Название | Es war einmal ein kleines Mädchen ... |
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Автор произведения | Brooke Shields |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454823 |
Mom schien ihrer Mutter nie sonderlich nah gewesen zu sein, jedoch verehrte sie ihren Vater. Zwischen ihnen bestand eine ganz besondere Bindung und sie hatten denselben Sinn für Humor. Beide alberten gerne herum und es war ihnen egal, wie sie dabei aussahen. Er hatte von Geburt an ein Loch im Knorpelgewebe seiner Nase, steckte sich gerne einen Bleistift hindurch und schnitt Grimassen, um Mom zum Lachen zu bringen. Außerdem imitierte er gerne Charlie Chaplin in seiner Rolle aus Der Goldrausch, indem er Gabeln in zwei Brötchen steckte, damit sie kleinen Schuhen ähnelten, und ließ sie auf der Tischplatte tanzen. Dazu sang er dann: „Nun das ist Überfluss!“
Aber obwohl Mom ihren Vater anzubeten schien, hatte ich selbst nie den Eindruck, dass er besonders warmherzig oder liebevoll gewesen wäre. Jahre später, als meine Mom die Mittelschule abschloss, schrieb er gerade einmal „Pfui“ in ihr Jahrbuch. Als ich es später fand, sah ich, dass Mom nur ihren Vater und einen der Lehrer um eine Widmung gebeten hatte.
Ihr Vater arbeitete hart, um seine Familie durch schwierige Zeiten zu bringen. Während es auf mich wirkte, als hätte meine Großmutter nie wirklich etwas für meine Mutter übrig gehabt und sie in der Tat später richtiggehend ablehnte, kam es mir vor, dass sich Mom von ihrem Vater aufrichtig geliebt fühlte.
Leider verstarb Moms Dad schon bald, nachdem er „Pfui“ in ihr Jahrbuch geschrieben hatte, an Lungenkrebs. Sie war 14 Jahre alt und dies war ihr erster richtiger Liebesverlust. Moms Held war tot und ihre Mutter musste erneut alleine drei Kinder aufziehen.
Mom durfte weiter zur Schule gehen und traf an der Highschool die erste Liebe ihres Lebens. Er war ein netter italienischstämmiger Junge namens Salvatore Piccarillo und sie wurden ein Pärchen. Mom erzählte mir gerne davon, wie sie sich als Teil seiner Familie fühlte und wie seine Großmutter ihr erklärte, dass sie im Leben immer nur einen Schritt nach dem anderen machen solle, nichts übereilen und sich nicht den Kopf wegen Kleinigkeiten zerbrechen solle. Sie lehrte meine Mutter auch die Bedeutung von Beharrlichkeit und Entwicklung. Die alte italienische Großmutter legte ihre Finger auf den Küchentisch, wobei sich ihr kleiner Finger und ihr Daumen berührten. Sie zog dann zuerst den kleinen Finger weg vom Daumen und zog dann den Daumen hinterher. Ihr Handrücken wölbte sich dabei jedes Mal, wenn sich die Finger wieder berührten und sie wiederholte das Ganze immer und immer wieder, über die gesamte Länge des Tischs, was sehr an eine riesige Raupe erinnerte, die sich langsam ihren Weg an ein schattiges Plätzchen bahnte. Mit langsamen Schritten schaffte sie es, den ganzen Weg bis ans Ende des Tischs zurückzulegen. Mom und ihr Galan, Sal, verbrachten viel Zeit miteinander und sie wurden das Vorzeigepaar an ihrer Highschool. Ich liebte es, dass er Footballspieler war, und ich stellte sie mir als Königin und König des Abschlussballs vor. Dies schienen ein paar der besseren Jahre meiner Mutter in Newark gewesen zu sein. Es hieß, dass sie den Raum erhellt habe, wenn sie in ein Zimmer trat. Sie war in jeder Hinsicht etwas Besonderes.
Als sie ihren Abschluss gemacht hatte, begann sie bei der Krueger Brewing Company am Fließband zu arbeiten. Sie gab dort die Kronkorken auf die Flaschen. Außerdem modelte sie ein wenig und wurde oft von ihrem Job abgezogen, um sich für Fotosessions zur Verfügung zu stellen und ihre hübschen Stelzen zur Schau zu stellen oder irgendwelche Männer in Uniform zu grüßen. Sie wurde von ihrem Fabrikjob weggeholt und wurde für interessante Erfahrungen freigestellt. So wie Marilyn Monroe auf dem berühmten Foto für das Magazin Yank war es immer meine Mom, nach der verlangt wurde, um ein Produkt zu präsentieren oder als Maskottchen einer Fabrik zu posieren. Sie sah aus, als würde sie Betty Grable bei ihrem berühmten Pin-up-Foto im Badeanzug imitieren wollen. Sie trug ausschließlich knallroten Lippenstift und präsentierte stets ihre langen, sexy Beine. Mom war umwerfend schön und ihr Lachen war ansteckend. Bei allem, was sie ausprobierte, war sie in der Lage, zu brillieren, und sie konnte Leute haarscharf einschätzen. Sie wusste, dass sie irgendwie anders war als die Leute um sie herum und nicht der Typ war, der gerne zur Ruhe kommen wollte oder konnte.
Bald schon strebte Mom danach, Newark hinter sich zu lassen und den Hudson River zu überqueren: Sie peilte die grellen Lichter des kosmopolitischeren Manhattans an. Mom wollte einfach mehr. Sie wünschte sich ein großes, fabelhaftes Leben und ich denke, dass sie das Gefühl hatte, Newark könnte ihr das nicht bieten. Es machte ihr offenbar nichts aus, irgendjemanden hinter sich zu lassen. Ich frage mich oft, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie geblieben wäre. Es scheint mir undenkbar, dass sie zufrieden gewesen wäre.
Mom fing an, jeden Tag mit dem Bus nach New York City zu fahren, um dort zu arbeiten. Schließlich ergatterte sie einen Job im berühmten Gaslight Café. Ihr Gehalt war minimal und der Großteil ihres persönlichen Umsatzes bestand aus Trinkgeldern. Sie arbeitete an der Garderobe und empfing Stammgäste nur mit einem Lächeln und einem Kopfnicken, weil ihr Namensgedächtnis eine Katastrophe war. Einmal, als sie ihrer Mutter einen ihrer Freunde vorstellte, vergaß sie doch glatt den Namen ihrer eigenen Mutter! Sie murmelte irgendetwas und wiederholte dann einfach immer wieder den Vornamen ihres Freundes, wobei sie fast erleichtert wirkte, dass sie sich in diesem schrecklichen Augenblick wenigstens irgendeinen Namen merken konnte. Nun, diese Unfähigkeit, sich an Namen zu erinnern, plagte sie ihr Leben lang, aber besonders während ihrer Zeit im Gaslight, wo man ein höheres Trinkgeld erwarten durfte, wenn man sich die Namen der Klienten merkte. Um dieses Manko auszugleichen, nahm Mom die Mäntel entgegen, legte ihren Kopf augenzwinkernd zur Seite und trug ihn zur Garderobe. Mom hatte einen kleinen Notizblock bei sich in der Garderobe, auf dem sie sich Charakteristika der Kunden und kleine Details über ihr Leben – Dinge, die sie ihr gegenüber erwähnten oder die sie gehört hatte – notierte. Sie schrieb sich auf, ob ein Mann etwa ein Kind hatte, das aufs College ging, ob ein Familienmitglied erkrankt war oder seinen Urlaub an irgendeinem bestimmten Ort verbracht hatte. Auch machte sie sich Notizen zur Farbe der Krawatte, der Haare oder zu sonstigen Eigenschaften. Zum Beispiel: „rote Haare und krumme Nase: Bob“ oder „glatter Seitenscheitel, riecht nach Old Spice: Jack“. Jenen Männern, denen sie keinen Namen zuordnen konnte, brachte sie im Austausch für ihre Mäntel ihr Nummernzettelchen mit in die Hüften gestützten Händen und sagte in einem koketten Ton: „Nun, wie kommt es, dass Sie heute nicht Ihre gelbe Krawatte tragen? Schande über Sie! Nächstes Mal will ich die wieder sehen. Einen schönen Abend noch.“ Die Männer fühlten sich dadurch alle als etwas Besonderes und erhielten einen Schub für ihr Ego, was dazu führte, dass sie wiederum etwas tiefer in ihr Portemonnaie griffen.
Mom zerknüllte die Geldscheine und stopfte sie in ihre Taschen. Am Ende des Abends nahm sie dann den Bus zurück nach Newark, wo ihre Mutter bereits mit dem Bügelbrett und einem heißen Bügeleisen auf sie wartete. Mom zog dann das zusammengeknäuelte Geld hervor und gab es ihrer Mutter, die dann noch wach blieb, um die Banknoten wieder glattzubügeln und zu stapeln. Ich bin mir nicht sicher, ob Mom jemals etwas von dem Geld für sich behalten durfte. Eher vermute ich, dass alles an ihre Mutter ging, damit sie sich um die Familie kümmern konnte. Mom schien das nie etwas auszumachen und sie fing stattdessen an, die Aussicht auf eine größere Welt anzuvisieren, eine, in der sie nicht jeden Tag mit dem Bus hin- und herpendeln würde müssen.
Zu dieser Zeit begann sie auch, sich von Sal zu entfernen. Sie würden zwar für immer Freunde bleiben – bis zu ihrem Tod –, aber sie entschied, alleine nach New York City zu ziehen. So machte sie sich auf die Suche nach einem Apartment und war in der Lage, sich eines an der East Side für eine in den Fünfzigerjahren gute Miete zu sichern. Als Nächstes fing sie an, im Modeviertel zu arbeiten – in unterschiedlichen Lagerräumen und manchmal auch als Model. Mom schickte, wenn es ihr möglich war, weiterhin Geld an ihre Mutter. Ich fand später Schreiben von meiner Großmutter und meiner Großtante Lil, in denen sie sich für das Mietgeld bedankten.
Meine Mutter sehnte sich nach einer etwas gehobeneren Karriere, konnte aber weder auf Erfahrung noch auf eine Ausbildung im Bereich Verkauf und Management verweisen. Sie selbst sah das allerdings nicht als Hindernis an. Als ich aufwuchs, sagte sie oft zu mir: „Brookie, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Akzeptiere nie ein Nein als Antwort und lass sie nie deinen Schweiß sehen. Finde heraus, was nötig ist, und finde einen Weg, es umzusetzen.“
Sie bewarb sich um einen Job an der Kassa der Kosmetik-Abteilung