Название | Die reichen und die bösen Leute: Ein Katharina Ledermacher Krimi |
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Автор произведения | Bernd Teuber |
Жанр | Ужасы и Мистика |
Серия | |
Издательство | Ужасы и Мистика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745212952 |
„ Wirklich eine originelle Idee.“
Die vier Gestalten zogen die Reißverschlüsse an ihren Taschen auf. Dann glitten ihre behandschuhten Hände hinein. Plantikow platzte fast vor Neugier.
„ Was habt ihr denn Schönes mitgebracht?“, fragte er und ließ sein Doppelkinn auf und ab hüpfen.
Eine der Gestalten blickte den Dicken für Sekunden verächtlich an. Dann kamen die Hände der vier aus den Taschen. Doch statt der erwarteten Geschenke holten sie entsicherte Pistolen heraus, die sie blitzschnell auf die Anwesenden richteten. Die Überraschung war vollkommen, obwohl die meisten Gäste noch immer den Ernst der Situation verkannten. Einige lachten belustigt, andere wieder unsicher und gepresst. Plantikows Kinn schwappte auf und ab.
„ Ein makaberer Scherz“, stammelte er. „Wo soll denn da der Witz sein?“
„ Wirst du schon sehen!“, zischte in dem Augenblick die Gestalt neben ihm. „Was ich jetzt sage, gilt für alle. Rückt Brieftaschen, Schmuck und Uhren heraus!“
Für Sekunden herrschte sprachlose Stille, dann riefen alle durcheinander.
„ Der Scherz geht zu weit!“, kreischte die angetrunkene Frau und bedeckte mit ihrer linken Hand das funkelnde Kollier über ihrem Ausschnitt.
„ Da spiele ich nicht mehr mit!“, tobte Plantikow und knöpfte demonstrativ das weiße Jackett zu.
„ So?“, zischte die Figur neben ihm. Mit einem lautlosen Satz stand sie dicht vor dem dicken Kaufhausbesitzer, drückte ihm die Mündung der Waffe zwischen die Bauchfalten und griff mit der linken Hand in die Innenseite des Jacketts. Sie kam mit einer Brieftasche aus Krokodilleder wieder zum Vorschein, die sofort in der Gürteltasche verschwand. Plantikow keuchte vor Wut, bekam aber kein Wort über die Lippen. Erstens war die wertvolle Brieftasche ein Geschenk seiner Frau, und zweitens befanden sich darin etwa neunhundert D-Mark und die Fotos einiger Freundinnen, die niemanden etwas angingen. Nicht auszudenken, wenn diese Aufnahmen in falsche Hände gerieten.
„ Deine Uhr, Dicker, und die Manschettenknöpfe!“, fuhr die Gestalt ihn an. „Schnell, wenn ich bitten darf!“
Plantikow gehorchte wie noch nie in seinem Leben. Er zog die teure Rolex vom Gelenk und legte sie in die ausgestreckte Hand des Räubers. Dann folgten die Manschettenknöpfe aus Platin. Mittlerweile hatte man allgemein erkannt, dass man Opfer eines dreisten Überfalls geworden war. Einer nach dem anderen kam an die Reihe, und die Beute verschwand in den wasserdichten Beuteln. Die betrunkene Frau war immer noch bemüht, das Kollier mit den Händen zu verdecken.
„ Gib schon her!“, wurde sie aufgefordert.
„ Niemals!“, schrie sie auf. „Nur über meine Leiche!“ Entsetzt starrte sie in das schwarze Gesicht des Gegenübers. „Niemals trenne ich mich von dem Geschenk meines verstorbenen Mannes!“
Ein Hieb mit der Waffe ließ sie aufschreien. Ein kurzer Ruck riss ihr das Kollier vom Hals und es verschwand bei der übrigen Beute. Als letzte waren Sylvie und Markus an der Reihe. Die schwarze Gestalt deutete mit dem Lauf der Waffe auf das funkelnde, mit Brillanten besetzte Platinarmband an Sylvies Handgelenk.
„ Hübsches Verlobungsgeschenk von deinem Süßen, wie? Nur schade, dass er es noch nicht bezahlt hat. Nun gib schon her!“
Während Markus verlegen wurde, lieferte die junge Frau das Armband ab. Sie tat es sogar ohne Zögern, wie er wütend feststellte.
„ Und jetzt deine Brieftasche“, erging an ihn die Aufforderung.
Zögernd rückte Markus das dünne Lederetui heraus. Doch sie verschwand nicht wie die anderen Brieftaschen unbesehen im Gummibeutel. Der Räuber öffnete sie und zog vier Fünf-D-Mark-Scheine heraus. Beides landete auf den Planken.
„ Kauf dir dafür einen Lutscher“, war die verächtliche Bemerkung.
Dann riss Markus‘ Geduldsfaden. Man hatte ihn vor den Augen seiner Verlobten blamiert, ihn, das Surfer-Ass. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er wollte sich auf die schwarze Gestalt stürzen, doch er kam nicht weit. Ein kurzer Hieb mit der Waffe gegen die Schläfe streckte ihn neben seine Bargeldbestände.
„ Noch mehr solche Mätzchen, und es knallt!“, knurrte der Verbrecher. Er ging rückwärts zu der Reling, wo die Jakobsleiter hing. Auf seinen Wink hin verschwand einer der drei in der Kajüte, um das Funkgerät zu zerstören. Nach wenigen Minuten kam er wieder an Decke. Während einer die Leute mit der Pistole bedrohte, verschwanden die anderen nach unten und sprangen ins Wasser.
„ Noch einen schönen Abend!“, rief der Letzte und wollte sich an den Abstieg machen.
In diesem Augenblick sprang einer der Gäste vor. Er schwang eine halbvolle Kognakflasche in seiner Rechten und wollte sie auf den Verbrecher schleudern. Als er jedoch die Flasche in halber Höhe hatte, blitzte es an der Waffenmündung des Maskierten auf. Die Kugel traf den Arm des Mannes. Mit einem Aufschrei ließ er die Flasche fallen. Trotzdem besaß er noch die Kraft, sich auf die schwarze Gestalt zu stürzen. Seine linke Hand fasste in die Gummihaube und verkrallte sich darin. Der Verbrecher, der bereits auf der oberen Sprosse der Jakobsleiter stand, feuerte noch einen Schuss ab. Die Kugel bohrte sich in die Brust des Mannes.
Mit einem dumpfen Aufschrei brach er zusammen. Dabei zog er die Gummihaube der nach unten wegtauchenden Gestalt ein wenig zur Seite. Fast alle Anwesenden, die dem Zwischenfall mit weit aufgerissenen Augen und angehaltenem Atem gefolgt waren, sahen für Sekunden, dass der Verbrecher lange rote Haare hatte. Die Gestalt klatschte ins Wasser und tauchte unter, während der Verletzte an der Reling lag. Georg Kranich und der Kapitän waren die ersten, die den Schock überwanden und sich um ihn kümmerten. Während sie ihn in die Kajüte trugen, spielte immer noch die Musik aus den Lautsprechern.
„ Polizei! Hilfe! Polizei!“, schrie plötzlich eine hysterische Stimme. Sie gehörte der Frau, der man das Kollier gestohlen hatte. Die Spannung wich von den Gästen. Flüche ertönten, Stimmen schwirrten durcheinander. Niemand dachte in diesem Augenblick an den Mann, der unten in der Kabine sein Leben aushauchte. Die meisten von ihnen beklagten lautstark den Verlust ihres Schmucks und ihrer Brieftaschen.
Markus erwachte aus seiner Bewusstlosigkeit und brauchte eine Weile, bis er begriff, was passiert war. Als erstes kapierte er, dass sich Sylvie nicht so um ihn kümmerte, wie er es für angebracht hielt. Sie warf ihm nur einen kühlen Blick zu, als er sich aufrappelte und dann nach unten in die Kajüte verschwand. Kurz darauf kam sie wieder an Decke.
„ Glaser ist tot“, verkündete sie tonlos.
„ Wir müssen an Land“, sagte Plantikow. „Wir müssen die Polizei benachrichtigen. Schließlich sind wir alle die Leidtragenden.“ Dabei dachte er in erster Linie an die Fotos in seiner gestohlenen Brieftasche.
Georg Kranich wirkte um Jahre gealtert, als er an Deck kam. Seine Hände zitterten, während er sich auf einen Stuhl setzte und nach einem Glas griff, das er in einem Zug leerte. Dann blickte er die Anwesenden der Reihe nach an.
„ Ihr habt es doch alle gesehen, nicht wahr?“, sagte er dann. „Glaser hat sein Leben für uns alle riskiert, als er versuchte, den Gangster zu ...“
„ Sagen wir lieber Gangsterin“, erwiderte einer. „Habt ihr nicht die langen roten Haare gesehen, als er ihr die Haube abriss?“
„ Wer sagt denn, dass es eine Frau war?“, fragte ein anderer. „Kann ebenso gut ein Mann mit roter Mähne gewesen sein.“
Kranich schüttelte den Kopf. „Nein, Herbert könnte recht haben“, meinte er. „Auch ich konnte deutlich sehen, dass es die Frisur einer Frau war.“
„ Ja, das meine ich auch“, warf Sylvie ein. „Von meinem Platz aus sah ich die rechte Augenbraue der Frau, als ihre Tauchermaske etwas zur Seite rutschte. Die Braue war dunkel und scharf ausrasiert. Welcher Mann rasiert sich schon die Augenbraue aus?“