Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen

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Название Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5
Автор произведения Antje Ippensen
Жанр Историческая фантастика
Серия
Издательство Историческая фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745209082



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      „ Ich ... ich habe aber keine Goldkörner ...“, stammelte Sandirilia verstört.

      „ Ich spreche nicht von Gold. Nein, ich möchte ...“ Riyala holte tief Luft, „ich will, dass du mir deine Kleidung gibst. Du bekommst dafür die meine, darfst sie aber nicht tragen, sondern dich nur damit bedecken, wenn du magst. Denn wenn du damit auf die Straßen gingest, könnte nicht einmal ich dich noch vor der Todesstrafe retten. Es sind zeremonielle Gewänder, verstehst du?“

      Sandirilia schluckte trocken. „Aber wo ... wie soll ich ...“

      „ Wir finden ein Versteck für dich. Warte einmal – dieses Lagerhaus hat doch bestimmt einen Keller.“

      Riyala zog das Mädchen am Arm hinter sich her, immer an der Wand des Gebäudes entlang. – Und tatsächlich: Schon nach wenigen Metern entdeckte sie den Zugang zu den Kellerräumen. Seltsamerweise war dieser nur mangelhaft verschlossen; ein einziger Fußtritt genügte, und die niedrige Tür sprang auf. Sofort darauf begriff Riyala, warum man es nicht für nötig gehalten hatte, sie sorgfältiger zu verriegeln, denn ein Schwall übelriechender Luft schlug ihr entgegen.

      „ Das ist ja ekelhaft!“, stieß sie hervor und hielt sich einen Moment lang die Nase zu. Es roch durchdringend nach alten, vergammelten Decken, nach Rattenkot, fauligen Sackfetzen und nach toten Ratten. Dieser letzte Geruch war der übelste.

      „ Es tut mir ja sehr leid, Sandirilia ...“ wandte Riyala sich an ihre Gefangene, „aber du wirst hier eine Weile ausharren müssen. Wahrscheinlich macht es dir sowieso nichts aus; du bist schließlich arm und an Gestank gewöhnt.“

      Sandirilia erwiderte nichts. Sie schien akzeptiert zu haben, dass sie Riyala auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war.

       Sie traten in den verlassenen Raum, in dem sie nur gebückt stehen konnten. Ohne weiteres Sträuben entledigte sich das „Draußen-Mädchen“ ihres bunten, einfachen Kleides, während Riyala ihrerseits ihr eigenes, prachtvolles Gewand abstreifte. Unter dem Kleid trug Sandirilia nur ein geflicktes, schäbiges Untergewand aus Wollresten, das kaum ihre Blöße bedeckte.

      Wenig später hatte sich Riyala – zumindest äußerlich – in eine junge Gauklerin verwandelt. Zufrieden drehte sie sich einmal um sich selbst, und das abenteuerlustige Funkeln ihrer Augen verstärkte sich noch.

      „ Morgen früh bin ich wieder da“, versprach sie. „Eine Nacht wirst du es hier wohl aushalten, oder? – Natürlich wirst du das. Versuch nicht um Hilfe zu rufen! Glaub mir, das wäre dein Untergang. Übrigens, wohin genau führt dein Tunnel?“

      „ Zu einer Baumgruppe auf einem vertrockneten Feld, nicht sehr weit vom Dorf Arjenez entfernt“, antwortete Sandirilia tonlos. Ihre schmalen Hände umklammerten Riyalas Gewand, das diese ihr zugeworfen hatte. „Das Dorf liegt in nördlicher Richtung ...“

      „ Sehr schön. Ich werde dir dankbar sein für diese kleine Gefälligkeit ... vertrau mir, ich kümmere mich um dich.“

      Bei diesen Worten warf Sandirilia ihren Kopf zurück, und Riyala zuckte leicht zusammen, denn die hellblauen Augen der Gauklerin blitzten jetzt zornig und rebellisch; ihre schmalen Hände ballten sich in ohnmächtigem Hass. Und die Tochter der Matriarchin von Co-Lha glaubte noch etwas anderes zu fühlen, und einen Lidschlag lang rann ihr ein eisiger Schauer den Rücken hinunter. Riyala glaubte eine Vision zu haben – eine Vision über Sandirilia und sich selbst – rasch unterdrückte sie die aufsteigenden Bilder.

      Sie brummte missmutig und überzeugte sich davon, dass der Keller keinen zweiten Ausgang hatte. Dann schlüpfte sie ohne ein weiteres Wort durch die Tür. Diese war immerhin aus dicken Holzbohlen, und wenn es ihr gelang, ein paar Balken aufzutreiben und sie kreuzweise dagegen zu stemmen, würde das Mädchen nicht fliehen können.

      Ein wenig mulmig war Riyala schon zumute, und ihre Drohungen waren schließlich nichts weiter als ein Bluff gewesen; hoffentlich hatte Sandirilia das nicht gespürt! Nicht auszudenken, wenn sie irgendwo Gehör fände ... Es war völlig klar, WER von ihnen beiden dann bestraft würde.

      Sie verdrängte diese unangenehmen Gedanken, als sie wahrhaftig zwei Balken ganz in der Nähe fand. Mühsam schleppte sie das schwere Holz die kleine Treppe zum Kellerraum hinab und vollendete ihr Werk.

      Und jetzt lag sie vor ihr: die Freiheit! Eine ganze Nacht lang!

      Die Sonne ging bereits unter.

      Vergessen waren die Zeremonie und auch ihr verschwundener Falke – Riyala dachte an nichts anderes mehr als an ihre Freiheit.

      Unentdeckt kroch sie durch den Dornbusch, der ihr die Arme zerkratzte. Der Tunnel war finster und sehr eng; sie robbte ihn auf Händen und Knien entlang, stieß häufig gegen Steine und ab und zu gegen zähe Baumwurzeln. – Allmählich verlor sie vollkommen das Zeitgefühl und musste immer wieder gegen Momente der Platzangst ankämpfen.

      Als der unterirdische Gang endlich in einen scharfen Knick nach oben mündete und sie sich langsam, mit steifen Muskeln aufrichtete und den Kopf in den Nacken legte, fürchtete sie beinahe, da oben den ersten grauen Schimmer der Morgendämmerung zu sehen ... doch nichts dergleichen: Hoch über ihr leuchtete ein einzelner Stern durch die tiefe Nacht.

      Rasch krabbelte das Mädchen ins Freie und ruhte sich erst einmal im Schutz der Baumgruppe aus.

      Aufgrund der langen Trockenperiode hatten die Bäume vorzeitig viele Blätter abgeworfen, und das verbliebene Laub hing schlaff und verwelkt an den Ästen. Riyala spähte zu den Zweigen hinauf und sah am klaren Nachthimmel den kupferfarbigen Sichelmond. Diese Färbung besaß der normalerweise milchweiße Himmelskörper nur wegen der anhaltenden Dürrezeit.

      Riyalas Eltern hatten ihrer Tochter beigebracht, wie sie an der Stellung des Mondes und der Sterne die genaue Nachtstunde ablesen konnte, und so stellte sie fest, dass es noch drei Stunden bis zur Mitte der Nacht waren.

      Gar nicht weit entfernt bemerkte Riyala einen ausgedörrten Lehmpfad, und als sie ihm nordwärts folgte, konnte sie bereits hinter der nächsten Bodenerhebung das Dorf Arjenez erkennen.

      Es war nur schwach und trübe beleuchtet und wirkte nicht sehr einladend.

      Zu dieser nächtlichen Stunde war niemand außer ihr auf der einsamen Straße unterwegs. Ein Gefühl der Erregung packte Riyala und ließ sie mehrmals den Atem anhalten – sie spürte, dass diese Nacht ihr Leben verändern würde.

      2. Kapitel: Nigel

      Die Umrisse der ersten strohgedeckten, dunklen Hütten von Arjenez schimmerten matt im Mondlicht, und Riyala steuerte geradewegs auf ein halb verrottetes Eingangsgatter zu – als sie plötzlich etwas Entsetzliches entdeckte.

      Um ein Haar wäre sie über ihren grausigen Fund gestolpert, und es fehlte nicht viel, und sie hätte laut aufgekreischt. Wie angewurzelt stand Riyala da, eine Hand auf die Brust gepresst.

      Verkrümmt am Boden lag eine Frau in Lumpen – eine ihrer abgezehrten Hände hing in flehender Gebärde steif in der Luft.

      Die Frau musste schon seit mehreren Stunden tot sein. Riyalas Grauen bei diesem Anblick steigerte sich noch, als sie den Inhalt des Bündels sah, das die Tote mit der anderen Hand an sich drückte: es war ein ebenfalls totes Baby.

       Verhungert. Kurz vor dem rettenden Dorf, deren Bewohner ihr und dem Kind doch wohl in irgendeiner Weise hätten helfen können ... Die Kräfte verließen sie, so dass sie nicht einmal mehr schreien konnte.

       Solche furchtbaren Gedanken wirbelten durch Riyalas Hirn ... und dies waren die ersten Leichen, die sie überhaupt in ihrem Leben sah.

      Es schien ein noch schlechteres Omen zu sein als das Verschwinden ihres Falken, und nur unter großen Mühen gelang es dem Mädchen, zu ihrem alten Zaubertrick zu greifen: Sie verdrängte das Gesehene so tief es ging und schritt dann weiter, in das stille, düstere Dorf hinein.

      Ob wirklich alle Dorfbewohner schliefen? Riyala wusste nicht warum, aber sie glaubte es nicht. Etwas Sonderbares lag hier in der nach Armut riechenden Luft und schien auf einen bestimmten Ort hinzudeuten,