Gang ab. Eine davon war die Tür mit der Nummer 281. Renate öffnete sie. Nur eine schwache Birne erleuchtete den großen Raum mit den vierzehn Betten. Vierzehn Betten, vierzehn Mal Schmerz und Not, vierzehn Mal Hoffnung, Sehnsucht, Bangen.

      Vor ihrem Dienstantritt waren nur acht Betten belegt gewesen. Jetzt hatte man alle mit ihrer traurigen Last bepackt.

      Gesichter wandten sich ihr zu. Augenpaare, die sie zweifelnd, hoffend oder abweisend anblickten. Gesichter, in denen sich Schmerz und Leid abzeichneten.

      Einige lagen apathisch in ihren weißen Laken. Im Schein der schwachen Lampe erschienen Renate diese Gesichter fahl wie die von Toten.

      Hinter Renate knarrte die Tür. Sie drehte sich um und erblickte einen der Krankenträger der Station. „Willy?“

      Er war klein, hatte eine Stupsnase und ein sommersprossiges Gesicht. Sein Alter war schwer zu schätzen. Er konnte ebenso gut fünfunddreißig wie fünfundvierzig Jahre alt sein. Rotes Haar schimmerte unterhalb seiner Mütze.

      „Sechs Neue, Schwester Renate. Alles Amis. Von dem am Fenster meint der Oberstabsarzt, der würde vielleicht das Kriegsende nicht mehr erleben. Pah, vielleicht erlebt es keiner von uns. Radio gehört, Schwester?“

      „Ein bisschen.“

      „Wie ist die Luftlage?“

      „Wie immer“, erwiderte sie und blickte zum Fenster, wo der Mann lag, den der Professor einen „interessanten Fall“ genannt hatte.

      Willy zog eine Liste aus der Tasche und ging daran, mit Kreide Namen und Dienstränge sowie Nummern auf die schwarzen Tafeln über den Betten zu schreiben.

      Renate hatte indessen Zeit, ihre Schützlinge einzeln nachzusehen. Da lagen links zwei Kanadier, neben ihnen ein beinamputierter Engländer und drei Neuseeländer. Alle Übrigen stammten aus den Vereinigten Staaten. Blonde, braun und dunkelhaarige junge Männer. Renate gab nichts darauf, woher sie stammten. Es interessierte sie wenig, dass sie mit ihnen nur englisch sprechen konnte. Für sie waren es Menschen, kranke, hilfebedürftige Menschen, ebenso wie jene in den anderen Zimmern des Hauses.

      Die Kanadier waren nett zu ihr. Ihnen ging es schon etwas besser, und Renate hatte den Eindruck, dass es ihnen manchmal schon zu gut ging.

      Der Engländer hatte seine Krise noch nicht überwunden und nahm kaum noch am Leben und Treiben im Zimmer Anteil. Ebenso erging es dem langen Schwarzen, der auf der linken Seite des Zimmers lag.

      Renate hatte nur mit wenigen echten Kontakt. Oft blieben diese Verletzten bloß ein paar Tage hier, manchmal zwei Wochen, dann kamen sie ins Krankengefangenenlazarett. Nur die schweren Fälle blieben länger.

      Und ein solcher schwerer Fall schien der brünette Amerikaner zu sein, der „interessante Fall“.

      Sie blieb vor seinem Bett stehen. Er lag reglos in den Kissen. Sein wächsernes Gesicht war eingefallen, die Backenknochen standen weit hervor. Sie bemerkte, wie seine Kiefermuskeln vibrierten.

      Er blickte sie nicht an. Starr sah er zur Decke. Wie sie jeden gefragt hatte, fragte sie auch ihn in seiner Sprache: „Wünschen Sie etwas zu trinken?“

      „Ja“, erwiderte er rau, ohne sie anzusehen.

      Sie warf einen Blick auf die Krankentafel, die vor seinem Bett hing. Ja, er durfte trinken. Also keinen Bauchschuss. Richtig, da stand es: Rückgratverletzung fünfter Wirbel.

      Willy malte gerade den Namen auf die Tafel. Frederic Doyle, Captain, Air Force 350889 SR.

      „Übrigens“, meinte Willy, „ich muss wahrscheinlich weg hier. Der Spieß erzählte was von Verlegung. Vom Stalag kommen Ami-Sanis hierher. Viel Vergnügen. Dir kann ja nichts mehr passieren, Schwester, wenn wir den Krieg verlieren.“

      Renate achtete nicht auf Willy. Sie blickte nur in Frederic Doyles Gesicht. Er schien verstanden zu haben, was Willy gesagt hatte. Sie hätte nicht sagen können, wieso sie das glaubte, aber es kam ihr so vor.

      Willy war mit dem Beschriften fertig und lehnte sich an den Nachttisch. „Wenn ich dir ’nen Rat geben kann, Schwester, dann halte dich gut mit denen hier. Die gewinnen diesen verdammten Krieg. Na, wer weiß, ob wir das noch erleben. Ich muss zum OP, sind noch drei von unseren dort.“ Er schlurfte zu den Kanadiern hinüber. „Eh, nix Red-Cross-Paket?“

      „Lass ihnen doch ihre paar Zigaretten!“, sagte Renate scharf.

      „Drei Sondermischung für eine Navycut“, feilschte Willy mit dem Kanadier.

      Renate gab dem Captain zu trinken. Er konnte sich dabei nicht aufrichten, und im Liegen war er sehr ungeschickt dabei. Ein Teil des Tees war danebengegangen.

      Dann ging das Licht aus. Sie musste zur Stationsküche, eine Kerze holen.

      Im zweiten Zimmer, das sie zu betreuen hatte, musste einem Verletzten eine Spritze gesetzt werden. Und so ging es die ganze Nacht durch. Kurz vor neun gingen die Ärzte Visite. Auch jetzt hatte Renate kaum Zeit, und als kurz vor zehn die Ablösung kam, war sie hundemüde. Erschöpft wankte sie zu ihrem Zimmer im Obergeschoss.

      Lisbeth Zenker zog sich gerade an. Sie hatte heute ihren freien Tag. Wie auch Renate, war sie Medizinstudentin gewesen, bevor man sie als Schwester dienstverpflichtete. Lisbeth war fünfundzwanzig Jahre alt, damit etwas älter als Renate, und auch sonst wusste sie entschieden mehr vom Leben ... und von den Männern.

      „Hallo, da kommt mein Füllen! Der Professor sagte, bei dir wäre Hochbetrieb. Was sind das für Jungen?“, rief Lisbeth und fuhr sich mit den Fingern durch ihre dunkle Haarfülle.

      „Amerikaner.“

      Lisbeth