Das kleine Narrcoticum. Thomas C. Breuer

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Название Das kleine Narrcoticum
Автор произведения Thomas C. Breuer
Жанр Юмористическое фэнтези
Серия Lindemanns Bibliothek
Издательство Юмористическое фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783963080982



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Energiedorf – welche Energie? Wind? Solar? Kohle? Kernkraft? Red Bull? Nein – Bioenergie ist das Zauberwort. Seit einigen Jahren verfügt die Gemeinde über ein regeneratives Nahwärmenetz, das viel effektiver arbeitet als beispielsweise die Fernkälte in Obernheim. Finanziert und betrieben von der Firma Solarkomplex, ein Name, der eigentlich Mitgefühl hervorruft, aber mit professioneller Hilfe lassen sich Komplexe erfolgreich wegtherapieren.

      Ja, die Natur: Im Emmingen werden Naturbestattungen im Friedwald angeboten. Meist im Februar gilt es, der Straße besonderes Augenmerk zu schenken, wenn „Buchenberger“ und „Schlehenbeißer“ die Fahrbahn kreuzen. Dabei handelt es sich freilich nicht um Insekten, sondern um die örtlichen Fasnetszünfte der Doppelgemeinde. Erstere sind in Emmingen zuhause, und sie haben sich einen originellen Narrenruf ausgedacht: „Bucha-Berger!“ – aber Obacht: Emmingen gleich können die Narren unvermutet arglosen Motoristen vor die Stoßstange springen. Von Liptingen ist leider nicht so viel bekannt, man muss sich fragen, ob es sich dabei nicht um eine Scheingemeinde handelt. Womit wir auch schon beim zweiten Herausstellungsmerkmal Emmingens wären: 1938 wurde ein Scheinflugplatz eingerichtet, um die Alliierten abzulenken vom Heeresflugplatz in Neuhausen. Dabei waren diese eh nicht gut informiert, verschonten Konstanz weitgehend, bombardierten dafür Schaffhausen, und allein die Namensgebung sollte schon zur Verwirrung beigetragen haben: Neuhausen ob Eck, Emmingen ab Egg; Eck, Egg – was ist das bitteschön für ein Durcheinander?

      Ich erwähne dies freilich alles nur, damit die eher ätzende Rumgurkerei mit dem Schienenersatzverkehr nicht völlig umsonst gewesen ist. Danke, liebe Bahn, für diese Gratis-Unterweisung in Sachen Heimatkunde. I am the eggman, goo goo g’joob.

      Fischbach

      Früher eine reine Bauern- und Handwerkergemeinde, ist Fischbach heute eher ein Wohnort mit Gewerbebetrieben. 1974 kam es zu einer zufälligen Eingemeindung nach Niedereschach, die bis heute unverschämterweise nicht aufgehoben wurde. Über die Grenzen hinaus bekannt ist der Taubenmarkt, wobei keiner weiß, ob es sich dabei um Flugobjekte oder Gehörlose handelt.

      Für eine Stadt von 5.800 Einwohnern verfügt die gesamte Niedereschach Metropolitan Area über beachtliche fünf Narrenzünfte, das ist eine pro 1.160 Bürger. Darunter finden sich die „Deifelzunft“ und die „Lehrhexen“ – letztere nannte man früher Oberstudienrätinnen. Das Motto der vorletzten Dorffasnet lautete „Disney & Cartoon“, und es wäre sehr interessant zu erfahren, wie jemand daherkommt, der sich als Cartoon verkleidet hat. Oder als Walt Disney.

      Die Fischbacher treiben derzeit noch andere Themen um: Sorgen bereitet die Besetzung des ehrwürdigen Narrengerichtes, nachdem sich der Chefankläger in den Ruhestand verabschiedet hat, sowie die Frage, wie streng heuer die Häsordnung auszulegen ist. Höchste Priorität genießt die Sanierung der Landesstraße 181 nach Niedereschach, die Fischbacher wünschen sich endlich eine Verbindung zur Außenwelt, nicht zuletzt seit auf dem Bubenholz ein Tier gesichtet wurde, bei dem man heute noch rätselt, ob das ein Wolf war oder ein Hund. Guido Wolf war es jedenfalls nicht, zum Glück. Mit der L 181 eröffnete sich den Fischbachern ein besserer Fluchtweg, wobei allerdings auch Wölfe leichter und schneller auf Gemeindegebiet vordringen können.

      Kommen wir endlich zu den Fischen und damit zum Anglerwetter für die gesamte Region: Im Frühling werden Sportangler häufiger mal im Trüben fischen müssen, gerade die Morgennebel können doch hecht stark sein und die Uferböschungen feucht und daher aalglatt. Um diese Zeit ist verstärkt mit Rotaugen wegen massiven Schlafmangels zu rechnen, forellen Dingen an Breg, Brigach und am Linach-Stausee. Im Glasbach sind die Verhältnisse undurchsichtig, an der Uferbefestigung des Fischbachs wurden vereinzelte Steinbeißer beobachtet, Vorsicht ist geboten. Am Oberlauf der Donau Frostgefahr, örtlich sogar tiefgekühlte Stäbchen möglich. An Starzel, Prim und Schlichem lax, Fliegenfischer machen dort keinen Stichling, die Witterungsbedingungen sprotten jeder Beschreibung.

      Wegen Kabeljauarbeiten an der Schleuse Neckardumpfbach verkehren alle Fischzüge heute mit Verspätung. Achtung Angelsachsen: Am Teufensee ist an einer Anlegebrücke ein Schellfisch zerschellt. Gefahr von Fußangeln. Wir bitten alle Sportfischer, Leine zu ziehen, bis in die Abendstunden dürfte der Plunder verschwunden und die Sache vom Haken sein. Im Unteren Eschachtal ziehen vom Hohenkarpfen her Regenwolken auf, daher kann es auf der Straße der Ölsardinen zu Störmanövern kommen. Barsch gesagt: Neunauge, sei wachsam. Ansonsten: Freie Fahrt für alle Ruten.

      Fridingen

      Auch hier bieten sich mannigfaltige Verwechslungsoptionen: Friedingen im Hegau, ärgstenfalls Frittlingen. Fridingen selbst ist im Talkessel der Donau beheimatet, also leicht erreichbar, wenn man erst einmal einen passenden asphaltierten Zugang gefunden hat. Ein wenig abgehängt von der übrigen Welt, dafür aber verschont geblieben von einem größeren Donaudurchbruch wie im benachbarten Beuron – in Fridingen trödelt dieser Fluss noch herum. Die Gegend ist schon seit der Mittel-

      steinzeit besiedelt, später eilten – wie so oft – die Alamannen herbei. Erstmals erwähnt in der üblichen Urkunde des diesbezüglich notorischen Klosters St. Gallen, 1372 zur Stadt erhoben. Lange gehörte man zu Vorderösterreich, dennoch gibt es bis heute keinen Opernball. Dafür die schwäbisch-alemannische Fasnet, man ist sogar Mitglied in der VSAN mit der Zuordnung zur Fasnachtslandschaft Donau, ebenso wie Riedl-, Sigmar-, Munderk- und Eh-ingen, sowie Mühlheim, Stetten am kalten Markt und, äh, Belgrad. Die Fasnet entstand hier übrigens aus einem für vorderösterreichische Städte typischen „anti-württembergischen Reflex“, wie es so schön bei Wikipedia heißt.

      Fridingen schreibt sich nicht zufällig nicht mit „ie“, denn mit Frieden hat man in dieser Region wenig am Hut. Sogar Neckar und Donau schlagen getrennte Richtungen ein. Die Fasnet war schon immer wild, oder, wie man hier sagt: „wiascht“. Es muss kesseln! Schon im 18. Jahrhundert verlässt man die Komfortzone Fasnet, es kommt vor, dass man sich um existenzielle Fragen streitet, ob das Kostüm jetzt „Häs“ oder „Kleidle“ heißen soll. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts versucht man, der Fasnet eine organisatorische Struktur zu verpassen, und schon 1928 kommt es zur Gründung eines Siebenerrates. Obwohl sich die Donau aus freien Stücken nie dazu durchringen konnte, ein Nebenfluss des Rheins zu werden, schaffen es Einflüsse aus Köln oder Düsseldorf hinauf nach Fridingen, bis in die sechziger Jahre waltet gar ein Karnevalsprinz seines Amtes, und die Zahnärzte des gesamten Umlandes erfreuen sich an dem Einsatz von Kamelle durch die „Gutslenarren“. Besagter Prinz war leicht auszumachen, stets trug er einen Schwenker in der Hand und pflegte hingebungsvoll zu schmettern: „Das schönste Jäckchen ...“ Den Mann verkaufte man später für teuer Geld an die Gemeinde Sechtem im Rheinland, die gerade eine Prinzenvakanz zu beklagen hatte.

      Erst Ende der Sechziger, mit der Umschaltung von schwarz-weiß auf Farbe, besann man sich auf traditionelles Brauchtum. Bis Ende der Achtziger war der um vier Personen erweiterte Siebenerrat wenig mehr als ein loser Zusammenschluss gewesen – so teilt die Webseite der Narrenzunft mit: „... nur aus versicherungstechnischen Gründen als Narrenzunft registriert.“ Das ist natürlich ein Argument. Bemerkenswert, ja vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal: Die Zunft besteht nur aus fünfzehn Mitgliedern, dem Elferrat und dann nochmal vier. Noch bemerkenswerter der Hang zum Eklektizismus: Überall bedient man sich: ob Prinzenrolle, ob Hemdglonker, ob Maschgere, ob Kamelle – gerne alles. Eine Beurteilung – ob Beliebigkeit oder Weltoffenheit – bleibt jedem selbst überlassen. Über die Tage hinweg nennt sich der Ort „Fuchsau“, die Bewohner firmieren auch in der Umgebung als „Füchse“, so wie die Handballspieler aus Berlin. Mit Fuchsschwänzen wurden früher übrigens die Randständigen stigmatisiert. Erst als der Fuchs zum Werbeträger einer Bausparkasse im Fernsehen erkoren wurde, besserte sich das Image, und mit dem Polarforscher Arved Fuchs rückte das Tier ins Rampenlicht. Die Häser werden nicht bemalt, hier werden Filzlappen übereinander genäht, es sieht ein wenig aus wie Schindeln bei Häusern. Anders als in Rottweil kann man die meisten Narren zuordnen, tragen sie doch auf dem Rücken ein Wappen – Anonymität einmal anders. Für auswärtige Besucher sind sie natürlich nicht zu entschlüsseln. Die Vorbereitungen für die tollen Tage waren stets derart intensiv, dass man vergessen hat, die Fridinger Nationalhymne – den „Ludimarsch“ – mit einem Text zu versehen. Das muss nicht unbedingt ein Manko sein. Zu einem eigenen Narrenruf hat die Zeit ebenso wenig gereicht.

      Der Schmotzige hat übrigens