Название | Isola Mortale |
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Автор произведения | Giulia Conti |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783455009903 |
»Was tun Sie eigentlich auf der Insel?«, fragte Carla.
Simon war erstaunt, dass sie jetzt noch diese Frage stellte. Das Gespräch hatte sich in den letzten Minuten zu einer handfesten Vernehmung entwickelt. Und nun stimmte sie doch noch einen Plauderton an. War das aufrichtige Neugier oder verfolgte sie einen Plan?
»Carpe diem«, sagte Huber.
»Und was haben Sie in München gemacht, auch carpe diem?«
»Nein. Den Tag genutzt habe ich da allerdings sehr wohl, nur nicht genossen. Unsere Familie hat dort in den Nachkriegsjahren ein Handelsunternehmen aufgebaut, ziemlich erfolgreich. Da bin ich nach dem Abitur eingestiegen, habe es später ganz von meinen Eltern übernommen, eine Weile geführt, dann in andere Hände gegeben und vor zehn Jahren ganz verkauft.«
Simon wurde ungeduldig. Um Carla zu signalisieren, dass sie langsam zum Ende kommen sollten, griff er zu seinem Espresso und trank ostentativ den letzten, kaum noch vorhandenen Schluck. Sein Blick fiel auf seine durch den Sturz im Garten etwas schmutzigen Finger, und da kam ihm eine Idee. Sollte Carla doch mit diesem verdächtigen Münchner noch eine Weile etwas plaudern. Er würde die Gelegenheit nutzen, um sich ein wenig bei ihm umzusehen. »Könnte ich mir bei Ihnen die Hände waschen?«, fragte er und streckte Max Huber, wie um dieses Anliegen zu unterstreichen, seine Handflächen entgegen.
»Ja, natürlich. Gleich um die Ecke ist ein Badezimmer.«
Simon passierte einen weiteren großen Raum, zu dem die Tür offen stand. In einer Ecke ein alter Holzschrank, sonst nur Staffeleien, ohne ersichtliche Ordnung und in großer Zahl. Es war ein Atelier. Huber malte offenbar, und wahrscheinlich stammten die Bilder in seinem Wohnraum von ihm. Simon lauschte. Der Mann war weiter in das Gespräch mit Carla vertieft. Er konnte es also wagen, machte einen schnellen Schritt in das Atelier und sah sich genauer um. Die Leinwände auf den Staffeleien waren alle großformatig, die meisten waren Ölgemälde, aber auch ein paar Aquarelle waren darunter.
Simon verstand nichts von Malerei, aber das hier sah nicht nach der Arbeit eines Amateurs aus, die leuchtenden Farben, die Komposition, die Mischung aus realistischer Darstellung und Abstraktion hatten eine Ausstrahlung, die ihn berührte. Es waren Vogelbilder, aber auch ein paar Landschaftsskizzen und Porträts. Ganz hinten im Raum entdeckte Simon an die Wand angelehnt das Bild einer Frau, die ihm bekannt vorkam. Er musste sich beeilen, sonst würde Huber womöglich Verdacht schöpfen. Mit schnellen Schritten war er bei dem Porträt. Eine schöne Frau, lange blonde Haare, dunkelgraue Augen, ein sinnlicher Mund. Leonie Hofmann. Simon hatte keinen Zweifel, es war ihr Porträt, ein sehr realistisches Bild, das ihm weniger gefiel als das, was er sonst auf den Staffeleien sah.
Er griff zu seinem Handy, machte ein Foto, verließ eilig das Atelier, ging noch schnell ins Bad, um sich die Hände zu waschen, damit Huber keinen Verdacht schöpfte. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit. In dem ganz in hellem Marmor gefliesten großen Raum gab es zwei Badewannen, beide nebeneinander in den edlen Stein eingemauert, die eine etwas kürzer als die andere, darüber ein opulent gerahmter, riesiger Spiegel. Für wen war die zweite Wanne? Huber schien allein in dem Haus zu leben, von einer Frau an seiner Seite war bisher nicht die Rede gewesen. Er war zweifellos ein attraktiver Mann und wahrscheinlich kein Kind von Traurigkeit, dachte Simon und fragte sich im selben Moment, warum ihm bloß diese idiotische Redewendung einfiel.
Als er in den Wohnraum zurückkehrte, war Huber bereits aufgestanden und sah abwartend zu Carla, die vor ihm in ihrer Tasche kramte. »Signor Huber ist einverstanden, dass ich eine DNA-Probe nehme«, informierte sie Simon, während sie dem Deutschen schon den Wattestab in den Mund steckte.
Die Prozedur war schnell erledigt und Huber wandte sich nun zum ersten Mal doch Simon zu. »Gefällt Ihnen mein Haus?« Er lächelte ironisch. »Sie haben ja die Gelegenheit genutzt, sich auch dort ein wenig umzusehen, nicht wahr?«
»Ich konnte nicht widerstehen, einen Blick auf Ihre Bilder zu werfen«, versuchte Simon sich mit einer Schmeichelei aus der Affäre zu ziehen.
Carla warf ihm einen ihrer funkelnden Blicke zu, sagte aber nichts. War sie wütend oder nur erstaunt, oder lag gar Anerkennung für seinen eigenmächtigen Vorstoß darin? Es war bereits dunkel, als sie Hubers Haus verließen. Den Weg zurück zum Anlegesteg nahmen sie zunächst schweigend, aber auf halber Strecke, etwa in Höhe des Restaurants, in dem sie gegessen hatten, hielt Carla auf einmal inne und sah ihn erwartungsvoll an.
»Und?«
»Was und?«
»Haben Sie etwas entdeckt bei dem Schnösel?«
»Er hat die Nonne gemalt. Ich habe ein Foto von dem Porträt gemacht.«
»Benissimo. Manchmal sind Ihre Alleingänge ja doch für etwas gut, Simone.«
8
Stefano erwartete sie mit laufendem Motor am Anlegesteg. Er informierte Carla kurz, dass die Spurensicherung ihre Arbeit inzwischen erledigt hatte und schon wieder abgefahren war.
»Das scheint tatsächlich der Tatort zu sein«, sagte er, »jedenfalls sieht alles danach aus. Sie haben noch mehr Blutspuren gefunden, aber keine Tatwaffe. An dem Strand, da, wo auch das Boot von dem Huber lag, also das, mit dem die Nonne unterwegs war, liegt noch ein Boot. Das haben Sie bestimmt auch bemerkt, so ein buntes mit einem kleinen Außenborder. Und bei dem fehlt eines der beiden Holzruder. Das könnte die Tatwaffe gewesen sein, aber sie ist unauffindbar«, berichtete Stefano weiter.
»Und wem gehört das Boot?«, fragte Carla.
»Einem Priester, der hier um die Ecke neben dem Kloster wohnt. Padre Ferrante. Ich war schon bei ihm, ein netter älterer Herr. Er hat mir bestätigt, dass er das eine Ruder vermisst. Das sei ihm heute Morgen aufgefallen. Er selbst habe das Boot zum letzten Mal einen Tag vor dem Mord an Leonie benutzt. Da seien beide Ruder noch da gewesen, an der Halterung fixiert, wie immer, hat er gesagt.«
»Und am Abend des Mordes?«, fragte Carla.
»Da hat er es nicht benutzt. Er hat schon mittags das Schiffstaxi genommen, sagt er, um nach Pettenasco zu kommen, weil ja der Sturm vorhergesagt war. Der Padre hält da immer die Messe für die Nonnen. Und weil es so gestürmt hat, ist er gleich dageblieben, hat an der Abendvesper teilgenommen und dort auch übernachtet. Ich überprüfe das natürlich noch.«
»Und haben Sie schon gecheckt, wer alles an diesem Nachmittag auf der Insel war?«
»Ich habe mit den Kapitänen der Taxiboote gesprochen. Die haben gegen Mittag die letzten Besucher von der Insel nach Orta zurückgebracht. Französische Touristen. Die sind da noch im Hotel, wenn Sie wollen, kann ich die auch noch befragen. Aber später ist kein Boot mehr gefahren. Es ging ja nichts mehr, weil es so gestürmt hat. Von den Leuten, die auf der Insel ein Haus haben, war außer dem Deutschen wohl keiner da, das sagen jedenfalls die Leute von den Schiffstaxis.«
Stefano war sichtlich stolz auf seine Ermittlungsergebnisse und darauf, dass er alle Fragen seiner Chefin beantworten konnte. Auch der Bericht der Spurensicherung würde nicht lange auf sich warten lassen, ergänzte er noch, warf die Leine, gab Gas und nahm Kurs auf Omegna.
»Sollen wir Sie mit nach Omegna nehmen, Simone? Da steht doch Ihr Auto?«, fragte Carla.
Simon überlegte einen Moment. Es zog ihn jetzt schnell zu Luisa. Sein Versprechen, dass er bald zurück sein würde, hatte er nicht annähernd halten können. »Nein«, antwortete er schließlich, »setzen Sie mich bitte in Ronco ab. Ich komme dann schon irgendwie an mein Auto.«
Es war eine helle Vollmondnacht, aber Stefano fuhr dennoch langsam zurück, hielt sich an die eigenen Vorschriften. Trotzdem hätten sie fast einen Schwan überfahren. Er war aus Holz, Teil einer Krippe, wie es sie überall rund um den See zur Weihnachtszeit gab. Simon hatte gerade einen vorweihnachtlichen Artikel in Il Giorno zu diesem Thema gelesen. Krippe oder Christbaum, war aus dem Text zu erfahren, das war ein Kampf zweier Linien. In Norditalien war er unentschieden ausgegangen, in friedlicher Koexistenz