Wiener Bagage. Andreas Pittler

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Название Wiener Bagage
Автор произведения Andreas Pittler
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839245361



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so was, der fesche Herr Major Bronstein! Beehrt mich da mitten am helllichten Tag! Sie sind mir aber ein ganz Forscher. So schamlos die weibliche Schwäche ausnützen, das hamma schon gern.«

      »Äh …«

      »Sie kommen sicher wegen dem Akt, gell. Ich kenn aber einen viel besseren Akt. Soll ich Ihnen den zeigen, Herr Major? Soll ich?«

      »Können S’ bitte ihre Bluse geschlossen halten, Frau Bruckner. Das wär’ echt zuvorkommend von Ihnen. Und den Akt habe ich, wie Sie vielleicht bemerkt haben, in der Hand und ned vor meiner Brust. Da suchen S’ also vergeblich nach ihm.«

      Augenblicklich war das maliziöse Lächeln im Gesicht der Bruckner verschwunden. »Dann halt ned, depperter Itzig«, murmelte sie, während sie sich umdrehte. Bronstein hatte die Worte dennoch deutlich gehört. Er überlegte, ob und wie er regieren sollte, als plötzlich das Fräulein Doleschal den Raum betrat. »Da bin ich wieder, Sissi …, oh, der Herr Major Bronstein. Schönen guten Tag zu wünschen.«

      »Bemüh dich ned. Der is stocksteif wie ein Stockfisch. Und ned an der richtigen Stell’, wennst mich fragst.«

      Bronstein sah die Doleschal erstmals mit anderen Augen, als sie ob der herabsetzenden Aussage der Bruckner hold errötete. Sie blickte betreten zu Boden und scharrte verlegen mit den Füßen. »Fräulein Doleschal«, hörte sich Bronstein in die Stille sagen, »die Freude ist ganz meinerseits. Ob ich Sie vielleicht auf ein Wort unter vier Augen …« Dabei fixierte er die Bruckner, als wäre sie eine zum Angriff bereite Giftschlange. »Hab’ schon verstanden«, grollte diese und trollte sich. »Was wünschen Sie denn, Herr Major?«, fragte die Doleschal kaum hörbar.

      »Ich hab’ da ein kleines Problem. Ich hab’ für heute Abend zwei Opernkarten, hab’ aber noch keine Begleitung. Ich mein’, ich hoff’, Sie versteh’n das jetzt nicht falsch … meine diesbezügliche Anfrage ist vollkommen honetter Art, und ich frag’ auch nur, weil man mir gesagt hat, dass Sie gern in die Oper geh’n … also … was ich sagen … äh fragen will, ist, ob Sie vielleicht …«

      »Heute spielen sie ›Rigoletto‹«, hauchte die Doleschal ganz vergeistigt. »So eine wunderbare Oper. Ja, die tät ich sehr gern seh’n, Herr Major. Und natürlich weiß ich, dass dieses Angebot keineswegs anzüglich gemeint ist. Sie sind schließlich als absoluter Ehrenmann im ganzen Haus bekannt.«

      Ohne es zu wollen, schlug Bronstein die Hacken zusammen und verbeugte sich dabei leicht. »Dann darf ich das gnädige Fräulein heute um halb sieben abholen?«

      Die Doleschal kicherte verlegen. »Ja, das dürfen S’, Herr Major.«

      »Bedanke mich höflichst. Man sieht sich!« Bronstein war ob der Doleschalschen Zusage ganz flau im Magen geworden. Er spürte, wie seine Beine zu zittern begannen, und so wollte er nur noch so rasch als möglich aus dem Zimmer fliehen. Er verbeugte sich, drehte sich um und strebte der Tür zu.

      »Herr Major?«

      Das war ja zu befürchten gewesen. Natürlich würde sie absagen. Was sollte eine junge Frau auch mit ihm alten Deppen in der Oper. Seine Frage hatte sie überfahren, und deshalb war es ihr nicht gleich möglich gewesen, nein zu sagen. Das aber würde sie jetzt nachholen. Er hielt sich krampfhaft an der Türschnalle fest und drehte seinen Kopf leicht nach hinten.

      »Ja?«

      »Wäre es nicht hilfreich, wenn Sie wüssten, wo ich überhaupt wohne? Oder haben S’ schon das zentrale Melderegister nach mir durchforscht?«

      Ach, er hasste die Frauen! Dass sie immer so überlegen sein mussten! Jetzt saß er in der Patsche. Würde er behaupten, er kenne die Adresse, dann würde sie ihn für einen Unhold halten, der ihr bereits heimlich nachstellte. Gab er aber zu, die Adresse nicht zu kennen, dann war sie sicher der Ansicht, er interessiere sich ohnehin nicht für sie.

      »Operngasse 14. Im vierten Bezirk. Gar nicht weit von der Oper, sehen S’.«

      Vielleicht war die Doleschal doch nicht so böse. Sie hatte ihn eben vom Haken gelassen, ohne dass er sich irgendeine Blöße hatte geben müssen. Das sprach für sie, fand er. Er bemühte sich um ein freundliches Lächeln. »Danke schön«, flüsterte er, »bis heute Abend dann.«

      »Ja, bis heute Abend.«

      III.

      Die Operngasse 14, so fand er heraus, lag schief gegenüber des Café ›Museum‹ an der Ecke zur Elisabethstraße, in welcher wiederum das ›Smutny‹ beheimatet war, in dem er besonders gerne verkehrte. Allerdings wusste er deswegen noch nicht, ob das Fräulein Doleschal dort alleine wohnte! Sollte er Blumen mitbringen? Für die Frau Mama zum Beispiel, falls sie mit ihren 25 Jahren noch bei den Eltern wohnte. Oder würde das schon wieder genau jene Nähe insinuieren, die es ja eigentlich zu vermeiden galt? Und was, wenn sie doch alleine wohnte? Dann waren die Blumen ohnehin ein Fehlgriff. Ach, wenn er bloß jemanden hätte, den er in solchen Angelegenheiten um Rat fragen könnte.

      Wenige Minuten vor 18 Uhr fühlte sich Bronstein, als hätte er im Casino gewonnen. Am Weg durch die Margaretenstraße war er doch glatt an diesem Grammophon-Geschäft vorbeigekommen, wo man ausgerechnet eine Schellackpressung von ›La Donna e mobile‹, gesungen vom großen Meister Caruso persönlich, für wenige Schilling angeboten hatte. Mit einem solchen Geschenk, so befand er, lag er in jedem Fall richtig.

      Er legte die wenigen Meter zu Doleschals Wohnhaus fast im Laufschritt zurück, besah sich das Parteienverzeichnis und klopfte schließlich an die entsprechende Tür. Als hätte sie hinter selbiger gewartet, öffnete Doleschal die Pforte, noch ehe Bronstein seine Hand wieder an der Hosennaht hatte. »Guten Abend, gnädiges Fräulein. Äh, das wäre nachher für Sie. Quasi als Erinnerung für den heutigen Abend.« Mit einer ungelenken Bewegung drückte er ihr die Platte in die Hand. Die Doleschal strahlte. »Caruso ist halt doch der Beste. Obwohl der Grozavescu wirklich ganz große Klasse sein soll. Na, davon werden wir uns ja in Kürze persönlich ein Bild machen können. Wollen wir?«

      »Unbedingt.«

      Die wenigen Meter zur Oper legte Bronstein schweigend zurück. Die Doleschal redete dafür umso mehr. Sie erklärte ihm, dass Rigoletto der Hofnarr des Herzogs von Mantua sei, der wiederum Rigolettos Tochter verführe und entehre, woraufhin Rigoletto die Ermordung des Herzogs plane. Rigolettos Tochter aber verliebe sich in den Herzog und opfere sich für diesen, sodass Rigoletto am Ende statt des toten Herzogs die sterbende Tochter vor sich habe. »Womit sich Rigolettos Fluch auf grausige Art erfüllt«, schloss sie ihre Erzählung.

      »Danke, gnädiges Fräulein. Jetzt weiß ich wenigstens, worum es da geht. Ich kann ja kein Italienisch, da hätt’ ich kein Wort verstanden. Jetzt aber bin ich im Bilde.« Dabei lächelte er sphingenhaft, was der Doleschal nicht entging.

      »Was denken S’ denn g’rad?«, fragte sie.

      »Na ja, der Rigoletto ist schuldig nach Paragraph 5 in Verbindung mit den Paragraphen 134 und 135 StG, Anstiftung zum Mord, und der Herzog ist schuldig nach Paragraph 128 StG, Schändung einer Minderjährigen. Jetzt ist das Ganze für mich auch dienstliche Fortbildung und nicht nur kultureller Genuss.«

      Doleschal sah geradeaus und sagte nichts. Der Scherz, so musste er sich eingestehen, war ein Rohrkrepierer gewesen. Aber das passte vielleicht durchaus zum bevorstehenden Abend. ›Rigoletto‹ war ja offensichtlich auch eine Tragödie, und die Architekten des Opernhauses hatten gleichfalls kein gutes Ende genommen. Soweit Bronstein sich entsann, war der eine dem Wahnsinn verfallen, während sich der andere selbst entleibt hatte.

      Doch all das zählte nicht mehr, als er den schüchternen jungen Rumänen erblickte, der den Rigoletto spielte. Bronstein hätte niemals geglaubt, dass ihn eine Stimme, zumal eine männliche, so zu fesseln vermochte. Er wurde von einer tiefen Traurigkeit umfangen, als die Vorstellung zu Ende war. Und er beschloss, künftighin öfter in die Oper zu gehen, insbesondere, wenn dieser Grozavescu auf der Bühne stand. Dass die Doleschal seine Ansicht am Heimweg teilte, fand er dabei durchaus erfreulich, denn sie hatte sich als überaus charmante Begleitung entpuppt. Wer weiß, dachte Bronstein, als er seiner Wohnung zustrebte, vielleicht bahnte sich da ja etwas an. Gleich darauf schalt er sich selbst