Eilandfluch. Marie Kastner

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Название Eilandfluch
Автор произведения Marie Kastner
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783967525212



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ist es. Den großen Baum auf der rechteckigen Grünfläche haben wir einstweilen stehen lassen, er bietet erstens Schatten und zweitens hätte der Stumpf sonst die Optik gestört.«

      »Das macht momentan Sinn. Später möchte ich dort aber eine Palme haben, und aus der hässlichen eckigen muss eine runde, etwas kleinere Fläche werden«, verfügte der Hausherr selbstbewusst. Der Polier machte sich Notizen auf seinem Smartphone.

      »Und die Vertiefung in dem Rondell vorne am Felsvorsprung, was sehen Sie dafür vor?«

      Thorstens Blick glitt schwärmerisch an die beschriebene Stelle, die quasi den Bug der Insel bildete. Er hatte den künftigen Anblick bereits deutlich vor seinem geistigen Auge stehen.

      »Das Eck schreit geradezu nach einem Whirlpool mit kleiner Bar, finden Sie nicht?«

      »Aber sicher, ausgezeichnete Idee«, meinte sein Begleiter höflich und notierte auch dieses Detail. Insgeheim hegte er jedoch negative Gedanken, die mit Dekadenz und einem eingebildeten, verwöhnten Affen zu tun hatten.

      »Und die zweite Inselhälfte?«

      »Darüber mache ich mir erst konkrete Gedanken, wenn diese perfekt ist. Ein Schritt nach dem anderen, lieber Signore Lombardo. Ihr Boss wird schon genug an mir verdienen, keine Sorge. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, da drüben ein Geschäftsgebäude hinzustellen, auch an eine kleine Seilbahnstation hätte ich gedacht. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik.«

      Während Sasse und Lombardo die isola maledetta kreuz und quer abschritten, arbeiteten drei versierte Programmierer nahezu Tag und Nacht am neuen Internetportal. Der Tag der Präsentation rückte näher, und es stand noch eine ganze Reihe von Tests aus. Der Projektleiter wusste: Ein kleiner Fehler, und Thorsten Sasse würde ihm gnadenlos den Hintern aufreißen.

      *

      Cremeweiße Sonnensegel flatterten in der lauen Meeresbrise. Links und rechts des zentralen Eingangsportals zur Villa hatte der neue Hausherr fünf Meter lange Banner mit dem blau-rot-gelben Firmenlogo auf Aluminiumgestelle schnüren und an der Mauer befestigen lassen. Das bis auf die tragenden Wände entkernte Hauptgebäude erinnerte derzeit eher an eine Ruine denn an eine Wohnstatt. Wegen der fehlenden Fenster mussten manche Betrachter unwillkürlich an ein Gewirr von Arkadengängen aus Naturstein denken.

      Genau das war für den heutigen Verwendungszweck geradezu ideal. Die illustren Gäste konnten nach Herzenslust mit ihren Drinks im Schatten der Bedachung herumspazieren und staunend über den späteren Ausbau des Gebäudes spekulieren. Alte Gemäuer wie dieses brachten selbst noch in der heutigen Zeit viele Menschen zum Träumen und Gruseln.

       Wo lag einst der geräumige Salon, und in welchem dieser Räume mag sich einer der früheren Hauseigentümer das Leben genommen haben, bevor man seine Leiche in einen wertvollen Seidenteppich wickelte und bei Nacht und Nebel von der Insel schaffte?

      Solche Fragen beschäftigten die Anwesenden, ob sie nun zum Personal oder den Gästen gehörten. Jeder schien ein paar Details der alten Geschichten zu kennen, doch niemand konnte das große Ganze überreißen.

      Überall auf dem Festgelände standen runde Stehtische verteilt, über die passgenaue Hussen drapiert waren. Am unteren Drittel des jeweiligen Standfußes war der schneeweiße, dezent schimmernde Damast mit riesigen Schleifen dekorativ zusammengerafft. Darunter glänzte polierter Chrom.

      Zwei Fernsehteams, ein deutsches und ein italienisches, hatten in einer der hinteren Ecken des Anwesens ihr Equipment für die Übertragung abgestellt. Hier befand sich auch die provisorische Schaltzentrale für die Veranstaltungstechnik, wo die elektrischen Kabel sämtlicher Installationen in einem Strang zusammenliefen. Die Soundanlage wurde soeben aufgebaut.

      Im Raum daneben stellten flinke Helfer das zehn Meter lange Buffet auf, schoben dazu mehrere Tische in Reihe. Sie dekorierten die so entstehende Tafel mit den gleichen schneeweißen Damast-Tischdecken, wie sie auch über den Stehtischen steckten. Daneben stand eine Reihe silbrig glänzender Champagnerkübel bereit, die auf ihre Eisfüllung warteten. Es gab noch viel zu tun, die Zeit drängte.

      Zurzeit gab es auf der Insel noch keinerlei sanitären Anlagen. Allein mit Muskelkraft waren daher sechs italienische Pendants zu den guten alten Dixie-Klos auf den Felsen geschleppt worden, eines nach dem anderen. Die hässlichen hellgrauen Plastikhäuschen standen jetzt, abgelegen auf einer der hinteren Terrassen, in Reih und Glied. Teilweise wurden sie von herabhängenden Jasminzweigen verdeckt. Die Pflanze wucherte flächig über eine der wuchtigen Mauern, die zum Meer hin bündig mit dem Felsplateau abschlossen und das Areal abstützten.

      »Das sorgt dann gleich für gute Luft, wenn die Blüten nachts ihren Duft verströmen«, hatte einer der Arbeiter beim Aufstellen gewitzelt.

      Am oberen Teil der Frontfassade der Villa hatte man ein großes weißes Tuch aufgespannt. Es würde nach Sonnenuntergang als Projektionsfläche für die Präsentation dienen. Rund um die beiden Inselhälften steckten im Abstand von wenigen Metern Partyfackeln im Boden, die das feierliche Szenario bei Nacht stimmungsvoll erleuchten, für ein mystisches Ambiente sorgen sollten. Leider hatte Thorsten nirgends Feuerschalen auftreiben können. Die hätten sicher wesentlich mehr hergemacht.

      Momentan war noch helllichter Tag. Möwen kreischten, erste Badegäste der neuen Saison tummelten sich am Fuße der Inseln. Ab und zu cruiste ein überdachtes Motorboot mit der Aufschrift Aquavision an den Mini-Inseln vorüber. Touristen gafften. Vermutlich war dies eines der modernen Dinger mit Glasboden, die es den Leuten ermöglichten, trockenen Körpers die Unterwasserwelt mitsamt ihren versunkenen römischen Ruinen zu bestaunen.

      Stolz wie Oskar stand Gastgeber Thorsten Sasse inmitten des Tumults aus jungen Servicekräften, Presseleuten, ersten Gästen und den Lieferanten vom Edel-Cateringdienst, welche Platten mit auserlesenem Fingerfood anlieferten. Drei gemietete Motorboote warteten am gegenüberliegenden Strand darauf, Gäste zur Insel zu befördern.

      Ab und zu brüllte er Anweisungen oder legte selbst Hand an, um das aufwändige Event exakt nach seinem Willen geraten zu lassen. Zog hier ein Fältchen glatt, polierte dort einen Fingerabdruck vom Sektkelch. Jede Kleinigkeit musste perfekt sein, darauf legte er allergrößten Wert. Eine logistische Meisterleistung, diese Präsentation. Hoffentlich pokerte er nicht zu hoch.

      Zwischendurch streifte sein Blick wohlwollend über das spiegelglatte, im Sonnenschein glitzernde Meer und die leuchtend violettfarbenen Bougainvilleas, die einige der Bruchsteinmauern aus verwittertem Sandstein dekorativ überwucherten. Mannshohe Fächerpalmen, in semitransparenten Kunststoffkübeln von einem Meter Durchmesser, sorgten für mediterranes Flair. Letztere konnte man von der Innenseite her per Knopfdruck auf einer Fernbedienung in sieben verschiedenen Farben beleuchten. Heute Abend würden sie in feurigem Rot und geheimnisvollem Royalblau erstrahlen, nahm Thorsten sich vor.

      Zweifellos die perfekte Kulisse für diese Art Veranstaltung. Selbst das Wetter spielt heute mit. Alles richtig gemacht, Thorsten. Der Teufel soll dich holen, wenn der Abend kein voller Erfolg wird, dachte der erfolgsverwöhnte Yuppie selbstbewusst.

      Mona, seine Freundin und baldige Lebensgefährtin, stolzierte auf schwindelerregend hohen Plateausandalen herbei. Sie balancierte elegant ein verschnörkeltes Silbertablett mit zwei Gläsern Rotwein vor ihrem sehenswerten Busen.

      »Bevor du nachher zu sehr belagert wirst, wollte ich unbedingt auf gutes Gelingen und die nächste Million mit dir anstoßen«, gurrte die bildschöne Sechsundzwanzigjährige kokett.

      Wenn du wüsstest, mein rassiges Zuckerschnittchen, dachte Thorsten amüsiert und betrachtete seine Holde von oben bis unten. Das schwarzhaarige, fast einen Meter achtzig große Model war eine Augenweide, ein wandelnder Blickmagnet. Wo immer die langbeinige Schönheit auftauchte, verstummten augenblicklich die Gespräche, waren alle Augenpaare auf sie gerichtet. Gebräunte, nahezu kupferfarbene Haut, eine makellose Figur, dazu schmale, perfekt manikürte Hände und Füße … ihr gesamtes Erscheinungsbild erinnerte ein bisschen an Walt Disneys Indianerprinzessin Pocahontas, einschließlich des wilden, stolzen Blicks aus – in ihrem Fall – leuchtend grünen, leicht schräg gestellten Katzenaugen.

      Er