Название | Das kleine Narrcoticum |
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Автор произведения | Thomas C. Breuer |
Жанр | Юмористическое фэнтези |
Серия | Lindemanns Bibliothek |
Издательство | Юмористическое фэнтези |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783963080982 |
Zum Fasnetsumzug in Beffendorf – einem Ortsteil von Oberndorf mit knapp tausend Einwohnern – war einmal die Baronengilde aus Lackendorf eingeladen. Die haben sich dort verlaufen. Noch einmal zum Mitschreiben, zum Sich-genüsslich-auf der-Zunge-zergehen-lassen: In Beffendorf, keine tausend Einwohner. In Lackendorf geht den Verantwortlichen heute noch die Beffe, wenn sie an dieses Desaster denken.
Bösingen
In Bösingen (umgangssprachlich „Baisingen“, was allerdings eine Verwechslungsgefahr mit einem Rottenburger Stadtteil impliziert) werden die Werte hochgehalten, vor allem die Cholesterinwerte. Wohl deshalb bildet Bösingen seinen eigenen Speckgürtel, oder anders gesagt: Speck ist der Kitt, der diese Gemeinde zusammenhält. In Bösingen besteht fast alles aus Speck.
Für das jährliche Speckfest im Spätsommer wird sogar die Festhalle in der Avenida Joshua Kimmich vollständig mit Speck eingerieben. Mitglieder der Speckmockelzunft von 1969 servieren Specknacken und Bacon, die Gäste freuen sich über die Holzbrettchen vor dem Kopf, der Musikverein Frohsinn sorgt akribisch für selbigen. Hier ein Auszug aus dem Speckwalzer, getextet von Rudolf Angst:
„Nein, Geld, das brauch ich keins, mir fehlt nur eins / des isch en guata Speck / Ich brauch, um froh zu sein, nicht Bier, nicht Wein / brauch bloß en Baisinger Speck.“
Selbst wenn das mit dem Bier und dem Wein geflunkert ist: Klarer kann man das nicht formulieren – und ohne Spickzettel intonieren.
Speckwürfelspiele sorgen ebenso für Unterhaltung wie das gemeinschaftliche Fettabsaugen vor dem Rathaus. Beliebt der Babyspeck-Wettbewerb am Samstagnachmittag. Der Festsonntag sieht als Höhepunkt des Spektakels traditionsgemäß das Fußballspiel gegen die italienische Partnergemeinde San Lardo di Pancetta, und die Gäste aus dem Süden bringen dazu ihre „spettatore“ gleich selbst mit.
Die Bösinger Brände sind legendär, also die alkoholischen, 2019 wurde erstmals ein Gin mit Speckaroma angeboten – und ratzeputz weggetrunken. Ähnlich wie beim Currywurst-Brandy wird ein ausgewachsener Speck in die Brennblase gehängt, und während des Brennvorgangs strömt das Destillat daran vorbei.
Derzeit wird in einer Studie der Freiwilligen Universität Herrenzimmern FUH untersucht, ob Speck vielleicht verstecktes Fett enthält. Soviel lässt sich jetzt schon feststellen: Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung ist Speck unbedenklich. Im Klartext: Wenn man den Speck vorher auf die Waage packt, geht er wohl seiner ungesunden Substanzen verlustig und enthält daher kaum Omega-3-Fettsäuren. Wichtig in diesem Zusammenhang: Nie traten Nitritvergiftungen allein durch Speck auf, und ganz gleich, was los ist: Es ist immer eine Frage der Dosis. Wer viel Gemüse oder Salat isst, nimmt viele Antioxidantien zu sich, die die sog. Nitrosamine in Schach halten, und wer den Speck vielleicht einfach mal weglässt, ist auf der sicheren Seite.
Das Speckfest hat der Fasnet fast schon den Rang abgelaufen. Vielleicht hat das mit den strengen Regeln der Narrenzunft zu tun. Ein Auszug: „Die Teilnahme an auswärtigen Nachtumzügen ist für unter 16-Jährige (Stichtag Geburtstag) nicht möglich. Eine schriftliche oder mündliche Übertragung der Verantwortung an andere Personen von den Erziehungsberechtigten ist nicht möglich.
Es ist weiterhin nicht möglich, die unter 16-Jährigen zum Umzug zu bringen und nach dem Umzug wieder abzuholen. Eine Ausnahme zur Teilnahme am Umzug ist dann möglich, wenn ein Erziehungsberechtigter selbst mit Häs am Umzug teilnimmt. Diese Regelung gilt uneingeschränkt für alle.“ Nicht möglich, nicht möglich, nicht möglich – bei Jugendlichen kommt diese Vokabelkombination womöglich weniger gut an.
In der Chronik der Speckmockelzunft steht für das Jahr 1991: „Die Fasnet fällt offiziell aus wegen des Golfkrieges.“ Und gleich darunter: „Bau des Geräteschuppens hinter dem Friedhof.“ Über einen Zusammenhang ist indes nichts bekannt.
Brezelfingen
Keine Bange, es sind nur Fehlzündungen! Die Hegau-Vulkane sind seit sechs Millionen Jahren erloschen, angeblich, so meinen die Wissenschaftler, gibt es keine Magmenschicht, mag man’s glauben oder nicht. Sowieso sind wir hier nicht in Island. Aber manchmal bebt die Erde doch und auf einmal hört man einen gewaltigen Knall: Fehlzündungen der zahllosen Motorräder, die die Strecke vom Schwarzwald hinunter ins Tal heimsuchen. Wir haben es also ebenso wenig mit Erdbeben zu tun, obwohl die Region – Zollerngraben – seismologisch gesehen einiges hergibt.
Das erhöhte Aufkommen von Motorrädern ist auf zweierlei Fakten zurückzuführen: Zum einen die achterbahngleichen Hebungen und Senkungen unter extremstem Geschlängel, zum anderen die Autobahnkapelle St. Emmaus an der Rastanlage Engen, die vor allem von christlichen Motorradgangs angesteuert werden, Katholen wie Evangelen, die sich hier auf ihren Affenschaukeln einen Segen to go bzw. to speed holen, auch wenn das kein Weihrauch ist, der aus den silbrig glänzenden Rohren hervorquillt. Für die Emmauskapelle hier als besonderen Service noch die Koordinaten: N 47° 51’ 38’’, O 8° 47’ 16’’.
Nicht zu vergessen die Motorradmanufaktur in Brezelfingen, auf halber Strecke zwischen Immendingen und Mauenheim gelegen, unweit der Gemarkung Lemmingen, von wo aus die L 225 zu Tal schießt. Dort befindet sich die Motorradmanufaktur Bannister, die Unikate fertigt, die z. T. von Scheichs aus Dubai oder Oman in Auftrag gegeben wurden. Auch der amerikanische Country Star Justin Thyme zählt zum erlesenen Kundenkreis. Die Maschinen werden liebevoll von Hand gefertigt, das dauert seine Zeit, so schnell wie’s Brezelbacken geht das nicht. Die Landstraße in Richtung Engen eignet sich ideal als Teststrecke, und gelegentlich weicht man aus in den Zollernalbkreis, wo sich z. B. zwischen Wellendingen und Gosheim ähnliche Bedingungen bieten. Überhaupt ist die Landschaft wie geschaffen für Biker, die mit sattem Knatterton dahinrallern, virtuos auf der Talfahrt, auf der Harley Fatboy, auf der Triumph Thunderbird – man weiß ja: Triumph krönt die Figur, weswegen sie von frisierten Frauen bevorzugt wird, auf der Original-Suhl-Simson Star SR4, oder eben, wer über das nötige Kleingeld verfügt, auf der Bannister Road Rider, was im Brezelfinger Winter nicht ungefährlich ist, denn das Salz wird anderweitig benötigt.
Die Gemeinde, die sonst nicht allzu viel zu bieten hat, beherbergt nämlich einen Bäckerei-Großbetrieb, in dem u. a., nun ja, nomen est omen, überwiegend Brezeln hergestellt werden. Das Wort Brezel geht übrigens auf das lateinische „brachium“ zurück und von diesem Wortstamm ist es nicht weit zu „brachial“.
Gut, prinzipiell könnte man einwenden, dass die Damen und Herren Biker nichts anderes sind als Benzinschlucker und Lärmverbreiter, zäh wie Leder, d.h. wie ihre Oberbekleidung, und die Frage sei erlaubt, ob da vielleicht welche Fahrtwind mit Freiheit verwechseln, andererseits kommt dieser Personenkreis wenigstens an die frische Luft und somit weniger auf dumme Gedanken. Viele von ihnen verbreiten das Wort Gottes, denn es gibt sie tatsächlich, die christlichen Biker, die an jedem Autobahnkreuz ein Gebet sprechen, sogar organisiert. Interessierte können sich den Folder der „Evangelischen Frauen in Baden-Württemberg – Pilgern mit Motorrad“ besorgen: Dabei suchen Easy Riderinnen den Flow zwischen Kraftstoff und Kraftfeld, zwischen innerer und äußerer Einkehr („Bikers welcome!“), zwischen Geist und Himbeergeist, zwischen PS und PMS, nähermeinGottzudir, und krawallen mit dreißig Maschinen durchs Biosphärengebiet, die gewundenen Straßen ein gefundenes Fressen, um schließlich als röhrende Gottesanbeterinnen, die Ausfahrt als Wallfahrt nutzend, bei der Heiligen Hildegard von Singen innezuhalten und Trost zu finden.
Die Manufaktur Bannister sucht immer qualifiziertes Personal, was in dieser strukturschwachen Gegend nicht so einfach ist, zumal sich ganz in der Nähe ein zweites