Duftapotheke Bundle. Bände 1-3. Anna Ruhe

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Название Duftapotheke Bundle. Bände 1-3
Автор произведения Anna Ruhe
Жанр Детские приключения
Серия
Издательство Детские приключения
Год выпуска 0
isbn 9783401809168



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sah man sie. Es war eine Tür, die zu einem Schuppen gehörte, und der stand wie ein viel zu großes Paket mitten im Gewächshaus.

      »Ich hab’s!«, rief ich, stolperte aufgeregt zur Tür und riss an der Klinke. Es war nicht abgeschlossen und somit fiel ich fast hintenüber bei meinem Schwung. Während ich meinen Kopf durch die geöffnete Tür steckte, hörte ich Benno und Mats näher kommen. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte, aber das, was ich sah, war es ganz sicher nicht.

      Vor mir lag ein fensterloser Raum von der Größe einer Abstellkammer. Innen wirkte der Schuppen viel kleiner, als er von außen aussah. Rechts standen auf ein paar Holzbrettern nur noch mehr Tontöpfe und an der anderen Wand hingen Harken, Spaten und alle möglichen Gartengeräte.

      »Ein Geräteschuppen?« Hinter mir atmete Mats einmal tief ein und wieder aus und ich konnte seine Enttäuschung förmlich hören. Dann drehte er sich wieder um und ging hinaus.

      Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Holzdecke. Über mir baumelte eine alte Gaslampe. Ich fuhr mit meiner Handfläche über die Bretter der Wände und ertastete einen Drehschalter. Kaum hatte ich ihn betätigt, zischte es über mir und die Lampe flackerte auf. Ich ging ein paar Schritte im Schuppen herum. Dabei stieß ich gegen einen der Blumentöpfe am Boden. Er klirrte und brach auseinander.

      Keine zwei Sekunden später steckte Mats seinen Kopf wieder zu mir in die Kammer. »Nicht so laut!«

      Ich verdrehte die Augen. »Ach was!« Die Bemerkung war so was von überflüssig. Als hätte ich mir vorgenommen, mit Absicht einen Blumentopf hier drin zu zerdeppern!

      Hastig fing ich an, die Tonscherben einzusammeln. Bestimmt fiel Willem ein fehlender Blumentopf bei den Massen gar nicht auf. Doch dann, als ich für die Scherben einen größeren Topf suchte, in dem ich sie unauffällig verschwinden lassen konnte, fiel mein Blick auf etwas anderes.

      Da! Hinter einem Turm aus ineinandergestapelten Töpfen glänzte es. Es war ein Metallhebel oder ein Schalter, der wie die Handbremse im Auto schräg aus dem Boden ragte. Kurz entschlossen zog ich an ihm. Aber nichts passierte, also drückte ich ihn nach unten. Ich hörte, wie Mats ernsthaft mit Benno über einen möglichen versteckten Schatz diskutierte, den Willem laut meinem Bruder bestimmt in einem der Blumentöpfe vergraben hatte. Ich lächelte. Dafür mochte ich Mats wirklich.

      Unter mir vibrierte der Boden. Erst ganz sacht, dann stärker, bis ein plötzlicher Ruck mich nach vorn stolpern ließ und ich gegen die Holzwand fiel. Die Steinplatten knirschten. Sie bewegten sich.

      Ungläubig stützte ich mich mit den Armen an der Wand ab und sah auf meine Füße. Wirklich! Der Boden unter mir drehte sich. Ich drehte mich! Sogar die Wand kam in Bewegung.

      Es war, als stünde ich auf einem Karussell.

      Als die Steinplatten in eine neue Position einrasteten, lag dort, wo gerade noch die Tür des Schuppens gewesen war, eine Wand. Es war die Wand, die sich mit mir gedreht hatte. Sie teilte den Schuppen also in zwei Hälften. Jetzt verstand ich auch, warum mir der Schuppen von außen viel größer vorgekommen war. Ich hatte einen geheimen Raum gefunden. Das hier war echt ein gutes Versteck!

      Ich drehte mich um und blickte auf eine schwere Holztreppe, die nach unten führte. Ging es da etwa in den Keller runter? Unter die Erde? Vorsichtig trat ich auf die oberste Treppenstufe und testete, ob sie mich halten würde. Auf dem Geländer lag Staub, in dem ich Handabdrücke erkannte. Es roch nach abgestandener Luft.

      Das Holz der Stufen unter mir hielt. Ich trat auf die zweite, dann auf die dritte, bis ich auf der letzten Stufe angelangt war. Es war dunkel, nur von oben drang Licht aus dem Schuppen hierher. Vor mir lag ein Gang oder ein Flur. Genau konnte ich es nicht erkennen. Oben im Schuppen trommelten Benno und Mats gegen die Wand hinter den Werkzeugen.

      »Wo bist duuu? Luuuziiie?« Bennos Kinderstimme klang verzweifelt.

      »Hast du dir wehgetan?«, hörte ich Mats dazwischenrufen.

      »Nein. Alles in Ordnung!« Ich stolperte wieder die Treppe hoch und zog diesmal den Hebel nach oben. Wieder hörte man das Geräusch von aneinanderreibendem Stein und der Boden samt Trennwand drehte sich zurück.

      Mit feuchten Augen starrte Benno mich durch die Tür an, vor der gerade noch eine Wand gewesen war. Im nächsten Moment schlang er seine Arme um mich. »Wo warst du?«

      Mats betastete die Wände und schwieg, so verdattert war er von dem, was gerade passiert war.

      Ich griff mir Bennos Hand und winkte Mats in die Abstellkammer hinein. »Ich zeig’s euch.« Wieder drückte ich auf den Hebel und im nächsten Moment drehten wir uns zusammen um hundertachtzig Grad.

      »Das gibt’s nicht!«, staunte Mats, als ich die beiden die Treppe runterwinkte und er in den Flur vor uns schaute. Benno drückte meine Hand fester und schob sich enger an mich heran.

      Ich fand wieder einen dieser Lichtschalter, die man drehen musste, anstatt einfach draufzudrücken. Sekundenlang zischte die Luft, dann flammte eine Gaslampe auf und warf ihr flackerndes Licht auf uns. Benno entspannte sich in der Helligkeit und ging zwischen mir und Mats in den Flur hinein. Die Blümchentapete, die Steinfliesen und die Bilderrahmen an der Wand erinnerten mich sofort an die Villa Evie.

      Mats blieb stehen und betrachtete ein paar der schwarzweißen Fotografien in ihren goldverzierten Rahmen. Das Fotopapier war an den Rändern vergilbt und die Porträts darauf ziemlich unscharf. Aus jedem Rahmen schaute uns derselbe Mann entgegen. Am unteren Rand waren kleine Messingschildchen genagelt und darin jeweils ein Datum und ein Ort eingraviert. Unter dem Foto vor mir stand: 23. April 1869, Amazonas. Auf dem dazugehörigen Foto sah man den Mann mit Tropenhelm in einem Kahn stehen, der über einen Fluss schipperte. Um ihn herum stapelten sich Holzkisten und im Hintergrund erkannte ich etwas wie Urwald.

      Unter einem anderen Foto stand: 4. Dezember 1846, Tiroler Alpen. Darauf war derselbe Mann abgebildet, nur diesmal steckte er in einer uralten Bergsteigerausrüstung. Er war zwischen zwei anderen Männern angeseilt und stieg mit Spitzhake in der Hand einen Eisgletscher hinauf.

      »Guckt mal!« Benno langweilten die Fotografien und er lief weiter in den Flur hinein. »Da ist noch eine Tür!«

      Mats und ich drehten uns gleichzeitig zum Ende des Flures. Benno zog schon an der Türklinke, aber sie öffnete sich nicht. »Ist abgeschlossen.«

      Tatsächlich: Da war eine kräftige Holztür mit einem gusseisernen Schloss. Ich drückte auf die Klinke und versuchte, die Tür zu öffnen.

      »Ich hab doch gesagt, die ist abgeschlossen«, beschwerte sich Benno.

      Ein bisschen mulmig war mir plötzlich. Immerhin standen wir in einem Kellergeschoss, in das man nur durch eine Geheimtür kam und von der offensichtlich niemand etwas wusste, außer vielleicht diesem Willem. Und jetzt war die Tür auch noch verschlossen. Bestimmt war dahinter das versteckt, worüber sich alle in der kleinen Stadt den Kopf zerbrachen. Aber was war so geheim – und womöglich so gefährlich –, dass jemand ein ganzes Untergeschoss baute, um es zu verstecken?

      Mats sah mich schweigend an. Auch in ihm schienen Fragen herumzuwirbeln. Ich schob eine Hand in meine rechte Hosentasche und zog die Kette mit dem alten Schlüssel heraus.

      »Was meint ihr?«, fragte ich. »Wie lange ist hier schon niemand mehr gewesen?« Ich versuchte, cool zu tun, obwohl mir vor Aufregung fast schwindlig war. Mit flattrigen Fingern schob ich den Schlüssel ins Schloss.

      »Finden wir es heraus«, sagte Mats und sah dabei aus, als ob auch ihm das Herz bis zum Hals pochte.

      Diesmal passte der Schlüssel perfekt und ich drehte ihn einmal und dann noch mal, bis er anschlug. Das Schloss klackte und die massige Tür öffnete sich. Mit angehaltenem Atem schoben wir sie auf.

      Etwas erkannte ich sofort wieder: den Geruch. Es roch genau so wie in unserer Villa. Hinter mir drehte Mats an einem der alten Lichtschalter und vor uns erhellte sich der Raum in einem unendlichen Teppich von Farben.

      »Ich wusste es!« Mats triumphierte. »Die Villa Evie hat ein Geheimnis!«